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Abwasserentsorgung in Hamm: EU-Kommission sieht Wettbewerbsverstoß

Hamm In Brüssel ist man besorgt um den Wettbewerb im Bereich der Abwasserentsorgung hierzulande, da die Stadt Hamm im Jahr 2003 dem Zweckverband „Lippeverband“ ohne Ausschreibung einen Auftrag zur Sammlung und Entsorgung von Abwässern erteilt hat. Die Europäische Kommission hat daher beschlossen, eine förmliche Aufforderung in Form einer „mit Gründen versehenen Stellungnahme“ an Deutschland zu richten, der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag. In Hamm zeigt man sich derweil betont gelassen.

Nach Angaben der deutschen Behörden wurde im Jahr 2003 deshalb keine Ausschreibung durchgeführt, da die Stadt Hamm die öffentliche Aufgabe der Abwasserentsorgung innerhalb der öffentlichen Verwaltungsorganisation Deutschlands auf den Lippeverband übertragen hat, der durch ein besonderes Gesetz zur Erfüllung von Aufgaben nach dem Wassergesetz des Landes Nordrhein-Westfalen eingerichtet wurde. Der Lippeverband wurde am 19. Januar 1926 als Zweckverband auf der Grundlage des Lippegesetzes gegründet.

Der Lippeverband ist ein Wirtschaftsteilnehmer mit öffentlichen, aber auch privaten Mitgliedern. Nach Ansicht der Kommission kann er kann daher nicht Bestandteil der öffentlichen Verwaltungsorganisation Deutschlands sein und damit auch keine Aufgaben im Wege der Zuständigkeitsübertragung übernehmen. Darüber hinaus werden die Leistungen des Lippeverbands von der Stadt Hamm vergütet. Ein weiteres Argument für Brüssel, dass die Stadt Hamm die Vergabe eines solchen bezahlten Auftrags mittels einer Ausschreibung gemäß den EU-Richtlinien über die öffentliche Auftragsvergabe hätte durchführen müssen. Andernfalls sieht die Kommission den Wettbewerb im Bereich der Abwasserentsorgung nämlich auf unzulässige Weise eingeschränkt, da dem Lippeverband ein Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschafft wird.

Der Lippeverband zeigt sich bislang gelassen ob der steifen Brise aus Brüssel: Laut eines Berichts von HammTV sieht der Verband „in der EU-Beschwerde des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) gegen die Übernahme des Kanalnetzes der Stadt Hamm den Versuch, unmittelbar zum Übergang des Kanalnetz-Betriebs an den Lippeverband Verwirrung und Verunsicherung zu stiften, nachdem zuvor schon Klagedrohungen ausgestoßen worden waren, ohne dann tatsächlich Gerichte anzurufen“.

Erhält die Kommission auf Ihre förmliche Aufforderung binnen zwei Monaten keine zufriedenstellende Antwort, kann sie den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen. Bis zu einer Klärung durch den dürfte aber noch viel Wasser die Lippe herunter fließen.

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Über Marco Junk

Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk als Leiter Regierungsbeziehungen für das IT-Dienstleistungsunternehmen Atos tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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