Die EU-Vergaberichtlinien 2014 (RL 2014/24/EU und RL 2014/25/EU) bzw die Konzessionsrichtlinie (RL 2014/23/EU) wurden bereits am 28.3.2014 im EU-Amtsblatt kundgemacht und sind seit April 2016 in Kraft. Die Presse hat über den österreichischen Umsetzungsverzug mehrfach berichtet (vgl. Der Standard.at, „Säumig bei Vergaberecht: Österreich droht Bußgeld von 138.000 Euro täglich“ v. 07.12.2017). Das Richtlinienpaket wurde nun mit dem Vergaberechtsreformgesetz 2018 auch in Österreich umgesetzt.
Dieser Beitrag gibt eine kurze Übersicht über die wesentlichen Änderungen, welche durch das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018, BGBl I Nr 65/2018), welches mit 21.8.2018 in Kraft getreten ist, eigeführt wurden.
1. Es kommt zu einer Einschränkung des sachlichen Geltungsbereichs des Bundesvergabegesetzes, weil die Ausnahmetatbestände erweitert wurden. Ausgenommen sind insbesondere Dienstleistungsaufträge über nicht wirtschaftliche Dienstleistungen, Rechtsdienstleistungen von Rechtsanwälten, Dienstleistungen im Bereich Katastrophenschutz, Zivilschutz und Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen erbracht werden, Dienstleistungsaufträge über öffentliche Personenverkehrsdienste auf der Schiene oder per Untergrundbahn, die Aufnahme von Krediten und Darlehen, Dienstleistungsaufträge im Rahmen politischer Kampagnen und Vergabeverfahren zur unwesentlichen Änderung von Verträgen während ihrer Laufzeit.
2. Für die Ermittlung des geschätzten Auftragswertes sind grundsätzlich nur Dienstleistungen desselben Fachgebietes zusammenzurechnen
3. Es wurde eine Differenzierung in einfache und besondere Dienstleistungen eingeführt. Die bisherige Klassifizierung in prioritäre und nicht prioritäre Dienstleistungen ist somit hinfällig. So sind etwa Dienstleistungen aus dem Bereich „Gesundheit und Soziales“ besondere Dienstleistungen. Bis zu einem Betrag von € 100.000,– netto dürfen besondere Dienstleistungen direkt vergeben werden. Eine Direktvergabe mit Bekanntmachung von besonderen Dienstleistungen ist bis zu einem geschätzten Auftragswert von bis zu € 150.000,– netto zulässig. Darüber hinaus müssen besondere Dienstleistungen dann im Oberschwellenbereich ausgeschrieben werden, wenn sie den Betrag von € 750.000,– erreichen.
4. Die elektronische Beschaffung bzw Ausschreibungsabwicklung ist für den EU-weiten Bereich verpflichtend. Im Unterschwellenbereich sind „Papierverfahren“ zulässig.
5. Stärkung des Bestbieterprinzips: Die Qualität wird als Zuschlagskriterium in einigen Fällen verpflichtend, wobei „Feigenblattkriterien“ als Qualitätskriterien unzulässig sind. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass im Falle der Festlegung von Zuschlagskriterien, wie etwa Preis und Lieferfrist, vertragliche Bestimmungen vorgesehen werden müssen, die die angebotene Lieferfrist sicherstellen (wie etwa Pönalen). Ansonsten besteht für die Lieferfrist der Verdacht eines Feigenblattkriteriums, wodurch das Zuschlagssystem angreifbar wäre. Darüber hinaus sind Qualitätskriterien zwingend erforderlich, wenn ein Bauauftrag den Wert vom € 1 Mio netto erreicht. Geistige Dienstleistungen und Vergaben mittels wettbewerblichen Dialogs oder Innovationspartnerschaft sind nach dem Bestangebotsprinzip auszuschreiben.
6. Bei Bauaufträgen von über Netto € 100.000,– hat der Auftraggeber die Auftrags-, die Auftragnehmer- und die Subunternehmerdaten mittels Webanwendung an die Baustellendatenbank der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse einzutragen.
7. Eine zwingende öffentliche Öffnung der Angebote ist nicht mehr vorgesehen. Eine Übermittlung der Niederschrift der Öffnung an die Bieter ist grundsätzlich erforderlich.
8. Die Bekanntmachung der vergebenen Aufträge ist nun zwingend vorgesehen (bereits bei Vergaben ab € 50.000,–).
9. Verfehlungen bei vorherigen Aufträgen können zum Ausschluss eines Bieters führen.
10. Eine Verkürzung der Teilnahme- und Angebotsfristen (30 Tagen im Oberschwellenbereich) führt nun zur Systemvereinheitlichung.
11. Die Ausschreibungsunterlagen sind den Bietern gemeinsam mit der Bekanntmachung der Ausschreibung zur Verfügung zu stellen.
12. Im Oberschwellenbereich ist die Einheitliche Europäische Eigenerklärung zu verwenden, im Unterschwellenbereich genügt hingegen eine vom Bieter erstellte Erklärung.
13. Die Subunternehmerleistungen dürfen eingeschränkt werden: Ein Vorbehalt des Auftraggebers ist möglich, wonach der Bieter „kritische“ Teile der Leistung selbst erbringen muss (ohne Subunternehmer).
14. Die Rahmenvereinbarung wird in Österreich nach wie vor nur als Verfahrensart verstanden, die nicht per se zur Beauftragung führt. Die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung wird auf vier Jahre erweitert (Sektorenbereich: acht Jahre) – in Ausnahmenfällen auch länger –, wobei eine sachliche Begründung erforderlich ist.
15. Die Innovationspartnerschaft wird als Verfahren eingeführt. Diese ermöglicht neue Kooperationsmodelle der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft und ist anwendbar, wenn Leistungen und Produkte beschafft werden müssen, die am Markt noch nicht verfügbar sind. Es handelt sich um eine neue Vertragsgestaltung, die zivilrechtlich viele Spielräume eröffnet. Nach dem österreichischen BVergG 2018 ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung für die Gestaltung einer Innovationspartnerschaft nicht vorgesehen.
16. Vertragsänderungen in einem Umfang von 10% des Auftragswertes für Dienstleistungen und 15% für Bauleistungen sind grundsätzlich möglich. Allfällige Öffnungsklauseln sind darüber hinaus dann wirksam, wenn sie klar, präzise und eindeutig formuliert sind. Wenn im Übrigen eine wesentliche Änderung im Vertrag eingetreten ist, muss der Auftraggeber den Vertrag kündigen.
17. Interessenkonflikte müssen laut BVergG 2018 vermieden werden. Der Auftraggeber muss nachweisen, dass er ein Compliancesystem eingeführt hat.
18. Die Stillhalte- und Anfechtungsfristen wurden vereinheitlicht: Diese dauern immer zehn Tage (auch im Unterschwellenbereich), sofern die elektronische Übermittlung einer Entscheidung möglich war.
Hinweis der Redaktion
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Aleka Terzaki hat sich als Juristin (die in Wien Rechtswissenschaften studiert hat) auf das Vergaberecht spezialisiert und Inhaberin der TERZAKI Unternehmensberatung. Die gebürtige Griechin berät als Unternehmensberaterin die öffentliche Hand „von der Beschaffungsplanung bis zur Vertragsunterzeichnung“ und ihre Referenzliste reicht von Ministerien über Landesregierungen bis hin zu Forschungseinrichtungen sowie Energie- und Verkehrsunternehmen. Sie tritt laufend als Referentin bei vergaberechtlichen Seminaren und Konferenzen auf und leitet seit zehn Jahren den österreichischen Vergaberechtstag. Sie ist Vergabeexpertin im ÖNORM Komitee 015.
Punkt 5 zur Stärkung des Bestbieterprinzips begrüße ich besonders. Auch wenn mir der Verdacht auf ein Feigenblattkriterium noch nicht ganz ersichtlich ist, denke ich es kann nur richtig sein, dass bei einer Vergabe die Zuschlagskriterien auch eingehalten werden. Und dass ein Zuschlag von über 1 Mio Euro nun auch Qualitätskriterien haben muss, klingt auch einleuchtend.