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Der Umgang der Vergabestelle mit Referenzen als Eignungsnachweis – Teil 2

Vergabestellen müssen sich unabhängig von der Verfahrensart im Rahmen der öffentlichen Vergabeverfahren davon überzeugen, dass die einzureichenden bzw. eingereichten Angebote von geeigneten Bewerbern oder Bietern abgegeben werden. Denn § 122 Abs. 1 GWB fordert, dass öffentliche Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden, die nicht ausgeschlossen worden sind. Dieser Beitrag zeigt typische Problemfelder in Bezug auf Referenzen in zwei Teilen auf. Teil 1 finden Sie auf

5. Überprüfbarkeit

Ist die vom öffentlichen Auftraggeber geforderte Referenz überprüfbar und besteht eine Überprüfungspflicht?

Fordert der öffentliche Auftraggeber von den Bietern die Angabe von Referenzen, ist er berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Referenzen durch ein Auskunftsverlangen beim früheren Auftraggeber zu überprüfen. Allerdings hat er insoweit den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Überprüft der Auftraggeber die benannten Referenzen, kann er das Ergebnis der Überprüfung zur Grundlage seiner Prognoseentscheidung machen (Goldbrunner, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 46 VgV, Rn. 19). Der Auftraggeber muss die erhaltenen Auskünfte grundsätzlich nicht eigenständig auf ihre Richtigkeit bzw. auf die sachliche Grundlage der Einschätzung hin überprüfen, sondern kann von den erteilten Auskünften ausgehen (Voppel, in: Voppel, Osenbrück, Bubert, § 46 VgV, Rn. 48).

Eine Referenz des Bieters muss nicht gewertet werden, wenn sie nicht überprüft werden kann (VK Hessen, Beschl. v. 18.12.2017, Az. 69d-VK-2-38/2017). Eine bloße stichprobenartige Prüfung der vorgelegten Referenzen durch die Vergabestelle ist jedoch ausreichend (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 2.4.2009, Az. VK 9/09). Hierzu kann er etwa auch bei einzelnen, vom Bieter benannten Referenzauftraggebern telefonisch nachfragen. Drei Negativurteile von Referenzauftraggebern werden für eine negative Eignungsprognose für ausreichend gehalten (Tomerius, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 46 VgV, Rn. 5). Erhält der Auftraggeber bei drei (von 40) abgefragten Referenzen negative Auskünfte, kann dies zur Verneinung der Eignung berechtigen (VK Rheinland-Pfalz, a.a.O.).

6. Vergleichbarkeit

Was bedeutet, wenn im Rahmen von Referenzen bereits ausgeführte vergleichbare Aufträge vom Bieter verlangt werden?

§ 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV sieht im Vergleich zu § 6a Nr. 3 EU VOB/A eine Vergleichbarkeit nicht ausdrücklich vor. Er sieht nur Referenzen über wesentliche Leistungen vor. Vom Sinn und Zweck kann die Eignung jedoch nur bejaht werden, wenn die Referenzen den Schluss zulassen, dass die zu vergebenden Leistungen ordnungsgemäß erfüllt wird, was nur der Fall sein kann, wenn die Referenzen zumindest in gewissem Maße vergleichbar sind. Für Architekten- und Ingenieurleistungen geht § 75 Abs. 5 VgV von dem Erfordernis der Vergleichbarkeit von Referenzobjekten aus (Voppel, a.a.O., Rn. 37 f.).

Referenzen des Bieters müssen sich auf Leistungen beziehen, die mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar sind. Hierfür müssen die Leistungen nicht „gleich“ oder „identisch“ sein. Es reicht aus, wenn sie im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten und einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen. Vergleichbar sind Referenzleistungen bereits dann, wenn sie nach Art und Umfang der ausgeschriebenen Leistung in dem Sinne ähnlich sind (Sammlung von Leichtverpackungen ähneln Hausmüllsammlungen), dass sie für den Auftraggeber den hinreichend sicheren Schluss darauf zulassen, dass der Bewerber  über die für die ordnungsgemäße Ausführung des zu vergebenden Auftrags erforderliche Zuverlässigkeit und Fachkunde verfügt (OLG München, Beschl. v. 12.11.2012, Az. Verg 23/12; Voppel, a.a.O., Rn. 40). Die Vergleichbarkeit beruht damit auf einer Prognose mit Blick auf die spätere Phase der Leistungserbringung. Zutreffend wird gesagt, dass es hierbei nicht um einen „1:1“-Vergleich bereits abgearbeiteter Aufträge mit dem zu vergebenden Auftrag handeln muss. Maßgeblich ist, ob die Prognose im Hinblick auf bereits durchgeführte Aufträge die Annahme erlaubt, dass die fachliche und technische Leistungsfähigkeit auch im Hinblick auf den zu vergebenden Auftrag gegeben ist.

Allerdings können auch kleinere Aufträge und deren Zahl wertvolle Hinweise geben. Bei Projekten von außergewöhnlicher Größenordnung wird man in der Regel nicht allein darauf abstellen können, ob bereits Aufträge in ebendieser Größenordnung bearbeitet worden sind, weil das eine zu große Verengung des Bewerberkreises darstellen würde, ohne dass das unmittelbar gerechtfertigt wäre. Ab einer bestimmten Größenordnung steigt die erforderliche Erfahrung ebenso wie die durch ähnlich große erbrachte Projekte belegte Erfahrung nicht mehr generell mit zunehmendem Auftragswert an. Dabei wird auch das Verhältnis des geschätzten Auftragswertes zu den durchschnittlichen Auftragswerten der letzten Jahre, jedenfalls soweit es sich um „wesentliche“ Aufträge handelt, von Belang sein. Auch kann die Tatsache, dass der Bewerber in der Lage war, mehrere Aufträge gleichzeitig abzuwickeln, für die Bewertung von Interesse sein. Die Vergleichbarkeit bezieht sich jedenfalls auf den Inhalt der Leistungen. Die Referenzen müssen das Leistungsbild abdecken, das vom Auftrag umfasst sein soll. Das gilt auch dann, wenn der Abruf weiterer Leistungsphasen nur vorbehalten ist, also nicht Gegenstand des unmittelbar erteilten Auftrags sein soll. Grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist, dass der Auftraggeber konkrete Anforderungen an die Vergleichbarkeit stellt, die über die vorstehend dargestellten hinausgehen, etwa die Realisierung eines Objektes gleicher Nutzungsart. Er kann einerseits angeben, dass er solche Referenzen höher bewertet als „nur“ allgemein vergleichbare Referenzen (Voppel, a.a.O., Rn. 42 ff.).

Referenzen können auch durch Unteraufträge nachgewiesen werden. Sodass Hauptaufträge nicht erforderlich sind, um vergleichbare Erfahrungen und Qualitäten nachzuweisen (VK Arnsberg, Beschl. v. 6.8.2013, Az. VK 11/13; Tomerius, a.a.O., Rn. 5).

Der Auftraggeber verfügt bei der inhaltlichen Prüfung und Bewertung der Referenzen über einen weiten Beurteilungsspielraum, der von der Vergabekammer nur eingeschränkt überprüft werden kann (Voppel, a.a.O., Rn. 47).

7. Datenschutz

Dürfen in Referenzen personenbezogene Daten gefordert und angegeben werden?

Regelmäßig werden im Rahmen der Forderung von Referenzen nicht nur reine unternehmensbezogene Daten wie Unternehmensnamen, -anschriften, Leistungszeiträume und Auftragswerte abgefragt, sondern auch konkrete Ansprechpartner bei den Referenzgebern, bei denen personenbezogene Daten verarbeitet werden. Die Bewerber bzw. Bieter weisen dann immer wieder darauf hin, dass es ihnen aus datenschutzrechtlichen Aspekten heraus nicht möglich ist, diese Referenzen wie gefordert einzureichen und riskieren damit einen Ausschluss.

Sollten Referenzen gefordert werden, denen personenbezogene Daten zugrunde liegen, benötigt die Vergabestelle eine rechtliche Grundlage für die Verarbeitung. Art. 6 DSGVO sieht eine Reihe von Rechtsgrundlagen vor, die in diesem Fall gegeben sein müssen.

Einwilligungen sind in dieser Hinsicht kein effizientes Mittel, da sie jederzeit widerrufen werden können und die Rechtsgrundlage damit entfallen würde. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO ist nicht einschlägig, da dieser die Verarbeitung für die Erfüllung eines Vertrags oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen fordert, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgt. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten des Ansprechpartners beim Referenzgeber dient aber nicht der Erfüllung eines Vertrags oder Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen mit diesem, sondern mit dem Bieter. Zudem erfolgen weder Erfüllung des Vertrags noch die vorvertraglichen Maßnahmen auf Anfrage des Ansprechpartners beim Referenzgeber, sodass sich hieraus keine Rechtsgrundlage ergibt.

Für eine Vergabestelle wird daher regelmäßig Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c und e DSGVO in Betracht kommen. Diese betreffen die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung und zur Erfüllung einer Aufgaben im öffentlichen Interesse. Die Vergabestelle muss daher bei Forderung personenbezogener Daten für Referenzen den Bieter über den Zweck der Verarbeitung sowie seine Rechte informieren. Die rechtliche Verpflichtung dürfte sich aus der im Rahmen der Vergabebestimmungen vorgesehenen Pflicht zur Überprüfung und Dokumentation der Eignung ergeben. Darüber hinaus dürfte die Erfüllung von Aufgaben im öffentlichen Interesse erfolgen, da die Vergabeverfahren dem transparenten gleichberechtigten Wettbewerb und damit der Wirtschaftlichkeit sowie Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel und Steuergelder dienen. Soweit ersichtlich, ist dies aber rechtlich nicht abschließend geklärt.

Ist sich die Vergabestelle hinsichtlich der Rechtsgrundlage für die Forderung von personenbezogenen Daten für Referenzen daher unsicher, kann sie sich bspw. die Kontaktdaten anonymisiert ohne Rückschluss auf konkrete Personen geben lassen. Ob der Vergabestelle dies für eine Überprüfung ausreicht, bleibt ihr überlassen.

8. Nachforderung

Wann können Referenzen nachgefordert werden?

Referenzen sind unternehmensbezogene Eignungsnachweise. Grundsätzlich besteht bei fehlenden, unvollständigen, oder fehlerhaften unternehmensbezogenen Unterlagen die Möglichkeit, insbesondere Erklärungen, Angaben oder Nachweise nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, vgl. § 16a Abs. 1 EU VOB/A, § 56 Abs. 2 VgV. Hierzu gehören im Allgemeinen auch Referenzen. Vor der Vergaberechtsreform war die Zulässigkeit von Nachforderungen umstritten und ist es trotz gesetzlicher Änderungen nach wie vor.

Es dürfen fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachgefordert, vervollständigt oder korrigiert werden. Jedoch dürfen inhaltliche Nachbesserungen vorliegender Erklärungen nicht vorgenommen werden (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.11.2018, Az. VII-Verg 39/18; Beschl. v. 28.03.2018, Az. VII-Verg 42/17; VK Bund, Beschl. v. 17.10.2017, VK 2-112/17). Zwar sprechen die nationalen Vergabebestimmungen von fehlerhaften unternehmensbezogenen Unterlagen, die „korrigiert“ werden können, Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU enthält aber nur die Formulierung „ergänzen, erläutern und vervollständigen“. Nach der Richtlinie sind daher inhaltliche Korrekturen und Änderungen nicht zulässig.

Reicht ein Bieter mit seinem Angebot keine Referenzen ein, verweist auf seine Präqualifikation und stellt sich heraus, das die dort eingetragenen Referenzen für den zu vergebenden Auftrag inhaltlich nicht geeignet sind, darf der Auftraggeber keine anderen Referenzen nachfordern (VK Hamburg, Beschl. v. 03.01.2020, Az. 60.29-319/2019.005).

Der Auftraggeber darf Unterlagen auch kein zweites Mal nachfordern. Legt der Bieter die Referenz trotz erstmalige Nachforderung nicht fristgerecht vor, ist sein Angebot zwingend auszuschließen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.02.2016, Az. VII-Verg 28/15).

II. Fazit

Referenzen können ein sehr geeignetes und effektives Mittel sein, um sich von der Leistungsfähigkeit und letztendlich der Eignung der Bewerber bzw. Bieter für die Erbringung der zu vergebenden Leistung zu überzeugen, wenn dieses Mittel ordnungsgemäß eingesetzt wird. Gleichzeitig birgt die fehlerhafte Forderung und Wertung von Referenzen das Risiko von Neuausschreibungen und Rückversetzungen von Vergabeverfahren. Daher ist im Ergebnis auf nichtdiskriminierende, transparente und klare Vorgaben unter Beachtung obiger Ausführungen bei der Forderung und Bewertung von Referenzen zu achten, um einen „gesunden“ Wettbewerb mit qualitativ hochwertigen Angeboten zu schaffen.

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Über Michael Pilarski [2]

Der Autor Michael Pilarski ist als Volljurist bei der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen – NBank – [3] in Hannover tätig. Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs- und Vergaberecht. Er hat die Einhaltung des Zuwendungs- und Vergaberechts durch private und öffentliche Auftraggeber, die Förderungen aus öffentlichen Mitteln erhalten, geprüft und Zuwendungsempfänger bei zuwendungs- und vergaberechtlichen Fragestellungen begleitet. Nunmehr ist er in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement beschäftigt. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Lüneburg bei, ist zugelassener Rechtsanwalt und übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht.

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