Vergabeblog

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Fortlaufende Dokumentation: Heilung des Vergabevermerks zulässig? (VK Lüneburg, Beschluss v. 28.06.2011 – VgK-21/2011)

§ 20 VOL/A

ParagraphIm Rahmen der VOL/A 2009 werden bei § 20 VOL/A und § 24 VOL/A EG hohe Anforderungen an die Dokumentation gestellt. Das Vergabeverfahren ist „von Anbeginn an fortlaufend zu dokumentieren“. Strittig ist, ob ein Nachschieben von Gründen, also eine Nachbesserung des Vergabevermerks, nach Abschluss des Verfahrens zulässig ist. Der BGH hat erst im Februar unter bestimmten Voraussetzungen eine Heilung im Nachprüfungsverfahren im Rahmen von § 24 VOL/A EG bejaht (BGH, Beschluss vom 08.02.2011 – X ZB 04/10).
Die VK Lüneburg hat nun aktuell entschieden, dass ein Nachschieben von Gründen nach Abschluss des Vergabeverfahrens oder im Nachprüfungsverfahren nicht zulässig ist.

Der Fall

Vorliegend schrieb die Vergabestelle europaweit Rettungsdienstleistungen, aufgeteilt in 2 Lose, als Dienstleistungen nach Anhang I Teil B der VOL/A im offenen Verfahren aus. Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens rügt der Zweitplatzierte neben Wertungsfehlern die unzureichende, da nicht nachvollziehbare und nicht fortlaufende Dokumentation der Vergabestelle.

Die Entscheidung

Die VK Lüneburg gibt dem Antragssteller recht und sieht einen Verstoß gegen das in § 97 Abs.1 GWB normierte Transparenzgebot, da die Dokumentation der Vergabeakte bezüglich der Auswertung und Bewertung der Angebote nicht den Anforderungen nach § 20 VOL/A genüge.

Die Vergabekammer hält fest, dass auch für den Unterschwellenbereich des § 20 VOL/A Unionsrecht und damit § 97 Abs.1 GWB gilt und sich der öffentliche Auftraggeber an den Vorgaben in § 24 Abs.2 VOL/A EG zu orientieren hat. Wichtig dabei ist die fortlaufende Dokumentation:

„Die Dokumentation muss gemäß § 20 VOL/A jedoch ausdrücklich laufend fortgeschrieben werden. Die einzelnen Entscheidungen und deren Gründe sind daher jeweils zeitnah zu dokumentieren (vgl. Diehl, a.a.O., § 24 EG, Rdnr. 43; BayObLG, Beschluss vom 01.10.2001, Az.: Verg 6/01 = VergabeR 2001, S. 63 ff., 69). Es ist nicht ausreichend, dass der Vermerk etwa erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens und Zuschlagserteilung oder gar erst anlässlich einer (drohenden) rechtlichen Überprüfung angefertigt wird (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 20.03.2008, Az.: 1 Verg 6/07).“ (Auszug aus den Gründen)

Die Vergabestelle muss nun erneut unter Berücksichtigung der Vorgaben in § 20 VOL/A die Angebote prüfen, werten und vor allem nachvollziehbar dokumentieren.

Ausnahmen

Eine Heilung während eines laufenden Nachprüfungsverfahrens lehnt die Vergabekammer somit grundsätzlich ab.

Allerdings sieht die Vergabekammer ein Nachschieben von Gründen unter zwei Voraussetzungen als zulässig an:

1) In Fällen, bei denen der mangelhaft dokumentierte Sachverhalt in keiner Weise die Zuschlagsentscheidung und die Wertungsreihenfolge verändert. Hier – so die Vergabekammer – sei eine „teilweise“ Nachholung der Dokumentation zulässig.

2) Bei einer zeitnahen Nachholung der Dokumentation, so dass Manipulationen ausgeschlossen sind (so OLG Celle für den Bereich der VOB/A, Beschluss v. 11.02.2010, 13 Verg 16/09).

Widerspruch zu BGH?

Letztendlich ergibt sich aus der Entscheidung der Vergabekammer kein Widerspruch zu der Entscheidung des BGH vom 08.02.2011. Denn auch der BGH hält eine Heilung von Dokumentationsmängeln nicht per se für zulässig und weist auf den zeitnah zu dokumentierenden zwingenden Inhalt des Vergabevermerks nach § 20 VOL/A 2009 bzw. § 24 EG VOL/A 2009 hin. Nur für den Fall, dass eine Wiederholung des Vergabeverfahrens keinen Sinn macht und letztendlich dann doch das gleiche Wertungsergebnis herauskäme, lässt der BGH eine Heilung der Dokumentationsmängel im Rahmen von § 24 EG VOL/A zu.

PrellDie Autorin Monika Prell ist für den Bereich der Öffentlichen Ausschreibungen/Vergaberecht bei Bitkom Consult “ zuständig. „Bitkom Consult – Vergaberecht“ coacht, berät und unterstützt insbesondere Unternehmen der ITK-Branche bei öffentlichen Ausschreibungen. Mehr Informationen finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Über Monika Prell

Monika Prell ist Fachanwältin für Vergaberecht und Partnerin bei der Kanzlei SammlerUsinger in Berlin. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung im Vergaberecht und berät sowohl öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren als auch Bieterunternehmen umfassend bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen. Darüber hinaus vertritt Monika Prell ihre Mandanten vor den Vergabenachprüfungsinstanzen. Neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit ist sie als Kommentarautorin tätig, veröffentlicht regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.

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