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Fehlende Bekanntmachung von Eignungskriterien führt nicht immer zu einem schwerwiegenden Vergabefehler (VK Bund, Beschl. V. 31.08.2022 – Verg 2-72/22)

EntscheidungMit Beschluss vom 31.08.2022 befasst sich die VK Bund mit dem Dauerbrenner „fehlende Bekanntmachung von Eignungskriterien“ und stellt dabei Folgendes fest: Wenn der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung die Eignungskriterien weder direkt noch durch einen weiterführenden Link zum direkten Abruf der Eignungskriterien aufnimmt, liegt zwar ein Vergaberechtsverstoß gegen § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB vor. Für den Erfolg des Nachprüfungsantrags ist jedoch maßgeblich, dass dieses Versäumnis in der Gesamtbetrachtung einen schwerwiegenden Vergaberechtsverstoß darstellt. Ein solch schwerwiegender Vergabeverstoß ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn der mangels Eignung ausgeschlossene Bieter bei einem reinen Preiswettbewerb das höchste Angebot abgegeben hat.

§§ 122 Abs. 4 Satz 2, 160 Abs. 2, 168 Abs. 1 Satz 2 GWB; §§ 46 Abs. 1, 60 VgV

Leitsatz

  1. Ein Bieter ist im Vergabenachprüfungsverfahren nur antragsbefugt, wenn er darlegt, dass ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
  2. Bezugspunkt des Schadens hat ein Nachteil zu sein, der kausal auf den Vergabefehler zurückgeht. Im Entgehen einer zweiten Chance liegt kein Schaden, wenn der Vergabefehler nicht ursächlich für die Nichtberücksichtigung des Angebots war.
  3. Führt der öffentliche Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung keine Eignungskriterien auf, liegt zwar ein Vergaberechtsverstoß vor. Eine Gesamtbetrachtung des Vorgangs kann aber ergeben, dass es sich um keinen schwerwiegenden Vergabefehler handelt.

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb Verpflegungsleistungen europaweit aus. In der Auftragsbekanntmachung hieß es unter Ziffer I.3, dass die Vergabeunterlagen elektronisch über einen Link bereitgestellt werden: „Die Auftragsunterlagen stehen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei zur Verfügung unter: https://www. […]

Im Abschnitt zu den Teilnahmebedingungen verzichtete der Auftraggeber vollumfänglich darauf, Eintragungen vorzunehmen, wodurch der Auftragsbekanntmachung „rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Angaben“ fehlten.

Das Angebot der Antragstellerin wurde vom Verfahren unter anderem wegen inhaltlich unzureichender Referenzen ausgeschlossen. Zudem war es das preislich schlechteste Angebot.

Die Antragstellerin leitete ein Nachprüfungsverfahren ein und beanstandete die unterbliebene Veröffentlichung der Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung. Ihre Antragsbefugnis gemäß § 160 Abs. 2 GWB leitete sie daraus ab, dass sie einen Anspruch auf eine zweite Chance habe. Die fehlerhafte Bekanntmachung in dem Vergabeverfahren müsse korrekt wiederholt werden. Ohne diese Wiederholung könne der Auftraggeber das Vergabeverfahren nicht ordnungsgemäß abschließen.

Weiterhin führte die Antragstellerin aus, der Auftraggeber habe die in den Vergabeunterlagen aufgestellten Eignungskriterien nicht wirksam gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB bekannt gemacht, weil die Kriterien unter dem Abschnitt „rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Angaben“ nicht aufgezählt wurden.

Der Auftraggeber hielt dem entgegen, die Eignungsprüfung und der daraus resultierende Ausschluss sowie der erteilte Zuschlag beruhten mitnichten auf falscher Grundlage, weil der Auftrag eine besondere Dienstleistung im Sinne von § 130 GWB i. V. m. Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU, dort Rubrik „Gaststätten und Beherbergungsgewerbe“ sei und in dem dafür vorgesehenen Bekanntmachungsformular aus der Durchführungsverordnung 2015/1986 (Anlage XVII Bekanntmachung für „Soziale und andere besondere Dienstleistungen – öffentliche Aufträge“) der Abschnitt für die Angabe von Eignungskriterien fehle (anders Bekanntmachungsformular Anlage II „Auftragsbekanntmachung“). Die Eignungskriterien konnten den verlinkten Vergabeunterlagen entnommen werden.

Die Entscheidung

Aus Sicht der VK Bund führt allein der Umstand der fehlerhaften Bekanntmachung der Eignungskriterien nicht zum Erfolg des Nachprüfungsantrags.

Dabei führte die Kammer aus, dass die nach § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB notwendige Kausalität zwischen Vergabefehler und Schaden hier fehle. Zwar habe die Antragstellerin durch den Ausschluss vom Vergabeverfahren einen Schaden erlitten. Der Grund für den Ausschluss seien aber die unzureichenden Referenzen der Antragstellerin gewesen und nicht die fehlende Angabe der Eignungskriterien. Daran ändert auch ihr Vortrag nichts, sie sei unbedarft an die Referenzangaben herangegangen, weil diese nicht in der Bekanntmachung enthalten gewesen sind.

Die Vergabekammer betonte allerdings, dass in der Bekanntmachung „Soziale und andere besondere Dienstleistungen – öffentliche Aufträge“ für die Angabe der Eignungskriterien der Abschnitt III.1.4) vorgesehen sei. Dabei habe der Auftraggeber auch die Möglichkeit, einen weiterführenden Link zum direkten Abruf der Eignungskriterien in die Bekanntmachung aufzunehmen (vgl. zur Zulässigkeit der Verlinkung OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 – Verg 24/18; Vergabeblog.de vom 11/10/2018, Nr. 38647).

Weiterhin hat die VK Bund klargestellt, dass ein Aufgreifen des Fehlers von Amts wegen nach § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB nicht notwendig sei, da im vorliegenden Fall weder ein schwerwiegender noch offenkundiger Vergabefehler gegeben sei. Im Unterschied zu der Entscheidung des OLG Düsseldorf (a.a.O) lägen keine unangemessenen und im Ergebnis wettbewerbsbeschränkenden Eignungsvorgaben des Aufraggebers vor. Ferner stellte die Vergabekammer fest, dass der Auftraggeber sämtliche Eignungsanforderungen bei allen Bietern in gleicher Weise geprüft habe. Die Antragstellerin habe auch die Eignungskriterien in den Vergabeunterlagen gefunden. Weiterhin seien die Auftragsbekanntmachungsformulare nicht verständlich, weil sie die Möglichkeit eröffnen, auf die Vergabeunterlagen zu verweisen. Im Übrigen seien auch Erfahrungen mit Verpflegungsdienstleistungen in klimatisch extremen und sicherheitspolitisch problematischen Regionen mit Blick auf die ausgeschriebene Leistung verhältnismäßig. Auch ginge es anders als in dem zu entscheidenden Fall des OLG Düsseldorf (a.a.O.) nicht um den Ausschluss des preislich besten, sondern des preislich schlechtesten Angebots.

Rechtliche Würdigung

Der Vergabesenat bestätigt die Anforderungen an die Veröffentlichung der Eignungskriterien in Auftragsbekanntmachungen.

Es bleibt zu hoffen, dass mit der Einführung der eForms (elektronische Standardformulare für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen), die keine festen und in sich abgeschlossenen Formularvorlagen sind, solche Verwechslungen und Wertungen hinsichtlich der einzelnen Abschnittinhalte in den jeweiligen Bekanntmachungen seltener werden. Die Formulare sollen strukturiert logische und zeitliche Bezüge in unterschiedlichen Kontexten (automatisch) berücksichtigen, so auch die vergabekonforme Einordnung der Abschnitte und deren Inhalte im Rahmen der Angaben zu den Eignungskriterien (weiterführende Informationen zu eForms: Beschaffungsamt des BMI und Europäische Kommission).

Sofern der Auftraggeber die Eignungsangaben in der Bekanntmachung unterlässt, liegt zunächst ein Vergabeverstoß vor. Die Entscheidung enthält keine neuen Erkenntnisse zur Bekanntmachung von Eignungskriterien und bestätigt vielmehr den Grundsatz, dass diese stets in der Auftragsbekanntmachung auszuführen sind. Die bloße Verlinkung der Vergabeunterlagen reicht nicht aus.

Weiterhin verdeutlicht der Beschluss der Vergabekammer, dass für den erfolgreichen Ausgang eines Nachprüfungsverfahrens ein Vergabeverstoß nicht notwendigerweise ausreicht. Vielmehr muss dieser unmittelbar dazu geführt haben, dass sich die Zuschlagschancen des Bieters verschlechtert haben.

Schließlich hat sich die VK Bund klar dazu positioniert, dass ein Vergabefehler nur dann von Amts wegen aufzugreifen ist, wenn ihm ein schwerwiegender Charakter anhaftet. Ein schwerwiegender Vergabefehler konnte infolge der „Gesamtbetrachtung des Vorgangs“ nicht angenommen werden, da insbesondere die Antragstellerin das preislich schlechteste Angebot abgegeben hatte (anders, wenn der Antragsteller der Bestbieter ist, vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Praxistipp

Für die Vergabe öffentlicher Aufträge sollten Auftraggeber die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung explizit aufnehmen. In dem hier von der VK Bund zu entscheidenden Fall ist der Auftraggeber zwar trotz der fehlenden Angabe von Eignungskriterien und des daraus resultierenden Vergabeverst0ßes mit einem „blauen Auge“ davongekommen. Das heißt aber nicht, dass die fehlende Bekanntmachung von Eignungskriterien immer folgenlos bleiben muss. So mag es andere Konstellationen geben, in denen eine Vergabekammer (z. B. bei gleichzeitig schlecht strukturierten Vergabeunterlagen, aus denen sich Bieter mühsam die Eignungsanforderungen zusammensuchen müssen) dennoch eine Kausalität zwischen dem Vergabeverstoß und dem Schaden beim Bieter annimmt. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass die Vergabenachprüfungsinstanzen in anderen Fällen – etwa wenn der Ausschluss den preislich besten Bieter trifft – weiter von einem besonders schwerwiegenden, von Amts wegen aufzugreifenden Fehler ausgehen.

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Über Darja Amelcenko, LL.M.

Darja Amelcenko, LL.M. ist Rechtsanwältin bei Luther, Berlin. Sie berät private Unternehmen und öffentliche Auftraggeber in den Bereichen Privates Baurecht und Vergaberecht. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Beratung bei digitalen Themen im Vergaberecht, insbesondere im Hinblick auf die Durchführung von Vergabeverfahren.

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