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Politik und Markt

Polen: Übermittlung irreführender Informationen als zwingender Ausschlussgrund in Polen

Während in Deutschland die mit der Täuschung des Auftraggebers verbundenen Ausschlussgründe mit denen nach der Richtlinie 2014/24/EU inhaltlich übereinstimmen, sieht die diesbezügliche Regelung in Polen etwas anders aus.

Zwingende Ausschlussgründe

Im Gegensatz zum deutschen Vergaberecht liegt nach dem polnischen Recht bei der Übermittlung irreführender Informationen bei der Vergabe eines Auftrags – im Sinne der Täuschung des Auftraggebers ein zwingender Grund vor, einen Bieter vom Verfahren auszuschließen. Der Auftraggeber ist daher verpflichtet, in jedem Fall zu prüfen, ob die Angaben und Informationen des Auftragnehmers wirklichkeitsgetreu sind.

Nach dem polnischen Vergabegesetz („VgG“) ist von der Teilnahme am Verfahren ein Bieter auszuschließen:

  • der infolge vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns den Auftraggeber darüber getäuscht hat, dass er vom Verfahren nicht auszuschließen ist, die Voraussetzungen für die Teilnahme am Verfahren oder objektive und nichtdiskriminierende Kriterien erfüllt, oder der bestimmte Informationen verheimlicht hat oder nicht imstande ist, die geforderten Unterlagen vorzulegen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 16 VgG) und
  • der durch Leichtfertigkeit oder Fahrlässigkeit dem Auftraggeber irreführende Informationen übermittelt hat, die maßgeblichen Einfluss auf die vom Auftraggeber im Vergabeverfahren zu treffenden Entscheidungen haben können (Art. 24 Abs. 1 Nr. 17 des VgG).

Die Landesberufungskammer (das für die Entscheidung vergaberechtlicher Nachprüfungsverfahren in Polen zuständige Organ) stellt Bietern als professionellen Marktakteuren sehr hohe Anforderungen hinsichtlich der Sorgfaltspflichten, indem sie darauf hinweist, dass einem Wirtschaftsteilnehmer bei Nichterfüllung dieser Anforderungen Fahrlässigkeit zugeschrieben werden kann. Die Nachlässigkeit des Bieters bei der Überprüfung des Wahrheitsgehalts der dem Auftraggeber übermittelten Daten, auch wenn dabei keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann zum Ausschluss vom Verfahren führen.

Im Hinblick auf den so rigorosen Ansatz, den der polnische Gesetzgeber und die Landesberufungskammer in Bezug auf Wahrheitsgehalt von Aussagen und Auskünften der Bieter verfolgen, sollten ausländische Bewerber alle dem Auftraggeber übermittelten Informationen sorgfältig prüfen, insbesondere jegliche Auskünfte über das Personal, das für die Ausführung des Auftrags verantwortlich ist.

Anforderungen der Auftraggeber – Vorsicht ist geboten

Polnische öffentliche Auftraggeber stellen Bewerbern, insbesondere bei Verfahren mit einem hohen Auftragswert, zahlreiche und sehr detaillierte Teilnahmeanforderungen. Dies kommt insbesondere bei Bauaufträgen, auch in der Eisenbahnindustrie vor.

Beispiel:
In einem Vergabeverfahren forderte der Auftraggeber, dass der Bieter über einen Ingenieur verfügt, der in den letzten fünf Jahren zwei Baugenehmigungsplanungen für Bau oder Umbau einer Eisenbahnlinie mit mindestens 5 km Gleisstrecke und 2 Bahnhöfen innerhalb einer elektrifizierten Eisenbahnstrecke erstellt hatte.
Mit der Abgabe des Angebots erklärte der Bieter, dass er über eine solche Person verfügt, die diese Voraussetzungen erfüllt, und gab entsprechend den Anforderungen des Auftraggebers sowohl den Vor- und Nachnamen dieser Person als auch die Bezeichnung des Projekts an, an dem diese Person beteiligt war und die geforderte Erfahrung gesammelt hatte. Der Auftraggeber hat überprüft, dass die vom Bieter benannte Person bei dem angegebenen Projekt nicht als Ingenieur (Planer) erwähnt war. Der Auftraggeber lehnte die Aufklärungen des Bewerbers ab, die von ihm benannte Person sei Projektteammitglied gewesen, auch wenn sie dabei nicht als sog. leitender Ingenieur/ Planer tätig war. Der Auftraggeber schloss den Bieter vom Verfahren wegen Irreführung aus.

Die Landesberufungskammer bestätigte, dass der Auftraggeber den Bewerber zu Recht ausgeschlossen hat. Sie stellte dabei fest, dass der Auftragnehmer verpflichtet war zu überprüfen, welche Funktion der benannte Ingenieur in dem Projektteam übernommen hatte, auch wenn der Auftragnehmer an dem Projekt selbst nicht beteiligt war und somit keinen direkten Zugriff auf dazugehörige Dokumentation hatte.
Wie das hier angeführte Beispiel zeigt, prüfen öffentliche Auftraggeber die Auskünfte der Bieter sehr sorgfältig. Ebenso genau werden solche Angaben durch andere Wettbewerber überprüft. Erfahrungsgemäß können etwaige irreführende Auskünfte der Bieter durch eine Vielzahl von verschiedenen Beweismitteln nachgewiesen werden. Sowohl Auftraggeber als auch konkurrierende Bieter prüfen jegliche Archivverträge, Planungsunterlagen anhand im Internet zugänglicher Daten, von Bildern auf Webseiten. Es werden sogar Standortbesuche veranlasst, auch in einem anderen EU-Mitgliedstaat, wie es bei einem der in der Kanzlei bearbeiteten Mandate der Fall war.

Ein Fehler des Bewerbers, selbst wenn nicht beabsichtigt, kann daher relativ leicht erkannt werden und zum Ausschluss des Bieters vom Verfahren führen.

Praxistipps

1. Bewerber sollten sämtliche in ihren Angeboten abgegebene Erklärungen und Informationen sorgfältig überprüfen, einschließlich der Auskünfte über die Erfahrung der zur Ausführung des Vertrages vorgeschlagenen Personen und über den Umfang der im Angebot als Referenzprojekte genannten Projekte (Projekte, bei denen der Bieter die erforderliche Erfahrung gesammelt hat). Der Bieter ist für die Irreführung verantwortlich, auch wenn sie fahrlässig erfolgt.

2. Von der Verpflichtung zur Überprüfung wird der Bieter nicht dadurch befreit, dass die Fertigstellung des Projektes lange zurückliegt, dass der Bieter das Projekt nicht allein durchgeführt hat, oder aber dass er gegebene Informationen von einem Mitarbeiter oder einem Unternehmen eingeholt hat, das mit ihm zusammenarbeiten will.

3. Im Streitfall, ob bestimmte Informationen mit dem tatsächlichen Zustand übereinstimmen, muss der Bieter entsprechende Nachweise erbringen.

4. Jegliche polnischen Vergabestellen vorzulegende Nachweise müssen ins Polnische übersetzt werden.

 

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Über Anna Specht-Schampera

Anna Specht-Schampera ist Rechtsanwältin der Sozietät sdzlegal Schindhelm in Breslau (Wroclaw) und Warschau (Warszawa), Polen. Sie berät in‐ und ausländische Unternehmen im Bereich des Vergabe- und Baurechts. Im Rahmen ihrer vergaberechtlichen Tätigkeit berät sie insbesondere Mandaten aus der Bau- und Eisenbahnindustrie sowie aus der Medizin‐ und Abfallwirtschaft. Sie vertritt Unternehmen bei der Realisierung der größten Infrastrukturprojekte in Polen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Verfahren vor der Nationalen Beschwerdekammer und vor den Berufungsgerichten. Sie ist Vorstandsmitglied des Vereins für Vergaberecht. Des Weiteren ist sie Mitglied des Gesamtpolnischen Vereins der Konsultanten des öffentlichen Vergabewesens und ständige Mitarbeiterin des Branchenmagazins „Przetargi Publiczne“ (“Öffentliche Ausschreibungen”). Anna Specht‐Schampera führt sowohl in polnischer als auch in deutscher Sprache regelmäßig Seminare für Unternehmen und an Universitäten durch.

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