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Auftragsbekanntmachung – Verweis auf die Eignungskriterien genügt (VK Nordbayern, Beschl. v. 09.04.2018 – RMF-SG21-3194-3-5)

EntscheidungDie Eignungskriterien in einem Vergabeverfahren müssen nicht abschließend in der Auftragsbekanntmachung enthalten sein, vielmehr kann die Auftragsbekanntmachung für die Eignungskriterien auf die nach § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt elektronisch abrufbaren Ausschreibungsunterlagen verweisen.

§ 97 Abs. 1 GWB, § 122 Abs. 4 GWB, § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A, § 16 EU Nr. 4 VOB/A

Leitsatz

  1. Ein Direktlink in der Auftragsbekanntmachung genügt, die Eignungskriterien wirksam bekanntzumachen. Entscheidend ist, dass ein Bieter, der die Bekanntmachung durchsieht, ohne Mitwirkung der Vergabestelle Kenntnis von den Eignungskriterien als auch von den vorzulegenden Unterlagen, mit denen die Eignung zu belegen ist, nehmen kann.
  2. Legt ein Bieter eignungsbezogene Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vor, muss sein Angebot ausgeschlossen werden. Die Angemessenheit der Frist für jede Erklärung oder jeden Nachweis bestimmt sich nach dem Umfang des Aufwands, der zur Beibringung der jeweils geforderten Unterlage notwendig ist.
  3. Bei einem Sachverhalt, wenn die Bieterin bezüglich der geforderten Referenzbescheinigungen zum Ausdruck bringt, dass sie alle Unterlagen, die sie beibringen wollte, auch vorgelegt hat, kann sie sich später nicht darauf berufen, dass die Frist unangemessen kurz gewesen sei.

Sachverhalt

Der öffentliche Auftraggeber schrieb im offenen Verfahren nach der VOB/A-EU die Ausführung von Wärmeverbundsystemarbeiten aus. Die Ausschreibungsunterlagen wurden unter einem in der Auftragsbekanntmachung enthaltenen Link uneingeschränkt und direkt zum Download bereitgestellt. Zu den Eignungskriterien im Vergabeverfahren hieß es in der Auftragsbekanntmachung: „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“. Öffnete ein Interessent den Downloadlink für die Ausschreibungsunterlagen, stieß er unter anderem auf eine sofort sichtbare PDF-Datei mit der Bezeichnung: „124 Bekanntmachung zur Eignung“. Diese PDF Datei enthielt das Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung für nicht präqualifizierte Unternehmen) des Vergabehandbuches Bayern (VHB), in dem sich der Auftraggeber im Vergabeverfahren die Forderung der Vorlage von Referenzbescheinigungen für drei Referenzaufträge von den Unternehmen in der engeren Wahl vorbehielt.

Die Antragstellerin gab ein Angebot ab. Im Rahmen der Eignungsprüfung forderte der öffentliche Auftraggeber die Antragstellerin unter anderem dazu auf, zu drei Referenzaufträgen detaillierte Angaben zu machen und Referenzbescheinigungen in Anlehnung an das dem Formblatt 124 Eigenerklärung zur Eignung beiliegenden Muster innerhalb einer 6-tägigen Frist vorzulegen. Für den Fall des Nichteinreichens der geforderten Referenzbescheinigungen wies der öffentliche Auftraggeber auf den zwingenden Ausschluss des Angebotes nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A, wegen des Nichtvorlegens von Unterlagen, deren Anforderung sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten habe, hin.

Innerhalb der Frist machte die Antragstellerin zu drei Referenzaufträgen die geforderten Angaben, legte jedoch keine Referenzbescheinigungen vor. Insbesondere aufgrund der fehlenden Referenzbescheinigungen wurde die Antragstellerin daraufhin vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Der öffentliche Auftraggeber informierte die Antragstellerin über den Ausschluss und die beabsichtigte Erteilung des Zuschlags an ein anderes Unternehmen. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Antragstellerin nach erfolgloser Rüge im Wege des Nachprüfungsverfahrens. Im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens legt die Antragstellerin eine formell fehlerhafte Referenzbescheinigung für den Referenzauftrag 1 vor.

Die Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag hat keinen Erfolg. Nach Auffassung der VK Nordbayern sei insbesondere der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A rechtmäßig erfolgt, da die Antragstellerin die geforderten Referenzbescheinigungen nicht vorgelegt habe.

Entsprechend dem Formblatt 124 VHB habe der öffentliche Auftraggeber rechtswirksam festgelegt, dass Bieter, falls sie in die engere Wahl kommen, für drei Referenzen jeweils Referenzbescheinigungen vorlegen müssen. Für die rechtswirksame Festlegung dieser Eignungsanforderung habe ein Direktlink in der Auftragsbekanntmachung genügt. Entscheidend sei, dass ein Bieter, der die Bekanntmachung durchsehe, ohne Mitwirkung der Vergabestelle Kenntnis von den Eignungskriterien als auch von den vorzulegenden Unterlagen, mit denen die Eignung zu belegen ist, nehmen könne. Dies sei bei einem Direktlink auf die Ausschreibungsunterlagen erfüllt. Durch das Öffnen des Direktlinks aus der Auftragsbekanntmachung zeige sich unter anderem für den Bieter sofort sichtbar ein PDF-Symbol mit der Bezeichnung 124 Bekanntmachung zur Eignung. Bei diesem PDF-Dokument handele es sich um das Formblatt 124 des Vergabehandbuchs Bayern (VHB). Dadurch sei gewährleistet gewesen, dass der Bieter ohne Weiteres an das Formblatt 124 VHB mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen gelange. Jeder Bieter habe durch diese Gestaltung der Auftragsbekanntmachung erkennen können, ob er als potenziell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht komme. Da der öffentliche Auftraggeber sich die Forderung von Referenzbescheinigungen für drei Referenzaufträge im Formblatt 124 vorbehalten habe, diese Referenzbescheinigungen von der Antragstellerin auch konkret gefordert habe und die Antragstellerin dieser Forderung nicht innerhalb der dafür gesetzten Frist nachgekommen sei, sei ihr Angebot vom Vergabeverfahren zwingend auszuschließen gewesen.

Rechtliche Würdigung

Nachdem die VK Nordbayern im Beschluss vom 03.08.2017 – 21. VK-3194-14/17 bereits für die Vorinformation für die Bekanntgabe der Eignungskriterien und ihrer Nachweise eine Verlinkung auf einen Anhang zur Vorinformation als ausreichend ansah, wendet sie ihre Auffassung zur Verlinkung auch auf die Auftragsbekanntmachung an. Entscheidend ist schließlich, dass ein Bieter, der die Bekanntmachung durchsieht, ohne Mitwirkung der Vergabestelle Kenntnis von den Eignungskriterien als auch von den vorzulegenden Unterlagen, mit denen die Eignung zu belegen ist, nehmen kann. Damit schließt sich die VK Nordbayern der VK Südbayern an, die in einem ähnlich gelagerten Fall für das modernisierte Vergaberecht nach dem April 2016 ebenfalls die Verlinkung auf die in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen Eignungskriterien als ausreichend ansah (VK Südbayern, Beschl. v. 16.10.2017 – Z3-3-3194-1-30-06/17).

Vor der Vergaberechtsreform vom April 2016 war es zumindest umstritten, ob ein Hinweis in der Auftragsbekanntmachung auf die in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen Eignungskriterien ausreichend war (dagegen damals noch: VK Südbayern, Beschl. v. 10.09.2013 – Z3-3-3194-1-22-08/13; zumindest die für den Eignungsnachweis vorzulegenden Unterlagen müssten durch die Bekanntmachung abschließend benannt werden: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2010 – Verg 18/10).

Ob diese Auffassung auf das modernisierte Vergaberecht übertragen werden kann, ist fraglich. Nach dem § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A müssen die Ausschreibungsunterlagen ohnehin unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt zum Download bereitgestellt werden. Der Link für diesen Download muss in der Auftragsbekanntmachung enthalten sein. Interessenten müssen nach dem modernisierten Vergaberecht somit nur noch dem Direktlink folgen, um die Eignungskriterien und die vorzulegenden Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen. Dies ist ein überschaubarer Aufwand für jeden Interessenten. Zudem gestattet das EU-Standardformular zur Auftragsbekanntmachung hinsichtlich der Eignungskriterien und der vorzulegenden Unterlagen ausdrücklich den Verweis auf die Ausschreibungsunterlagen. Es wäre daher widersprüchlich etwas als vergaberechtswidrig einzustufen, was das Formblatt ausdrücklich zulässt. Darüber hinaus ist für die Auftraggeber der Verweis auf die Ausschreibungsunterlagen allerdings eine entscheidende Erleichterung. Von ihnen wird nicht mehr gefordert, die Eignungskriterien und die dazu vorzulegenden Unterlagen im Detail in die engen Felder des EU-Standardformulars zu füllen. In der Vergangenheit waren hier wohl auch insbesondere aufgrund der unübersichtlichen Gestaltung der Eingabemaske Fehler zu beobachten, die allen Beteiligten am Vergabeverfahren viel Kopfzerbrechen bescherten. Vor diesem Hintergrund ist sowohl für die Interessenten als auch für die öffentlichen Auftraggeber zu hoffen, dass sich die Rechtsprechung der VK Nordbayern und der VK Südbayern durchsetzt und eine Verlinkung auf die Ausschreibungsunterlagen künftig ausreicht.

Praxistipp

Die Auffassung der VK Nordbayern und der VK Südbayern ist nicht unumstritten. Insbesondere hält wohl die VK Bund an der für das Vergaberecht vor dem April 2018 vertretenen Auffassung fest (VK Bund, Beschl. v. 18.09.2017 – VK 2-96/17).

Äußerungen anderer Vergabenachprüfungsinstanzen zur Position der VK Nordbayern liegen – soweit ersichtlich – noch nicht vor. Öffentliche Auftraggeber sollten daher bis zur Bildung einer gefestigten Rechtsprechung einstweilen von einer bloßen Verlinkung auf die Eignungskriterien in den Ausschreibungsunterlagen absehen. Die Entwicklung der Rechtsprechung sollte abgewartet werden.

Hinweis der Radaktion
Im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) wird derzeit in dem Fachausschuss Recht zu dem Thema: „Eignungskriterien und -nachweise [1]“ diskutiert. Diskutieren Sie mit. Noch kein Mitglied? Zur kostenlosen Mitgliedschaft geht es hier [2].

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Über Anes Kafedzic [3]

Anes Kafedžić ist Rechtsanwalt bei LANGWIESER RECHTSANWÄLTE Partnerschaft mbB [4]. Das Tätigkeitsspektrum von Herrn Kafedžić umfasst die gesamte Bandbreite des Vergaberechts. Im Rahmen dessen berät er seine Mandanten bei der Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen sowie bei der Erstellung von Angeboten. Darüber hinaus übernimmt er die Vertretung seiner Mandanten in vergaberechtlichen Rechtschutzverfahren sowie bei der Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen vergaberechtlichen Ursprungs, z.B. Schadensersatz- und Akteneinsichtsansprüche.

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