Eine weitere Facette des Urteils ist interessant: Die BRD stellte sich auf den Standpunkt, die Klage der Kommission sei bereits unzulässig, da der Fall auf nationaler Ebene bereits durch eine Vergabekammer rechtskräftig entschieden wurde. Es widerspräche nun der Rechtssicherheit, wenn sich erneut ein Gericht, nämlich der EuGH, mit der Angelegenheit befasse.
Diesem Argument ist der EuGH nicht gefolgt. Denn Zweck des nationalen Vergabeverfahrens sei der Schutz der Wettbewerber, während Zweck des Vertragsverletzungsverfahrens die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten sei. Die Klage war daher zulässig.

Was bedeutet dies nun für die Praxis? Das Urteil des EuGH erging noch zum alten Recht – ist aber wohl auf das neue Recht zu übertragen. Das bedeutet: Nach § 101 b Abs. 2 GWB n.F. kann die Unwirksamkeit eines vergaberechtswidrig abgeschlossenen Vertrages nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums festgestellt werden. Diese Vorschrift dient der Rechtssicherheit über den Bestand des Vertrages. Die Nichtigkeitsregelung des § 13 Satz 6 VgV a.F. wurde damit abgelöst. Vor dem Hintergrund der neuen EuGH-Entscheidung sollte sich der öffentliche Auftraggeber aber nicht sicher wähnen, dass der Vertrag nicht doch noch in den Mittelpunkt einer gerichtlichen Prüfung rückt, zwar nicht durch eine nationale Vergabekammer, aber durch den EuGH – mit erheblichen Folgen (nämlich Bußgeldern und evtl. sogar der Pflicht, den Vertrag außerordentlich aufzukündigen). Die neue Entscheidung des EuGH relativiert damit den Schutzmechanismus des § 101 b Abs. 2 GWB n.F.

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