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EU-Kommission verklagt Deutschland wegen unzulässiger Inhouse-Vergabe

Die EU-Kommission wird Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Vergabe eines Auftrags über die Lieferung einer Softwareanwendung verklagen, der ohne förmliche Ausschreibung zwischen zwei Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Datenverarbeitungsdienste für Kommunen erbringen, geschlossen wurde. Nach Ansicht der Kommission hätte der Auftrag ausgeschrieben werden müssen. 

Im vorliegenden Fall erteilte die Datenzentrale Baden-Württemberg der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) den Auftrag, eine Softwareanwendung für Fahrzeugzulassungen, die die AKDB für Kommunen in Bayern entwickelt hatte, zu liefern.  Die Datenzentrale Baden-Württemberg wollte die Software in ihren Datenzentren für die Kommunen in Baden-Württemberg einsetzen.

Der Kommission wurde die Auftragsvergabe durch private Unternehmen zur Kenntnis gebracht, die vergleichbare Software für Kommunen anbieten. Nach Ansicht der Kommission müsse eine Vergabestelle wie die Datenzentrale den Binnenmarktregeln für die öffentliche Auftragsvergabe bei der Erteilung eines Liefervertrags an Dritte auch dann genügen, wenn der Auftragnehmer selbst eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei und der öffentlichen Vergabeordnung unterliege. Da die AKDB als Auftragnehmer vertraglich festgelegte entgeltliche Leistungen erbringe, wäre die Datenzentrale verpflichtet gewesen, den Auftrag gemäß dem EU-Vergaberecht öffentlich auszuschreiben, um so Transparenz und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Lieferanten im Binnenmarkt sicherzustellen.

Ausnahmen von diesem Grundsatz, sog. Inhouse-Geschäfte, sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen zulässig, die vorliegend jedoch offensichtlich nicht einschlägig sind.

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Über Marco Junk

Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk als Leiter Regierungsbeziehungen für das IT-Dienstleistungsunternehmen Atos tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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