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Kettenarbeitsverträge im öffentlichen Dienst wegen beschränkten Haushaltsmitteln – Vorlage an EuGH (7 AZR 485/09)

EU-RechtEin Gastbeitrag von RA Wolfgang Steen, Hamburg.

Die Befristung von Arbeitsverträgen im öffentlichen Dienst steht auf dem Prüfstand. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat Zweifel, ob die Regelung mit europäischem Recht vereinbar ist. Jetzt sollen Europarichter die Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen prüfen. In dem Fall ging es um einen Justizangestellten, die über zehn Jahren hinweg auf Basis von insg. 13 befristeten Verträgen angestellt worden war. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte sich auf “zeitlich beschränkte Haushaltsmittel” gestützt.

Im öffentlichen Dienst werden solche Verträge besonders häufig mit Wissenschaftlern an Universitäten abgeschlossen – und keineswegs nur kurz nach Abschluss der Ausbildung. Im vergangenen Jahr ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Zahl der Angestellten mit Zeitvertrag um mehr als 10 Prozent auf 366 300 gestiegen. Insgesamt gab es rund 2,7 Millionen Angestellte im öffentlichen Dienst (Quelle: FAZ.net). Unternehmen in der Privatwirtschaft können befristete Verträge dagegen nur in ganz engen Grenzen abschließen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird sich bald mit der Frage befassen, ob der große Spielraum des öffentlichen Dienstes in der Befristung von Stellen mit europäischem Recht vereinbar ist. Das Bundesarbeitsgericht hat Zweifel daran, weil Unternehmen in der Privatwirtschaft diese Möglichkeiten nicht haben und deshalb der allgemeine Gleichheitssatz verletzt sein könnte. Die Erfurter Richter haben dem EuGH deshalb nun einige Fragen dazu zur Entscheidung vorgelegt (Az.: 7 AZR 485/09 ).

Eine europäische Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Mit seinen Zweifeln steht der Siebte Senat des BAG nicht allein. Das Landesarbeitsgericht Köln meldete im März bei einer ähnlichen Vorlagefrage „erhebliche Bedenken“ an der Rechtmäßigkeit der Regelungen.

Zu dem betroffenen Personenkreis gehören insbesondere viele jüngere Arbeitnehmerinnen in der Familiengründungsphase. Die Erfurter Bundesrichter haben in der Vergangenheit schon häufiger die Befristungspraxis des öffentlichen Dienstes als zu freigiebig verworfen. Jüngst hatte der Siebte Senat festgestellt, dass die Bundesagentur für Arbeit ausgerechnet die Arbeitsverträge von rund 5000 Mitarbeitern in Jobcentern auf unzulässige Weise befristet hatte (Az.: 7 AZR 843/08).

Der Autor Wolfgang Steen, Steen Rechtsanwälte, Hamburg, ist als Fachanwalt für Arbeitsrecht bereits seit 1986 tätig. Er veröffentlicht regelmäßig Urteilsanmerkungen in der Zeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb und ist als Referent in Betriebsratsschulungen bei zahlreichen Veranstaltern tätig.

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