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DVNW-Umfrage zur Modernisierung in der Vergabeorganisation: Öffentliche Auftraggeber sehen Nachholbedarf!

Die letzten Vergaberechtsreformen haben die Digitalisierung des Vergabewesens stark nach vorne getrieben, doch bei der Umsetzung sehen die Betroffenen Nachholbedarf. Dies bestätigte eine Mitgliederumfrage des Deutschen Vergabenetzwerkes (DVNW) (). Zugleich kritisieren die 403 Befragten deutlich, dass die Privatwirtschaft über zu wenig Kenntnis des Vergaberechts verfüge, um erfolgreich den Weg zum öffentlichen Auftrag zu finden.

Mit einem Beschaffungsvolumen von mehr als 360 Milliarden Euro pro Jahr hat das öffentliche Beschaffungswesen in Deutschland eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung. Dieses große Nachfragepotenzial bietet öffentlichen Arbeitgebern weitreichende Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten, z.B. bei Klimaschutz, Nachhaltigkeit, sozialen Standards sowie der Förderung von KMU. Erfolgreiche staatliche Nachfrage und Investitionspolitik setzt jedoch eine funktionierende und moderne Beschaffungs- und Vergabeorganisation voraus.

Ungenutzte Potenziale in der Vergabeorganisation

Der Gesetzgeber hat durch die letzten Vergaberechtsreformen die Digitalisierung der Vergabe (eVergabe) weit nach vorne getrieben, um diese effektiver und effizienter zu gestalten. In der aktuellen DVNW-Umfrage geben nur rund zwei Drittel der Befragten (69 Prozent) an, diese Vorgaben in ihrer Organisation bereits vollständig umgesetzt zu haben. Über die gesetzlichen Anforderungen zur eVergabe hinaus, bieten am Markt erhältliche Vergabemanagementlösungen öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit, beispielsweise in Form einer vollständigen elektronischen Vergabeakte, Prozesse operativ zu straffen. Derzeit arbeiten jedoch nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) mit solchen Lösungen. Weitere 14 Prozent der Befragten geben an, dass eine Einführung geplant sei.

Eine weitere Stellschraube für mehr Effizienz bietet sich durch zentralisierte Beschaffungsorganisationen im eigenen Haus – etwas weniger als 70 Prozent arbeiten inzwischen in einer solchen. Doch nur 46 Prozent führen mit anderen Auftraggebern über Verwaltungsgrenzen hinweg gemeinsame strategische Beschaffungen durch. „Forschung und Politik argumentieren seit langem, die teils erheblichen Einsparpotenziale durch größere Auftragsvolumina sowie eine Minimierung der Verwaltungskosten zu heben, insofern bleibt ganz offensichtlich noch einiges Potenzial ungenutzt“, sagt Marco Junk, Geschäftsführer des DVNW.

Zu wenig Personal

70 Prozent der Befragten geben an, dass in ihrer Organisation ein struktureller Personalengpass besteht und die Gewinnung von neuem Personal schwierig ist. Trotz der Probleme ist die Identifikation mit der eigenen Aufgabe bei 84 Prozent hoch. Gemessen an der mit dem Aufgabengebiet verbundenen Verantwortung geben aber nur 41 Prozent der Befragten an eine angemessene Vergütung zu erhalten. „Öffentliche Auftraggeber tragen eine enorme Verantwortung – von der effizienten Verwendung der Haushaltsmittel über die Förderung des Wettbewerbs bis zur Berücksichtigung der mit der Vergabe verfolgten politischen Zielsetzungen, wie z.B. der Beachtung von Umwelt- und Sozialstandards. Wer hier am Personal spart, spart am Ergebnis“, so Junk.

Zu wenig Kenntnis des Vergaberechts in der Privatwirtschaft

Das Vergaberecht gilt als komplex und teils schwer zugänglich – 69 Prozent der Befragten geben an, dass das Vergaberecht für sie als Auftraggeber zu kompliziert ist. 90 Prozent glauben, dass es für Bieter zu kompliziert ist. „Umso wichtiger sind daher Information, fachlicher Austausch und gegenseitiges Verständnis, wozu eine Organisation wie das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW) beitragen möchte“, so Junk.

Gerne wird öffentlichen Auftraggebern der Vorwurf gemacht, dass sie die Marktsituation nicht hinreichend einschätzen könnten und daher an Entwicklungen bei Produkten, Dienstleistungen sowie Preisen und Kapazitäten vorbei ihre Vergaben formulieren würden. Dabei geben knapp zwei Drittel der Befragten (63 Prozent) an, das Instrument Markterkundung zu nutzen. Umgekehrt kritisieren 85 Prozent der DVNW-Mitglieder mangelnde Kenntnisse des Vergaberechts auf Seiten der auf öffentliche Ausschreibungen bietenden Privatwirtschaft, was den Zugang zum Auftrag erheblich erschwert. Dieses Bild spiegelt in der mangelnden Resonanz auf Vergabeverfahren: 56 Prozent der Befragten sind mit dieser unzufrieden.

Bei der Nutzung der Vergabeverfahrensarten Innovationspartnerschaft und wettbewerblicher Dialog, die Auftraggeber für komplexe Aufträge und Entwicklung von Innovationen mit der Wirtschaft nutzen können, zeigt sich Zurückhaltung. Das beide Verfahrensarten bisher nicht genutzt werden, geben je Verfahrensart 70 bis 80 Prozent der Befragten an. Auch seien derzeit bei weniger als 5 Prozent Verfahren dieser Art überhaupt in Planung.

Eigenständige VOB/A erhält weniger Zuspruch

Mit den letzten großen Reformen hat der Gesetzgeber das Vergaberecht umfassend neu strukturiert. So wurde beispielsweise die zuvor eigenständige Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in die komplett überarbeitete Systematik der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) integriert. Für Vergaben unterhalb der EU-weit geltenden Schwellenwerte wurde die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) durch die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) auf Bundesebene und mittlerweile fast vollständig auf Länderebene abgelöst. Eigenständig existiert noch die Vergabe- und Vertragsordnung (VOB/A). Wirtschafts- und Innenministerium des Bundes prüfen derzeit, inwiefern hier weitere Anpassungen erfolgen könnten. Die deutsche Bauwirtschaft hat sich über ihre Verbände klar zum Erhalt der VOB/A ausgesprochen. Jeder Dritte Befragte (34 Prozent) sieht das auch so. Fast die Hälfte (47 Prozent) geben an, für eine Integration der VOB/A in die VgV zu sein.

Quelle: Deutsches Vergabenetzwerk (DVNW) – Pressemitteilung

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