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Freie Wahl der Beschaffung vs Grundsatz der Produktneutralität – VK Lüneburg, Beschluss vom 16.11.09, vgK-62/2009

paragraph Die Vergabekammer Lüneburg hatte sich in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall mit § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A zu befassen. Danach darf die Beschreibung der Leistung nicht die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugt oder ausgeschlossen werden, es sei denn die zu vergebende Leistung rechtfertigt diese Beschreibung. Der Auftraggeber wollte im streitgegenständlichen Fall digitale Whiteboards für seine Schulen bestellen. In der Leistungsbeschreibung war u. a. gefordert „Bedienung mit Stift und Finger“. Durch diese Beschreibung wurden bestimmte Erzeugnisse bzw. Unternehmen bevorzugt. Der Auftraggeber rechtfertigte dies mit den pädagogischen Anforderungen, die von einem Gremium festgelegt wurden und erfüllt werden mussten. Die Antragstellerin sah darin eine Verletzung der Produktneutralität und erhob entsprechenden Nachprüfungsantrag.

§ 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A lautet:

(4) Die Beschreibung technischer Merkmale darf nicht die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dass eine solche Beschreibung durch die zu vergebende Leistung gerechtfertigt ist.

Die Vergabekammer Lüneburg hat entschieden, dass durch die Forderung nach einer Bedienbarkeit der Whiteboards sowohl mit dem Finger als auch einem Stift nicht gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung verstoßen worden ist und auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorlag. Die Vergabekammer führt insoweit aus: „Die Reichweite der Zulässigkeit der Angabe von bestimmten Erzeugnisses, Verfahren, Produktnamen und Herstellerbezeichnungen hängt maßgeblich von dem Leistungsgegenstand ab, aber auch von der Verwendung am konkreten Einsatzort. Maßgeblich ist dabei der Auftraggeberwille in Bezug auf den konkreten Auftragsgegenstand, den Einsatzort und den individuellen Verwendungszweck.“

Durch § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A sollen – auch subtile – Bevorzugungen bestimmter Erzeugnisse oder Unternehmen verhindert werden. Im vorliegenden Fall hatte der Auftraggeber sich jedoch mit den technischen Möglichkeiten und den Anforderungen in den Schulen – geplant war ein Einsatz v. a. an Grund- und Hauptschulen – umfassend auseinandergesetzt, bevor die Leistungsbeschreibung erstellt worden ist. Dies wurde auch in der Vergabeakte dokumentiert.

Der pädagogische Ansatz des Auftraggebers, bei der Beschaffung der digitalen Whiteboards auf eine möglichst breite Akzeptanz bei allen Schülern zu achten, ist nicht willkürlich, auch nicht im Sinne des § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A. Zur Rechtfertigung von besonderen Anforderungen an zu beschaffende Produkte im Sinne des § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/a bedarf es objektiver, in der Sache selbst liegender Gründe, die sich z. B. aus der besonderen Aufgabenstellung des Auftraggebers, aus technischen oder gestalterischen Anforderungen oder auch aus der Nutzung der Sache ergeben können. Dabei ist regelmäßig erforderlich aber auch ausreichend, dass die Forderung besonderer Merkmale bezogen auf die Art der zu vergebenden Leistung sachlich vertretbar ist und sich daher rechtfertigen lässt.

Im Rahmen der Privatautonomie ist auch der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, was er beschaffen will. Durch die Vorgaben des § 8 Nr. 3 VOL/A wird daher ein legitimes Interesse des Auftraggebers, ein bestimmtes Produkt zu verwenden oder eine bestimmte Art der Ausführung zu erhalten, nicht von vorneherein für unbeachtlich erklärt. Im vorliegenden Fall konnten mit dem erörterten pädagogischen Ansatz vom Auftraggeber ein berechtigtes Interesse an der Erfüllung der beanstandeten Anforderungen dargelegt werden. Daher lag ein Verstoß gegen § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A nicht vor.

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