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Bauleistungen

Zwingender Ausschluss bei Nichtbeachtung bindender Vorgaben im Planungswettbewerb (VK Berlin, Beschl. v. 14.01.2019 – VK B 2-31/18)

EntscheidungVom Auftraggeber vorgegebene bindende Vorgaben an die im Rahmen eines Planungswettbewerbs einzureichenden Beiträge sind von sämtlichen Teilnehmern zwingend zu beachten. Hält ein Teilnehmer bindende Vorgaben nicht ein, muss dessen Beitrag aus dem Planungswettbewerb ausgeschlossen werden und kann keine weitere Berücksichtigung finden.

§§ 72 Abs. 2,  79 Abs. 4 VgV; §§ 6 Abs. 2 UAbs. 3, 8 Abs. 2 RPW 2013

Sachverhalt

Der Auftraggeber führte einen nichtoffenen, einphasigen Realisierungswettbewerb für Architekten nach §§ 71 Abs. 3 Satz 1, 78 Abs. 3 Satz 2, § 78 Abs. 2 Satz 1 VgV i.V.m. § 3 Abs. 3 RPW 2013 durch. Gegenstand des Wettbewerbs war die Neukonzeptionierung und Sanierung sowie der Umbau historischer und denkmalgeschützter Kulturbauten in Berlin. In der europaweiten Wettbewerbsbekanntmachung gab der Auftraggeber bindende Vorgaben im  Sinne von § 79 Abs. 4 VgV an. Diese beinhalteten unter anderem die Einhaltung einer Baukostenobergrenze i.H.v. 17,6 Millionen brutto für die Kostengruppen KG 300-400, des Denkmalschutzes sowie nachbarrechtlicher Belange. Im Text der Auslobung fand sich zudem der Hinweis, dass Änderungen an der Kubatur aufgrund denkmalschutzrechtlicher Gründe unzulässig seien.

Die spätere Antragstellerin beteiligte sich zunächst erfolgreich mit einem Teilnahmeantrag am Vergabeverfahren und wurde sodann vom Auftraggeber zur Abgabe eines Wettbewerbsbeitrages aufgefordert. Mit dem Wettbewerbsbeitrag mussten die Teilnehmer am Wettbewerb ein Formblatt zur Kostenermittlung übersenden, welches die voraussichtlichen Kosten für die Kostengruppen 300 und 400 ausweisen sollte. Die Antragstellerin trug dort 17.606.000,00 ein.

Des Weiteren war der Wettbewerbsbeitrag der Antragstellerin in Wiederaufbau eines Turmes sowie eines im Innenhof zum Nachbargrundstück liegenden Anbaus vor.

Das Preisgericht schloss den Beitrag der Antragstellerin aus, da deren Beitrag mit den Auflagen des Denkmalschutzes nicht in Einklang zu bringen war. Im Ergebnis der Preisgerichtsitzung benannte das Preisgericht die Preisträger und vergab eine Anerkennung.

Im Anschluss an die Übermittlung des Wettbewerbsergebnisses rügte die Antragstellerin die Nichtberücksichtigung ihres Wettbewerbsbeitrages und beantragte nach Nicht-Abhilfe die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vor der VK Berlin. Die Antragstellerin brachte insbesondere vor, dass die bindenden Vorgaben nicht wirksam in das Verfahren einbezogen worden intransparent und zudem unwirksam seien. Außerdem sei die Überschreitung der Baukostenobergrenze lediglich i.H.v. 0,034 % erfolgt, so dass ein Ausschluss aufgrund dieser marginalen Abweichungen jedenfalls unverhältnismäßig wäre.

Die Entscheidung

Nachdem die VK Berlin mit Beschluss vom 20.12.2018 darauf hingewiesen hatte, dass Zweifel an den Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages bestehen, nahm die Antragstellerin ihren Antrag am 07.01.2019 zurück. Mit Beschluss vom 14.01.2019 legte die Vergabekammer der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf, da der Wettbewerbsbeitrag der Antragstellerin jedenfalls wegen Überschreitung der verbindlich vorgegebenen Baukostenobergrenze gemäß § 79 Abs. 4 VgV auszuschließen gewesen war.

Rechtliche Würdigung

Da die Entscheidung der Vergabekammer lediglich die Kostenverteilung nach Rücknahme des Antrages betraf, enthält diese keine ausführliche rechtliche Begründung. Keinen Zweifel lässt die Vergabekammer jedoch daran, dass auch im Rahmen eines Planungswettbewerbs nach dem 6. Abschnitt der VgV bindende Vorgaben des Auftraggebers zwingend zu beachten sind. Das Recht, bindende Vorgaben aufzustellen, folgt aus dem Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers, in dessen Hoheit es liegt, zu definieren, welche Leistungen er beschaffen will. Der öffentliche Auftraggeber hat ein natürliches Interesse daran, nur solche Wettbewerbsbeiträge zu erhalten, welche im Anschluss an den Wettbewerb auch tatsächlich realisiert werden können. Dies entspricht auch der Regelung des § 8 Abs. 2 RPW 2013, wonach in der Regel der 1. Preisträger mit der anschließenden Planung zu beauftragen ist. Handelt es sich wie vorliegend nicht um einen Neubau, sondern um eine Sanierung im Bestand, bestehen in der Regel weitergehende Beschränkungen einer zu realisierenden Planung. Ebenfalls bestehen für die öffentliche Hand Restriktionen durch die haushaltsrechtlichen Vorgaben einer wirtschaftlichen und sparsamen Beschaffung, so dass die Vorgabe einer einzuhaltenden Baukostenobergrenze bereits im Rahmen des Planungswettbewerbs angezeigt sein kann.

§ 79 Abs. 4 VgV sowie § 6 UAbs. 2 RPW 2013 sehen aus diesem Grunde vor, dass nur ein solcher Wettbewerbsbeitrag berücksichtigt werden darf, welcher die bindenden Vorgaben des Auslobers einhält. Bereits aus Gründen der Gleichbehandlung steht dem öffentlichen Auftraggeber kein Ermessen dahingehend zu, ob er (auch nur geringfügige) Abweichungen von seinen bindenden Vorgaben zulässt. Für den von der Antragstellerin angesprochenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besteht somit kein Raum.

Praxistipp

Öffentliche Auftraggeber sind gut beraten, sich vor Durchführung eines Planungswettbewerbes Gedanken darüber zu machen, welche Restriktionen für das zu realisierende Bauvorhaben bestehen. Diese technischen, rechtlichen oder monetären Restriktionen sollten den Wettbewerbsteilnehmern bereits mit der Bekanntmachung mitgeteilt werden, damit diese wirksam in das Vergabeverfahren einbezogen werden. Hierbei ist selbstverständlich zu beachten, dass bindende Vorgaben die Kreativität und Vielfalt der zu erwartenden Wettbewerbsbeiträge einschränken können. Andererseits besteht aufgrund vielfacher negativer Erfahrungen ein nachvollziehbares Interesse der öffentlichen Hand daran, dass der Entwurf des 1. Preisträgers (siehe § 8 Abs. 2 RPW 2013) auch tatsächlich realisierbar ist.

Teilnehmer an einem Planungswettbewerb sollten die Wettbewerbsbekanntmachung und den Auslobungstext vor Erstellung eines Wettbewerbsbeitrages intensiv auf etwaige bindende Vorgaben untersuchen, um nicht Gefahr zu laufen, dass ihr Wettbewerbsbeitrag aufgrund formaler Verstöße aus dem Wettbewerb ausgeschlossen werden muss. Bei etwaigen Unklarheiten hinsichtlich der Reichweite oder der Verbindlichkeit von Vorgaben in Bekanntmachung oder Auslobung sollten rechtzeitig entsprechende Rückfragen gestellt werden, um spätere Missverständnisse zu vermeiden.

Hinweis: Der Autor dieses Beitrages hat in dem besprochenen Verfahren den Antragsgegner vertreten.

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Über Dr. Oskar Maria Geitel

Dr. Oskar Maria Geitel ist Fachanwalt für Vergaberecht und Rechtanwalt bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB in Berlin. Er berät öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit stellt die rechtliche Begleitung von Bauvorhaben bezüglich aller Fragen des Baurechts dar, welche sich unmittelbar an die Begleitung des Vergabeverfahrens anschließt. Herr Geitel ist Kommentarautor, Lehrbeauftragter für Vergaberecht und Dozent bei diversen Bildungseinrichtungen.

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