Am 23. Oktober 2014 findet in Berlin der 1. Deutsche Vergabetag 2014 des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) statt. In insgesamt neun Workshops werden relevante und aktuelle Beschaffungsthemen durch namhafte Experten aufbereitet und Hilfestellungen für die Beschaffungspraxis gegeben. Im Vorfeld des Kongresses möchten wir Ihnen die Workshops vorstellen. Heute der Workshop: “Rettungsdienst: Stellschrauben der Beschaffung zwischen Bereichsausnahme und Bevölkerungsschutz”.
Rettungsdienstvergaben stehen seit Anfang 2009 im Fokus: Lange war – auch nach Ansicht von fünf deutschen Oberlandesgerichten – der Rettungsdienst nicht ausschreibungspflichtig. Der BGH klärte Ende 2008 in zwei (fast gleichlautenden) wegweisenden Entscheidungen vom 01.12.2008 (AZ: X ZB 31/08, X ZB 32/08), dass Vergaberecht anzuwenden ist. Seither zeigt sich eine Unterteilung in die „Submissionsländer“ und in die „Konzessionsländer“ (s. dazu „Rettungsdienst und EU-Vergaben – Ein Leitfaden für die Praxis; Ermbrecht Rindtorff unter Mitwirkung von René M. Kieselmann).
In den Submissionsländern wird das Vergaberecht prinzipiell angewendet. In den Konzessionsländern liegt formal gesehen schon kein öffentlicher Auftrag i.S.d. § 99 GWB vor, da dort der Konzessions-/Auftraggeber die Rettungsdienstleistungen nicht direkt bezahlt, sondern die Dienstleister als Konzessionäre über die Bezahlung mit den Sozialversicherungsträgern verhandeln. Damit ist in diesen Bundesländern – jedenfalls bis zur Umsetzung der aktuellen EU-Vergaberichtlinien (hier die neue Richtlinie über die Konzessionsvergabe 2014/23/EU) – nicht das EU-Vergaberecht anwendbar.
In den Submissionsländern zeigt sich, dass zwar (teilweise) ausgeschrieben wird, allerdings oft Verbesserungspotential besteht. Die Rahmenbedingungen für Ausschreibungsverfahren und für das daraus entstehende Vertragsverhältnis nach Zuschlag sind heiß diskutiert. Im Vergabeblog gibt es eine Serie zum Thema.
In den Konzessionsländern etabliert sich ein in vielen Bereichen ungeregeltes Verwaltungsvergaberecht. Die Unsicherheiten sind noch größer als bei Vergaben im Submissionsmodell. Rechtsschutz wird nicht durch Vergabekammern und Oberlandesgerichte gewährt, sondern vor den Verwaltungsgerichten. Die Rechtsgrundlagen sind einerseits das EU-Primärrecht, andererseits Regelungen des Rettungsdienstrechts auf Länderebene, ergänzt u.a. durch allgemeines Verwaltungsrecht und grundrechtliche Aspekte.
Der Rettungsdienst ist wie der Bevölkerungsschutz allgemein eine Sicherstellungsaufgabe der öffentlichen Hand. Da Leib und Leben der Bevölkerung tangiert sind, erfährt die „Ausschreibungsfrage“ große Aufmerksamkeit. Dies setzt nicht nur die Verwaltung unter Druck. Rettungsdienstleistungen sind personalkostenintensiv. Das bedeutet: Ein Preiswettbewerb muss sich auf die Bezahlung des Personals auswirken. Damit sind wichtige soziale und qualitative Fragen verknüpft.
Für öffentliche Auftraggeber stellt sich die Frage, wann überhaupt eine Ausschreibungsverpflichtung besteht (z.B. bei der Aufstockung von bestehenden Ressourcen) und wie man mit einer solchen Verpflichtung sachgerecht umgeht (Mehrbedarfsausschreibung, Komplettvergabe oder Änderung von Bestandsverträgen?). Sowohl im Submissionsmodell als auch im Konzessionsmodell muss man grundsätzlich „im Wettbewerb“ vergeben. Die Rahmenbedingungen sind aber strittig. Die neuen EU-Vergaberichtlinien mit der viel diskutierten „Bereichsausnahme“ sollen national umgesetzt werden (s. dazu das Fachpanel Politik und Markt beim 1. Deutschen Vergabetag: „Die Umsetzung der EU-Vergaberechtsreform in Deutschland“ (Dr. Thomas Solbach). Wie sich dies auf Vergaben im Rettungsdienst und Bevölkerungsschutz auswirkt, ist noch völlig unklar und wird die Streitfragen nicht verringern.
Vor diesem Hintergrund wird der Workshop zentrale Stellschrauben ansprechen. Neben der Sicht der öffentlichen Auftraggeber soll durch zwei erfahrene Co-Referenten die Sicht der Rettungsdienstleister eingebracht werden: Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die aus Dänemark stammende Falck-Gruppe sind grds. Konkurrenten, haben sich aber beide einem qualitativ hochwertigen Rettungsdienst verschrieben. Sie berichten von ihren Ausschreibungserfahrungen.
Der Workshop soll Fragen anstoßen und beantworten. Rettungsdienst und Bevölkerungsschutz sind wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge. Bundesweit gibt es mittlerweile fünf Jahre Erfahrungen öffentlicher Auftragsvergabe in diesem Bereich. Im Workshop von SKW Schwarz sollen diese Erfahrungen offen diskutiert und auf den Prüfstand gestellt werden, um für die Zukunft Verbesserungen anzustoßen.
Anmerkung zum 1. Deutscher Vergabetag 2014
Für die Tagesveranstaltung sind wir restlos ausgebucht. Sollten Sie kein Ticket mehr erhalten haben, haben Sie noch die Möglichkeit, am festlichen Abendempfang am Potsdamer Platz teilzunehmen. Ausführliche Informationen und Anmeldung unter http://www.deutscher-vergabetag.de/.
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