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Kein Ende der Verwirrung: Wann liegt eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien vor? (OLG Frankfurt, Beschluss v. 28.05.2013 – 11 Verg 6/13)

ParagraphPassend zum Entwurf der 7. Änderungsverordnung zur VgV, in der für IB-Dienstleistungen nun im Vorgriff auf die Umsetzung der neuen Vergaberichtlinie die Trennung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien aufgelöst werden soll (siehe dazu den Beitrag von RAin Julie Wiehler), hat sich auch das OLG Frankfurt (Beschluss v. 28.05.2013 – 11 Verg 6/13) in einer erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung zur Thematik geäußert – und trägt damit zur weiteren Verwirrung bei!

Im zu entscheidenden Fall Auftrag zur Erstellung eines landesweiten Solarkatasters hatte der Auftraggeber unter anderem folgende (nicht bekannt gemachte!) Unterkriterien gewählt: „auftragsbezogene Teambesetzung“ und „Mitarbeiteranzahl ausreichend?“. Der unterlegene Bieter hat eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien gerügt. Sowohl die Vergabekammer als auch das OLG sind dem nicht gefolgt.

Obwohl das OLG Frankfurt an sich vom Grundsatz der strikten Trennung zwischen Eignungs- und sog. Wirtschaftlichkeitskriterien ausgeht und feststellt, dass Kriterien, die die Frage der Eignung betreffen, nicht als Zuschlagskriterien auf der vierten Wertungsstufe berücksichtigt werden dürfen, kommt er im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die beiden fraglichen Kriterien NICHT die Frage der Eignung betreffen. Dabei bezieht sich das OLG maßgeblich auf einen älteren Beschluss des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 21.5.2008 – VII-Verg 19/08 – Rn. 29). Danach sei es möglich, dass das gleiche Kriterium jeweils unter unterschiedlichen Gesichtspunkten für die Eignung und Wirtschaftlichkeit von Bedeutung sein könne. Der Auftraggeber dürfe bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots auch solche, an und für sich als Eignungsmerkmale einzustufenden Faktoren berücksichtigen, die nach den von ihm ermessensfehlerfrei aufgestellten Prüfungsmaßstäben einen spezifischen Bezug zur Ausführung des betreffenden Auftrags aufweisen, eine ordnungsgemäße Erfüllung der gestellten Anforderungen erwarten lassen und die sich nach seinem Verlangen im Angebot ausdrücklich niederschlagen.

So läge der streitgegenständliche Fall auch: Bei den fraglichen Unterkriterien gehe es um die auftragsbezogene Umsetzung bestimmter Eignungsmerkmale. Auch das OLG Celle hatte in einer neueren Entscheidung (Beschl. v. 12.1.2012 – 13 Verg 9/11) diese Auftragsbezogenheit hervorgehoben und ein an sich kritisches Kriterium wie „Organisationskonzept“ zugelassen.

Deutsches VergabenetzwerkBeide Gerichte verkennen jedoch, dass der EuGH in keiner seiner Entscheidungen (z.B. EuGH, Urteil vom 12.11.2009 – Rs. C-199/07) eine irgendwie geartete Auftragsbezogenheit von eindeutigen Eignungsmerkmalen berücksichtigt hat. Aus Sicht des EuGH sind daher jedwede eignungsbezogene Kriterien aus dem Prüfung der Wirtschaftlichkeit herauszunehmen. Aufgrund der eindeutigen Rechtsprechung des EugH ist auch das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 10.09.2009 (Verg 12/09) von seiner bisherigen – vom OLG Frankfurt zitierten – Rechtsprechung abgerückt:

„Selbst wenn ein Unternehmen ein „Mehr an Eignung“ aufweist, darf dieser Umstand nicht im Rahmen der Bewertung der Wirtschaftlichkeit eines Angebots zu Ungunsten eines preisgünstigeren Angebot berücksichtigt werden. Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots dürfen vielmehr stets nur solche Faktoren sein, die mit dem Leistungsgegenstand des Auftrags im Zusammenhang stehen.“

Wie die Praxis zeigt, ist dies bei Dienstleistungen, bei denen es sich in erster Linie um die Qualifikation der involvierten Personen dreht, so gut wie nicht durchsetzbar.

Die Auftraggeber stehen also vor dem Dilemma, eigentlich der Rechtsprechung des EuGH Folge leisten zu müssen, andererseits von einigen nationalen Instanzen größere Spielräume eingeräumt zu bekommen. In diese schon sehr verwirrende Rechtslage kommt nun die 7. Änderungsverordnung der VgV, die zumindest für IB-Dienstleistung ein „Mehr an Eignung“ in der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausdrücklich zulässt.

Fazit: Es wird Zeit, dass die neue Vergaberichtlinie in Kraft tritt und schnell umgesetzt wird!

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Über Aline Fritz

Frau Fritz ist seit 2000 im Bereich des Vergaberechts tätig und seit 2002 Rechtsanwältin bei FPS Rechtsanwälte und Notare, Frankfurt. Sie berät sowohl die öffentliche Hand bei der Erstellung von Ausschreibungen als auch Bieter in allen Phasen des Vergabeverfahrens. Frau Fritz hat umfassende Erfahrungen in der Vertretung vor diversen Vergabekammern und Vergabesenaten der OLGs. Des Weiteren hat sie bereits mehrere PPP-Projekte vergaberechtlich begleitet. Frau Fritz hält regelmäßig Vorträge und Schulungen zum Vergaberecht und hat zahlreiche vergaberechtliche Fachbeiträge veröffentlicht. Vor ihrer Tätigkeit bei FPS war Frau Fritz Leiterin der Geschäftsstelle des forum vergabe e.V. beim BDI in Berlin.

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4 Kommentare

  1. Hermann Summa

    Ob die neue Vergaberichtlinie der Weisheit letzter Schluss wäre, ist zu bezweifeln. Die Aufgabe der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien öffnet wieder den Weg zu „bekannt und bewährt“. Gelöst wird ein Scheinproblem, dass daraus entsteht, dass Auftraggeber ihre Hausaufgaben nicht machen und sich die „Eignungsprüfung“ auf ein Abhaken mehr oder weniger sinnvoller Forderungskataloge beschränkt.

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  2. Winfried Hühn

    Sehr geehrter Herr Summa, ich bin grundsätzlich ein großer Fan Ihres klaren Geistes und Ihrer nicht minder klaren Sprache! Trotzdem möchte ich Ihnen vorliegend widersprechen. Die Auftraggeber sind durch die gegenwärtige „Lianakis“-Rechtsprechung des EuGH und BGH insbesondere für stark persönlich geprägte Dienstleistungen (z.B. Beratungs- oder Dozentenleistungen) objektiv vor kaum lösbare Probleme gestellt. Zu dem Lösungsweg, Ihnen offenbar vorschwebt, nämlich die Qualität und Erfahrung von Mitarbeitern inhaltlich sehr viel präziser über Eignungskriterien abzufragen und abzuprüfen, hat meine Vergabestelle umfangreiche Erfahrungen gesammelt, die insgesamt überhaupt nicht befriedigend ausgefallen sind. In Verfahren mit Teilnahmewettbewerben kann man Skillprofile von Mitarbeitern ö.Ä. zwar grundsätzlich auch differenziert bewerten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dies zu einer kaum mehr handhabbaren und auch für die Unternehmen nicht wirklich zumutbaren Aufblähung dieses Verfahrensabschnitts führt. Im offenen Verfahren ist schon per se keine differenzierte Bewertung von Eignungsgesichtspunkten möglich. Darüber hinaus kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass in den betreffenden Märkten die Erfahrung und Qualifikation von Mitarbeitern unmittelbar wertbildend für die angebotenen Preise sind: Den frisch von der Uni eingekauften Juniorberater bekomme ich günstiger als den Seniorberater mit mehreren Jahren Berufs- und Projekterfahrung. Infolgedessen entsteht hier bei den Zuschlagskriterien eine so gut wie nicht behebbare Asymetrie, wenn man nur die Preise, nicht aber die Qualität bewerten kann. Ein „Verschiebebahnhof“, der die Qualitätsbewertung in die Eignungsprüfung verlagert, hilft nicht weiter, um dieses systemische Problem zu lösen.

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  3. Winfried Hühn

    um die Verwirrung noch zu steigern: Herr Bartsch von der IABG GmbH war so freundlich mich auf den nachfolgend referenzierten EuGH-Beschluss aufmerksam zu machen: EuGH T-447/10 erlaubt ausdrücklich die Bewertung von Lebensläufen von Unternehmensmitarbeitern sowohl im Rahmen der Eignung — hier über Mindestqualifikationen — als auch im Rahmen der Zuschlagskriterien — dort über eine differenzierte Bewertung hinsichtlich der „technischen Qualität“ des angebotenen Teams (Rdnrn. 33 bis 63). Mit einer ähnlichen „Abgrenzungsargumentation“ hat das BeschA vor dem OLG Düsseldorf kein Gehör gefunden (OLG Düsseldorf VII Verg 12/09 „Sectorcon“)

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  4. Aline Fritz

    Vielen Dank für den Hinweis. Das Urteil kannte ich noch nicht. Besonders pikant ist ja, dass dort der EuGH in eigener Sache entschieden hat!

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