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Sicherheit & Verteidigung

Eine Referenz des Bieters muss nicht gewertet werden, wenn sie nicht überprüft werden kann (VK Hessen, Beschl. v. 18.12.2017, 69d-VK-2-38/2017)

EntscheidungKann der Auftraggeber vorgelegte Referenzen nicht überprüfen, weil er den Referenzgeber telefonisch nicht erreicht oder dieser auf die Anfragen des Auftraggebers nicht reagiert, so kann er von einem nicht erbrachten Nachweis der Eignung ausgehen und muss diese nicht werten.

Leitsätze

1. Eine Referenzleistung ist mit der ausgeschriebenen Leistung „vergleichbar“, wenn die durchgeführten Leistungen einen etwa gleich großen oder größeren Umfang haben.
2. Kann der Auftraggeber vorgelegte Referenzen nicht überprüfen, so kann er von einem nicht erbrachten Nachweis der Eignung ausgehen.

§ 122 GWB; § 46 Abs. 1, 3, § 48 Abs. 1 VgV

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb die Ausführung von Sicherheitsdienstleistungen im offenen Verfahren aus und forderte dabei zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eine Liste mit mindestens drei Referenzen. Diese waren geeignet, wenn sie nach Art und Umfang dem zu vergebenden Auftrag entsprechen. Dabei waren die zu leistenden Jahresstunden als Bezug zur Vergleichbarkeit benannt.
Der Bieter legte vier Referenzen vor. Davon entsprachen jedoch zwei Referenzen dem geforderten Jahresstundenumfang nur zu 52% bzw. 17% und waren damit nicht vergleichbar.
Bei der Überprüfung der beiden weiteren Referenzen erhielt der Auftraggeber von einem der Referenzgeber die Auskunft, dass mit dem Bieter erhebliche Probleme in mehreren Verträgen zum Zeitpunkt der Auskunft bestünden.
Der letzte Referenzgeber beantwortete die vom Auftraggeber übersandte „Checkliste“ zur Abfrage der Referenzen nicht und eine telefonische Kontaktaufnahme zur Abklärung der vorgelegten Referenz war ebenso nicht möglich. Der Auftraggeber schloss das Angebot des Bieters daraufhin von der Wertung aus.
Der Bieter wehrte sich gegen den Ausschluss.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer Hessen hat jedoch entschieden, dass der Auftraggeber die Referenzen in zulässiger Weise gefordert hat und die Eignungskriterien hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit mit dem Auftragsgegenstand in einem angemessen Verhältnis stehen. Der Auftraggeber hat explizit dargestellt unter welchen Voraussetzungen er Referenzen als geeignet ansieht. Die Referenz ist dann vergleichbar, wenn sie hinsichtlich der technischen Ausführung und Organisation einen ähnlich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad wie die ausgeschriebene Leistung hat oder aber die durchgeführten Leistungen einen etwa gleich großen oder größeren Umfang aufweisen.

Zwei der vier vom Bieter angegebenen Referenzen kommen in ihrem Umfang nicht an den ausgeschriebenen Leistungsumfang der jährlichen ausgeschriebenen Stundenanzahl heran, entsprechen damit nicht der Ausschreibung und wurden folglich als nicht vergleichbar gewertet. Die Einbeziehung der negativen Stellungnahme des dritten Referenzgebers in die Eignungsprognose des Auftraggebers wertet die Vergabekammer als zulässig. Vergaberechtlich ist es nach Ansicht der Kammer im Rahmen des Beurteilungsspielraumes des Auftraggebers auch, dass dieser mit eigenen Checklisten die Referenzen überprüfen wollte. Dabei hat er den vierten Referenzgeber weder telefonisch erreicht, noch hat dieser auf die Anfragen des Auftraggebers reagiert. Die Entscheidung des Auftraggebers, dies als nicht erbrachten Eignungsnachweis  zu werten und den Bieter wegen mangelndem Nachweis der Eignung auszuschließen, ist nach Auffassung der Kammer rechtlich nicht zu beanstanden.

Rechtliche Würdigung

Der Auftraggeber hat das Angebot des Bieters zu Recht gemäß § 57 Abs. 1 VgV ausgeschlossen, denn dieser hat die erforderliche Eignung im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit nicht nachgewiesen
Die Anforderungen des Auftraggebers an die Eignung beziehen sich auf die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie auf die erforderlichen Erfahrungen der Bieter und sie stehen im konkreten Sachzusammenhang mit dem streitgegenständlichen Auftrag gemäß § 46 Abs. 1 VgV.

Hier hat der Auftraggeber im Rahmen von § 46 Abs. 1 VgV die für den in Rede stehenden Auftrag erforderlichen Erfahrungen der Bieter durch die Vorlage von drei Referenzen abgefragt, die wie der Auftragsgegenstand auch die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen von vergleichbaren öffentlichen Gebäuden, die als lebenswichtige Einrichtung eingestuft (=Sachzusammenhang) sind, beinhalten und diese Referenzen mit Hilfe einer eigens erstellten Checkliste verifiziert.
Gemäß § 122 Abs. 1 GWB dürfen Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben werden. Die Begriffe „technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ des § 122 Abs. 2 Nr. 3 GWB sowie „geeignete Referenzen“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Dem öffentlichen Auftraggeber steht ein Spielraum bei der Beurteilung zu, wann die Voraussetzungen erfüllt sind, der nur eingeschränkt von den Nachprüfungsinstanzen überprüft werden kann. Die Nachprüfungsinstanzen können nur prüfen, ob der Auftraggeber bei der Prüfung der vorgelegten Referenzen den von ihm selbst vorgegebenen „Prüfungsmaßstab“ angewandt und eingehalten hat.

Die Prüfung des Umfanges von zwei der vier vorgelegten Referenzen hat unter Berücksichtigung der vom Auftraggeber vorgegebenen Bedingungen zur Vergleichbarkeit der Erfahrungsnachweise ergeben, dass diese nicht dem Umfang des hier streitgegenständlichen Auftrages entsprechen und damit keine geeigneten Referenzen sind, sodass die Antragstellerin die erforderliche technische und berufliche Leistungsfähigkeit mit diesen beiden Referenzen nicht nachgewiesen hat.

Die Entscheidung des Auftraggebers, dass die dritte Referenz keinen Nachweis der Eignung darstellt, da der Referenzgeber keine positive, sondern ganz im Gegenteil eine negative Stellungnahme abgegeben hat und von diversen Problemen bei der Auftragsausführung berichtet hat, ist von seinem Ermessen in der Prognoseentscheidung erfasst.

Dies gilt ebenso für die Einschätzung des Auftraggebers, dass die vierte Referenz ebenso keinen Nachweis der Eignung darstellt. Der Bieter ist selbst in der Pflicht seine Eignung nachzuweisen. Der Auftraggeber kann diese Angaben des Bieters überprüfen, er muss jedoch nicht dem Referenzgeber hinterher telefonieren, bis er ihn erreicht. Der Bieter hat dafür zu sorgen, dass die Kontaktmöglichkeit besteht. Insofern hat der Auftraggeber auch hier seine Prognoseentscheidung in nicht zu beanstandender Weise getroffen.

Praxistipp

Die Vergabekammer zeigt in ihrer Ausführung, dass die Referenzen vom Auftraggeber nicht nur auf dem Papier abzuhaken sind, sondern dass sich der Auftraggeber über die früheren Tätigkeiten des Bieters bei vorherigen Auftraggebern erkundigen kann. Die Frage nach den Referenzen ist also nicht nur reine Formalie.
Der persönliche Austausch zwischen zukünftigen und bisherigen Auftraggebern kann so ein effektives Mittel zur Sicherstellung der Auswahl kompetenter Vertragspartner werden. Im Hinblick auf das zukünftige Wettbewerbsregister momentan das effektivste Mittel, schwarze Schafe auszuschließen. Zudem zeigt die Entscheidung auch, wie weit das Bemühen des Auftraggebers bei der Verifizierung von Referenzen gehen muss. Der Auftraggeber ist nicht gezwungen, endlos dem Referenzgeber hinterher telefonieren zu müssen um eine Referenz nicht werten zu müssen, sondern die Beweislast der Eignung liegt beim Bieter.
Der Bieter sollte bei der Angabe von Referenzen bei seinem Referenzgeber sicherstellen, dass dieser bei Anfragen des zukünftigen Auftraggebers erreichbar und bereit ist, Auskünfte zu geben.

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Über Judith Kutschera

Judith Kutschera ist Rechtsanwältin bei S³ Schilli Schmidt Sozien Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Freiburg i.Br.. Sie ist auf das Vergaberecht und Baurecht spezialisiert und berät sowohl die öffentliche Hand als auch Bieter in allen Phasen des Vergabeverfahrens. Frau Kutschera hält regelmäßig Vorträge und Schulungen zum Vergaberecht. Vor Ihrer Tätigkeit bei S³ war Frau Kutschera mehrere Jahre als Syndikusrechtsanwältin in der Rechtsabteilung der ITEOS AöR, ebenso öffentlicher Auftraggeber und hat daher umfassende Erfahrung in der Begleitung von Vergabeverfahren.

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4 Kommentare

  1. Hermann Summa

    Die Entscheidung ist mehr als fragwürdig. Anders als das „alte“ Recht lässt es § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV nicht mehr zu, vom Bewerber/Bieter die Vorlage von Referenzschreiben früherer Auftraggeber abhängig zu machen. Ein Grund für diese Änderung ist, dass Unternehmen nicht mehr von den Launen und Macken dieser Auftraggeber abhängig sein sollen, die ja niemand zwingen kann, Auskünfte zu geben. Wenn sie keine Lust dazu haben, dann tun sie es nicht. Das ist aber kein Grund, einem Unternehmen die Eignung abzusprechen. Das neue Recht lässt grundsätzlich eine Eigenerklärung in Gestalt einer Liste ausreichen. Solange ist keinen sachlichen Grund gibt, die Richtigkeit dieses Erklärung in Frage zu stellen, gibt es auch keinen Grund, dem Unternehmen die Eignung abzusprechen.

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  2. Hermann Summa

    Soll natürlich heißen: …Vorlage von Referenzschreiben früherer Auftraggeber zu verlangen.

    Reply

    • Judith Kutschera

      Sehr geehrter Herr Summa,
      die Entscheidung ist in der Tat sehr interessant und ich denke sie regt zu Diskussion an, daher habe ich sie zur Besprechung gewählt. Man darf die Enstcheidung die Eignung abzusprechen auch nicht allein bedingt durch die Vorkommnisse bei der vierten Referenz betrachten, sondern in der Gesamtbetrachtung mit den anderen drei wohl fragwürdigen Referenzen.
      Erst dann wird es nachvollziehbar.
      Aber sie haben natürlich recht, ohne sachlichen Grund kann man nicht einfach die Eignung eines Unternehmens absprechen.
      Beste Grüße

      Reply

  3. Christian Schmidt

    Wie kann es eigentlich sein, neuen Unternehmen die Eignung deshalb absprechen und folglich vom (weiteren) Verfahren ausschließen zu dürfen, weil sie – logischerweise – noch keine Referenzen vorlegen können. „Newcomer“ sind also von vorne hinein chancenlos bzw. mindestens der Willkür der (öffentlichen) Auftraggeber ausgesetzt. Ein klarer Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen das Diskriminierungsverbot.

    Ich als persönlich Betroffener in der Personenbeförderungsbranche wünsche mir, dass die Kammern oder Gerichte endlich klar stellen, dass es zum Absprechen einer ausreichenden Eignung mehr braucht, als nur das Argument, es fehle an Erfahrung.

    Es ist schon absurd. Mit viel Schweiß und Mühe habe ich die „staatliche“ Genehmigung erworben, gewerblich Personen befördern zu dürfen. Aber nun sagt die öffentliche Hand, ich wäre dazu nicht geeignet.

    Liebe Vergabekammern und Gerichte! Einfach einmal darüber nachdenken!

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