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Bauleistungen

Trau, schau, wem? Auftraggeber dürfen sich auf das Leistungsversprechen eines Bieters verlassen, sie müssen nicht gesondert nachprüfen (VK Bund, Beschl. v. 11.06.2021 – VK 2-53/21)

EntscheidungDie Vergabekammer des Bundes stellt klar, dass sich Auftraggeber auf das mit Einreichung des Angebots geäußerte Leistungsversprechen eines Bieters verlassen dürfen. Sie stellt außerdem klar, dass dem Auftraggeber ein Ermessensspielraum zusteht, was die Prognose der Leistungsfähigkeit eines Bieters anbelangt. An die Vergleichbarkeit einer Referenz sind insofern auch keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, die referenzierten Leistungen müssen jenen nach Art und Umfang ähneln und nicht identisch sein.

GWB § 122 Abs. 1, 2; VOB/A § 6a EU Nr. 3 lit. a)

Sachverhalt

Der öffentliche Auftraggeber, eine Universität (Antragsgegnerin), schrieb die Beschaffung und Installation von labortechnischen Anlagen im offenen Verfahren aus. Die Vergabe richtete sich auf die komplette Realisierung von Laborflächen mit dazugehöriger Infrastruktur, so dass die VOB, 2. Abschnitt zur Anwendung gelangte. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis.

In Ziff. III.1.3) gab die Universität u.a. folgende Nachweise zur Bestimmung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit vor:

– Angaben über die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu 3 abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, unter Benennung von Kontaktpersonen zur evtl. Prüfung der Referenz,

– Mindestanforderung: 3 Referenzen

LV-Pos. 01.01.0009 gab vor, dass das Abzugsschiebefenster bei Nichtbenutzung des Abzugs automatisch (motorisch), mithin elektrisch, schließen müsse. Ferner war vorgegeben: Die manuelle Funktion des Schiebefensters muss jederzeit und uneingeschränkt gegeben sein.

Die Bieterin, die schließlich für den Zuschlag vorgesehen wurde (die Beigeladene), gab für die LV-Pos. 01.01.0009 (Abzug-Schiebefenster-Controller) ein von ihr hergestelltes Fabrikat als Typ Eigenfabrikat an. Das Feld, in welches die Typenbezeichnung einzutragen war, ließ sie offen.

Auf eine Überprüfung der Referenzen des Bieters, der später den Zuschlag erhalten sollte, wurden verzichtet, da die gleichen Referenzen bereits in einem anderen Vergabeverfahren von dem beauftragten Ingenieurbüro überprüft worden waren. Danach hatten alle Referenzgeber auf die telefonische Nachfrage des Ingenieurbüros bestätigt, dass die jeweils in den Formblättern benannten Leistungen durch die Beigeladene korrekt und zeitgerecht sowie zur vollen Zufriedenheit des jeweiligen Auftraggebers ausgeführt worden seien. Im Ergebnis bestätigte das Ingenieurbüro, dass die benannten Referenzen mit der ausgeschriebenen Leistung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens vergleichbar seien. Zwar lägen drei der vier benannten Referenzen unterhalb des im streitgegenständlichen Vergabeverfahren geschätzten Auftragswerts. Allerdings spreche dies nicht gegen die Vergleichbarkeit, da die erforderlichen technischen Leistungen einen hinreichenden Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit für die ausgeschriebenen Leistungen ermöglichten.

Ein Wettbewerber ging gegen die Vergabe vor und rügte gleich mehrere Vergaberechtsverstöße, die hier nicht alle läutert werden können. So rügte er, dass der Zuschlagsprätendent in LV-Pos. 01.01.0009 keine Typenbezeichnung eingetragen habe. Außerdem sei er finanziell nicht leistungsfähig, also nicht geeignet. Weiterhin könne er nicht die Mindestanzahl an geforderten Referenzen erbringen, da ein Projekt erst im Mai 2021 abgenommen werde und damit noch nicht im Sinne des Gesetzes erbracht worden sei. Auch im Übrigen könnten die Referenzen nicht vergleichbar sein.

Die Universität forderte die Beigeladene aufgrund der Rügen zur Aufklärung über die Organisation der zu beschaffenden Montage und die Qualifikation ihres Montagepersonals auf sowie zur Vorlage eines nachvollziehbaren Belegs über ihre finanzielle Leistungsfähigkeit auf. Die Beigeladene legte entsprechende Unterlagen vor, unter anderem eine schriftliche Finanzierungszusage ihrer Bank.

Im vom Wettbewerber angestrengten Nachprüfungsverfahren führte die Universität weiter aus, dass der Nachprüfungsantrag auch deshalb zurückzuweisen sei, da die Antragstellerin zwingend hätte ausgeschlossen werden müssen. Sie habe die Anforderungen der Ziff. III.1.2) der Auftragsbekanntmachung nicht erfüllt, wonach eine Erklärung zur Zahl der in den letzten 3 Jahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte, gegliedert nach Lohngruppen, mit extra ausgewiesenem Leitungspersonal gefordert war. Die Antragstellerin habe nicht die Zahlen zu den Jahren 2019 und 2020 vorgelegt. Diese Angaben könnten auch nicht nach § 16a EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A nachgefordert werden, da die Antragstellerin sonst ihr Angebot, das sich auf ihr PQ-Verzeichnis berufe, unzulässig nachgebessert würde.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag nicht statt.

Zu der fehlenden Typenbezeichnung führte sie aus, dass es eine solche gar nicht geben könne, wenn es sich um ein Eigenfabrikat handele. Auch der weiteren Argumentation, dass dann die Universität gar nicht überprüfen könne, ob der Bieter die Leistung auch wie gewünscht erbringen könnte, erteilte sie eine Absage:

Soweit die ASt meint, dann könne die Ag die Konformität mit den Vorgaben der Leistungsbeschreibung nicht überprüfen, so entspricht dies regelmäßigen Situation bei der Bepreisung von Leistungsverzeichnissen; die Bieter tragen nichts anderes ein als Preise, ob wirklich ein LV-konformes Produkt dahinter steht, ist regelmäßig nicht erkennbar. Ein öffentlicher Auftraggeber darf sich darauf verlassen, dass die Bieter leistungsbeschreibungskonform anbieten; er ist weder verpflichtet noch läge es im Bereich des Möglichen, alle Bieterangaben zu überprüfen oder zu verifizieren, es sei denn, ein Angebot weist Auffälligkeiten auf. Einen Anlass dafür, hier im konkreten Sachverhalt eine Prüfung vorzunehmen, ob wirklich LV-konform ein manuell bedienbares Schiebefenster angeboten wurde, gab es nicht, ebenso wenig wie einen Anlass, das Angebot der Bg an dieser Stelle auszuschließen wegen Nichteinhaltung der Vorgaben der Leistungsbeschreibung.

Auch die Angriffe gegen die Eignung blieben erfolglos. Die Vergabekammer stellte fest, dass die Universität die Referenzen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit fehlerfrei prognostiziert hat. Die Universität war von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und hatte sich bei ihrer Prüfung von sachgemäßen Erwägungen leiten lassen sowie einen zutreffenden Beurteilungsmaßstab angelegt und so eine fehlerfreie Prognose für die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen getroffen.

Der Umstand, dass ein Projekt erst im Kalenderjahr 2021 fertiggestellt würde und eine Abnahme erst im Mai 2021 stattfinden sollte, spreche nicht gegen die Berücksichtigung dieser Referenz. Ausweislich der Angaben der Referenzgeber wurden die Arbeiten zwischen 2018 und Ende 2020 tatsächlich erbracht und damit ausgeführt im Sinne der Ziff. III.1.3) der Auftragsbekanntmachung. Bei der Auslegung dieser Vorgaben ist auf den objektiven Empfängerhorizont eines verständigen neutralen Bieters abzustellen.

Die Ausführung der Referenzleistungen ist mangels verengender Präzisierungen zur Ausführung in tatsächlicher Hinsicht zu verstehen, ohne dass es auf einen möglicherweise vertragsrechtlich relevanten Abnahmezeitpunkt ankommt. Wortlautgemäß liegt dementsprechend eine ausgeführte Referenzleistung dann vor, wenn sie in einer Art und Weise ins Werk gesetzt worden ist, dass ein tragfähiger Rückschluss auf die entsprechende Leistungsfähigkeit des Bieters möglich ist. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Referenzgeber wie hier diesem Bieter eine entsprechende Referenzbescheinigung ausstellt und darin die entsprechende Leistung bestätigt. Auf dieser Grundlage kann der Auftraggeber nachvollziehen, ob die referenzierte Leistung in hinreichendem Maße ausgeführt worden ist.

Schließlich waren alle vier Referenzen mit den ausgeschriebenen Leistungen vergleichbar. Die Universität habe ausweislich des in der Vergabeakte dokumentierten Vergabevorschlags zutreffend einen wettbewerbsoffenen Auslegungsmaßstab für die Vergleichbarkeit zugrunde gelegt.

Danach kommt es nicht darauf an, dass die Referenzleistungen mit den ausgeschriebenen Leistungen identisch sein müssen, sondern die referenzierten Leistungen müssen jenen nach Art und Umfang ähneln, so dass ein tragfähiger Rückschluss auf die technische bzw. berufliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Bieters möglich ist.

Praxistipp

Im Einzelfall sollte ein Auftraggeber entscheiden, ob er in den Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Hinweise gibt, wann z.B. aus seiner Sicht eine Referenz als erbracht gilt oder bzgl. des genauen Referenzzeitraums. Solche Hinweise erhöhen die Transparenz und vereinfachen die Vergleichbarkeit. Fehlen solche konkretisierenden Hinweise und begnügt sich der Auftraggeber mit dem Gesetz (was natürlich völlig ausreicht), dürfte sich die Wettbewerbsintensität erhöhen. Dann müssen die referenzierten Leistungen jenen nach Art und Umfang ähneln, so dass ein tragfähiger Rückschluss auf die technische bzw. berufliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Bieters möglich ist. Dieses „Mehr“ an Flexibilität dürfte andererseits den Dokumentationsaufwand erhöhen und die Angreifbarkeit der Entscheidung.

Ein preislich unterlegener Bieter wiederum, der Zweifel daran hat, dass sein Wettbewerber die Leistung tatsächlich so wie gefordert erbringen kann, kann versuchen, diese Zweifel beim Auftraggeber zu nähren. Denn solche Zweifel können beim Auftraggeber zu einer Aufklärungspflicht führen und vielleicht sogar zum nachträglichen Ausschluss (erfahrungsgemäß indes mit geringer Wahrscheinlichkeit). Aber Vorsicht, in der Regel besteht das Leistungsversprechen darin, zum Leistungszeitpunkt die Leistung erbringen zu können und diese nicht bereits beim Angebot vorhalten zu müssen. Dies wäre vor einer entsprechenden Rüge im Einzelfall zu prüfen.

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Über Dr. Roderic Ortner

Roderic Ortner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht sowie Fachanwalt für IT-Recht. Er ist Partner in der Sozietät BHO Legal in Köln und München. Roderic Ortner ist spezialisiert auf das Vergabe-, IT und Beihilferecht und berät hierin die Auftraggeber- und Bieterseite. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Vergabe- und IT-Recht und hat bereits eine Vielzahl von Schulungen durchgeführt.

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2 Kommentare

  1. Michael Menzel

    Geehrter Herr Dr. Ortner,

    Sie empfehlen in Ihrem Praxistipp ergänzende Hinweise, um damit die „Transparenz“ zu erhöhen. Leider gab es in den letzten Jahren zahlreiche Punkte, die noch zur Erhöhung der Tranparenz in den Vergabeunterlagen, teilweise schon in der Veröffentlichung untergebracht werden sollten. M.E. hat dies zu einer Aufblähung der Vergabeunterlagen geführt, die dadurch gerade nicht transparenter werden und die Anbieter regelmäßig überfordern. Ebenso übrigens wie die Vergabestellen, die versuchen sollen, alle diese ergänzenden Hinweise in ihren Unterlagen unterzubringen…

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    • Roderic Ortner

      Sehr geehrter Herr Menzel,

      meine Empfehlung sollte so verstanden werden, dass ein öffentlicher Auftraggeber im Einzelfall entscheiden sollte, ob er solche Hinweise gibt oder nicht, verpflichtend sind sie jedenfalls nach derzeit herrschender Meinung nicht. Sollte er sich dazu entscheiden, dann kann er die Bewerber/Bietern unterstützern, indem er sie zB mittels Ankreuzfelder durch die Angaben zur Eignung leitet. Insofern sehe ich das auch so, dass eine Vielzahl an Formularen zur Intransparenz führt. Andererseits benötigen die Unternehmen Informationen und Warnungen, um die Gefahr eines Formfehlers zu verringern. Ideal wäre eine Art elektronischer Eingangsbogen, wo der Bieter zB gefragt wird, ob er in Bietergemeinschaft anbietet oder Nachunternehmer einsetzt. Häufig ist dies nicht der Fall. Und dann sollten automatisch sämtliche Textbausteine und sämtliche Formulare, die sich mit Bietergemeinschaft und Nachunternehmereinsatz befassen, ausgeblendet werden. M.E. sieht dies bislang noch keine eVergabeplattform vor.
      Grüße
      R. Ortner

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