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Neue Serie im Vergabeblog: Nebenangebote – von der Bekanntmachung bis zum Zuschlag – Teil 1 Zulassung von Nebenangeboten

ParagraphNebenangebote, denen ich mich in dieser kleinen neuen Serie im Vergabeblog widmen werde, werden nicht zu Unrecht als das „Salz in der Suppe“ der öffentlichen Beschaffung bezeichnet, weil sie es dem Auftraggeber grundsätzlich ermöglichen, seinen Beschaffungsvorgang wirtschaftlich zu optimieren, sei es in zeitlicher, inhaltlicher oder preislicher Hinsicht. Sie können daher einen wesentlichen Beitrag zur Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung der öffentlichen Haushalte leisten, einem Dauerthema der öffentlichen Beschaffung.

I Einleitung

Nebenangebote sind vereinfacht ausgedrückt Angebote, die in irgendeiner Hinsicht von den Vergabeunterlagen abweichen, z. B. in den technischen, kaufmännischen oder sonstigen Bedingungen. Sie sind daher in erster Linie in den Regelfällen interessant, in denen ein öffentlicher Auftraggeber im Vergabeverfahren eine eigene Lösung vorgibt, von der die Bieter dann mit Nebenangeboten im ein oder anderen Sinne abweichen können. Gibt der Auftraggeber demgegenüber schon gar keine definierte Lösung vor, weil er z. B. im Verhandlungsverfahren oder im Rahmen eines wettbewerblichen Dialogs komplexere Beschaffungen durchführt, wird es auf die Problematik von Nebenangeboten im Regelfall nur am Rande ankommen. Oftmals werden aber – z. B. im Sektorenbereich – auch im Verhandlungsverfahren vom Auftraggeber fest umrissene Lösungen vorgegeben, so dass Bieter auch hier mit Nebenangeboten erfolgreich sein können. Da das Gros der Beschaffungen im Übrigen im offenen oder nicht offenen Verfahren bzw. durch öffentliche oder beschränkte Ausschreibungen abgewickelt wird, spielen Nebenangebote eine überragend wichtige Rolle. Bei großen Bau- oder Infrastrukturvorhaben oder komplexen Dienstleistungen können sich durch Nebenangebote schnell Einsparungen im zwei- oder gar dreistelligen Millionenbereich ergeben. Aber auch bei kleineren Vergaben können sich Nebenangebote oft budgetschonend auswirken und retten mitunter sogar die Finanzierung und damit das Vorhaben. Ein Grund mehr für den Auftraggeber, im Zusammenhang mit Nebenangeboten „alles richtig zu machen“.

Für Bieter gilt im Übrigen dasselbe. Denn sie wenden oftmals erhebliche Ressourcen in Form von Personen, Zeit und Kosten für die Erstellung von technisch und wirtschaftlich ausgeklügelten Nebenangeboten auf, um dann wegen einer vergaberechtlichen Unzulänglichkeit damit zu scheitern.

Vor nicht allzu langer Zeit (zugegebenermaßen unter Zugrundelegung eines „außervergaberechtlichen“ Zeitmaßstabs) konnten es Auftraggeber getreu der Beckenbauer’schen Weisheit „Schaun mer mal, dann seh‘ ma schon“ noch so halten, dass sie sich einfach Nebenangebote legen lassen, um dann in relativer Freiheit über deren Wertung und Beauftragung entscheiden zu können. Vereinfachte Faustformel für die Wertung von Nebenangeboten war damals: ein Nebenangebot wird beauftragt, wenn es entweder gleich gut und billiger oder aber gleich teuer und besser als ein Hauptangebot ist. Diese Zeiten sind vorbei, der Fußball wie auch das Vergaberecht sind bekanntlich anspruchsvoller geworden. Schon ganz früh im Vergabeprozess müssen Auftraggeber nun die Weichen richtig stellen, um am Ende des Tages ein Nebenangebot tatsächlich beauftragen und die sich hieraus ergebenden Vorteile abschöpfen zu können. Bieter auf der anderen Seite dürfen das Augenmerk nicht nur auf die technischen oder kaufmännischen Überlegungen richten, um mit einem Nebenangebot erfolgreich zu sein, sondern müssen sich auch um die vergaberechtlich korrekte und erfolgversprechende Ausgestaltung bemühen.

Im verbleibenden Teil dieses ersten Beitrags will ich mit den Anforderungen an die Zulassung von Nebenangeboten beginnen.

II. Zulassung von Nebenangeboten

1. Vergaben oberhalb der Schwellenwerte

Die ersten Untiefen tun sich schon bei der Bekanntmachung des Auftrags auf. In europaweiten Vergabeverfahren außerhalb des Sektorenbereichs haben öffentliche Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung anzugeben, ob sie Nebenangebote zulassen. In den zu verwendenden Formularen (http://simap.europa.eu) werden Nebenangebote übrigens nicht als solche bezeichnet – das würde es ja zu leicht machen – sondern als „Varianten/Alternativangebote“, vgl. Ziffer II.1.9 des Bekanntmachungsformulars. Darunter fallen auch Nebenangebote bzw. Änderungsvorschläge nach unserem traditionellen Verständnis. Wird an dieser Stelle des Bekanntmachungsformulars nicht „ja“ angeklickt, können Auftraggeber schon aus diesem Grund Nebenangebote nicht werten. Eine Zulassung von Nebenangeboten erst in den Vergabeunterlagen ist zu spät. Ein fehlender Klick kann hier also viel Geld kosten.

Der geneigte Leser wird jetzt einwenden, dass sich im Bereich der Bauvergaben aus dem Wortlaut der §§ 8 Abs. 2 Nr. 3 a), 16 Abs. 1 Nr. 1 e) und v. a. § 16 Abs. 8 VOB/A aber etwas anderes ergibt: Nebenangebote sollen demnach nur dann nicht zu werten sein, wenn sie ausdrücklich nicht zugelassen wurden. Mit anderen Worten sollen sie auch dann zulässig sein, wenn zu ihrer Zulassung überhaupt nichts verlautbart wurde. Auch sollen Nebenangebote noch in den Vergabeunterlagen ausdrücklich zugelassen werden können.

Für Vergaben von Lieferungen und Leistungen ist in der Regelung in § 9 EG Abs. 5 VOL/A ebenfalls vorgesehen, dass Nebenangebote auch noch in den Vergabeunterlagen zugelassen werden können.

Beide Regelungen sind insoweit jedoch nicht europarechtskonform, weil Art. 24 Abs. 2 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG ausdrücklich vorschreibt:

„Die öffentlichen Auftraggeber geben in der Bekanntmachung an, ob Varianten zulässig sind; fehlt eine entsprechende Angabe, so sind keine Varianten zugelassen.“

Im Sektorenbereich ist die Rechtslage übrigens etwas anders. Die Sektorenkoordinierungsrichtlinie 2004/17/EG schreibt in Art. 36 Abs. 1 Unterabsatz 2 vor, dass der Sektorenauftraggeber in den Spezifikationen angeben muss, ob er Nebenangebote zulässt. Da die Spezifikationen gemäß Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17/EG auch (noch) in den Auftragsunterlagen bekannt gegeben werden können, müssen Nebenangebote im Sektorenbereich also nicht bereits in der Bekanntmachung zugelassen werden. Dementsprechend beinhaltet § 8 Abs. 1 der Sektorenverordnung (SektVO) die Bestimmung, dass Nebenangebote nicht zugelassen sind, wenn eine entsprechende Angabe in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen fehlt. Der Sektorenauftraggeber kann Nebenangebote also auch erst in den Vergabeunterlagen zulassen. Um eine ausdrückliche Zulassung kommt er aber auch nicht herum, wenn er später Nebenangebote werten will.

2. Vergaben unterhalb der Schwellenwerte

Bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte im Baubereich muss der Auftraggeber nur dann aktiv werden, wenn er Nebenangebote nicht oder nur zusammen mit einem Hauptangebot zulassen will. In diesem Fall muss er dies in der Bekanntmachung und/oder im Anschreiben angeben, § 8 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 VOB/A. Unterlässt er solche Angaben, sind Nebenangebote zugelassen.

Anders im Bereich der Lieferungen und Leistungen. Hier muss der Auftraggeber auch im Unterschwellenbereich Nebenangebote ausdrücklich in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zulassen. Unterlässt er solche Angaben, sind Nebenangebote im Unterschied zur VOB/A nicht zugelassen.

III Fazit

Nebenangebote können für den Auftraggeber wirtschaftlich sehr interessant sein. Er sollte daher schon bei ihrer Zulassung alles richtig machen. Das fängt bei Oberschwellenvergaben zwingend bereits mit der entsprechenden Angabe in der Bekanntmachung an.

In den Folgebeiträgen werde ich Ihnen die weiteren wichtigsten Anforderungen an Nebenangebote und ihre Wertung darstellen. Bleiben Sie am Ball.

Der Autor Dr. Mathias Mantler ist Rechtsanwalt der Sozietät Kaufmann Lutz Rechtsanwaltsgesellschaft mbh , München. Er berät öffentliche Auftraggeber, Bieter und Bewerber in allen vergaberechtlichen Fragestellungen und Vergabeverfahren zu PPP-Projekten, Bau- und Infrastrukturvorhaben sowie Lieferungen und Dienstleistungen. Dr. Mantler unterrichtet das Vergaberecht im Rahmen von Masterstudiengängen an der TU München sowie der Hochschule Augsburg. Mehr Informationen finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.

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Über Dr. Mathias Mantler

Der Autor Dr. Mathias Mantler ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät LUTZ |ABEL Rechtsanwalts PartG mbB und seit über 20 Jahren im Vergaberecht tätig. Er hat seinen Schwerpunkt in der projektbegleitenden Beratung von Öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen im Zusammenhang mit Beschaffungsvorhaben insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Health Care, Forschung und Entwicklung sowie IT/Digitalisierung sowie in der Vertretung von Auftraggebern und Unternehmen in Vergabenachprüfungsverfahren. Zudem ist er Autor diverser Fachveröffentlichungen im Vergaberecht und Dozent in vergaberechtlichen Seminaren und Lehrveranstaltungen.

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4 Kommentare

  1. Thomas Müller

    Der Beitrag war sehr hilfreich und hat klare Fakten geschaffen, was in der täglichen Praxis sehr hilfreich ist. Insbesondere ist er schnell zu lesen, was auch wichtig ist.

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  2. Bernhard Fett, Dresden

    Die Europarechtswidrigkeit des § 16 Abs. 1 Nr. 1 e VOB/A hat mittlerweile das OLG München für den Oberschwellenwertbereich festgestellt (Beschluss v. 12.11.2010, Verg 21/10). Meines Erachtens zeigt auch diese Fallkonstellation, dass es dem DVA zunehmend nicht mehr gelingt, die komplexe und differenzierte Rechtslage zwischen Oberschwelle und Unterschwelle korrekt abzubilden, weil man vergangenheitsbezogen auf das Bewährte und Traditionelle blickt, ohne genügend auf die übergeordneten EU-Festlegungen für den Oberschwellenwertbereich zu achten.

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  3. Michael Wankmüller

    Dass der § 9 EG Abs. 5 VOL/A nicht europarechtskonform umgesetzt sein soll, kann man auch anders sehen:
    Diese Vorschrift erweitert die Nebenangebotsregelung nicht nur auf Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung, sondern lässt hilfsweise auch dann noch Nebenangebote zu, deren Zulassung (aus welchen Gründen auch immer) in der Bekanntmachung unterlassen wurde. Dies ist zwar nicht die 1:1-Umsetzung des Artikels 24 RL 2004/18/EG, erweitert jedoch die Möglichkeiten des Wettbewerbs über die europäischen Mindestnormen hinaus und dürfte von daher (wie der Vorrang des Offenen Verfahrens) EU-Recht nicht widersprechen.

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  4. Holitschke

    Müssen Nebenangebot oberhalb oder unterhalb des Schwellenwertes zugelassen werden oder handelt es sich um eine Option, über die der Auftraggeber entscheiden kann?

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