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Bauleistungen

Verstoß gegen (wirksam beauflagte) Vergabepflichten ist bei EU-Förderung zu sanktionieren! (VG Cottbus, Urt. v. 03.02.2023 – 3 K 1618/19)

EntscheidungDas EU-Recht ermächtigt den Zuwendungsgeber grundsätzlich nicht (direkt) zur Aufhebung von Zuwendungsbescheiden bzw. zum Widerruf von zugewandten Mitteln. Dies ist Sache des nationalen Rechts, freilich unter Berücksichtigung der durch das EU-Recht gesetzten Grenzen. Die Pflicht des Zuwendungsgebers vergaberechtliche Bestimmungen bei der Weitergabe von Mitteln an Dritte hier zwecks Erbringung von Bauleistungen einzuhalten, besteht nur, wenn diese Verpflichtung Eingang in den Bescheid als Auflage gefunden hat. Dies ist nur dann der Fall, wenn sich aus der Auflage eine eindeutige Handlungspflicht mit einem Vorbehalt der Rückforderung ergibt. Es darf sich nicht nur um einen bloßen Hinweis auf bestimmte Rechtsnormen handeln. Im Zusammenhang mit EU-Fördermitteln, hier der ELER-Förderung, ist regelmäßig eine Sanktionierung im Sinne einer Kürzung bzw. eines Widerrufs auszusprechen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen (sog. intendiertes Ermessen). Im Hinblick auf die Höhe der Sanktion ist ein Rückgriff auf die ermessenslenkenden COCOF-Leitlinien nicht zu beanstanden, wenn der Zuwendungsgeber die Beurteilung von (Ausnahme-)Umständen im konkreten Einzelfall im Blick hat. Nationale Ausschlussfristen, z.B. die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG, werden durch das EU-Recht überlagert und sind nicht anwendbar, so dass Zuwendungen über einen längeren Zeitraum vom Zuwendungsempfänger zurückgefordert werden dürfen.

§§ 48, 49 VwVfG, Art. 56 VO (EU) Nr. 1306/2013, COCOF-Leitlinien, § 12 VOB/A

Sachverhalt

Der Beklagte gewährte der Klägerin, einer evangelischen Kirchengemeinde, auf ihren Antrag hin eine Zuwendung auf Basis eines Fördermittelprogramms für die Entwicklung des ländlichen Raumes (sog. LEADER-Programm) zur Schaffung eines Gemeindezentrums. Das LEADER-Programm wird unter anderem aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) finanziert.

Die Klägerin wendet sich gegen die Reduzierung von Fördermitteln.

Als Anlagen waren dem Zuwendungsbescheid u.a. die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projekförderung (ANBest-EU), ein Leitfaden Vergabe für Auftraggeber im Rahmen von ELER-Förderprojekten sowie ein Informationsblatt zur Sanktionsregelung beigefügt. Weiter heißt es unter Ziffer 7 des Zuwendungsbescheids:

Hinsichtlich der anzuwendenden Vorschriften aufgrund der Nummer 3 ANBest-EU wird auf den beigefügten Leitfaden zur Einhaltung der Vergabevorschriften (Anlage 5) verwiesen„.

In Ziffer 3.1 ANBest-EU heißt es für Aufträge, die nach Nummer 3.2 und Nummer 3.3 nicht den Regelungen für Vergaben unterliegen, dass der Zuwendungsempfänger ab einem Auftragswert von mehr als EUR 500 Euro mindestens drei vergleichbare Angebote einzuholen hat und die Auswahlgründe dokumentieren muss. Nach Ziffer 3.2 ANBest-EU sind bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks bei der Vergabe von Aufträgen für Bauleistungen der Abschnitt 1 der Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A – VOB/A anzuwenden, sofern die Zuwendung mehr als 50 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben eines Vorhabens und der Auftragswert voraussichtlich mehr als EUR 100.000 netto beträgt.

Die Klägerin vergab Bauleistungen sodann in drei unterschiedlichen Losen, wobei hier die Lose 1 (Abbruch), 2 (Gründung) und 3 (Rohbau) streitgegenständlich waren:

  • Das Los 1 (Abbruch) umfasste einen geschätzten Nettogesamtauftragswert von EUR 24.000,00.
  • Das Los 2 (Gründung) umfasste einen Nettogesamtauftragswert von EUR 43.000,00. Die Klägerin veröffentlichte beide Aufträge als öffentliche Ausschreibungen auf dem Vergabemarktplatz. Es fanden sich in beiden Ausschreibungen keine Angaben zu vorzulegenden Eignungsnachweisen.
  • Das Los 3 (Rohbau) umfasste einen geschätzten Nettogesamtauftragswert von EUR 210.000,00. Die Klägerin veröffentlichte den Auftrag ebenfalls auf dem Vergabemarktplatz als öffentliche Ausschreibung. Angaben zu den vorzulegenden Eignungsnachweisen fehlten.

Der Beklagte bewilligte nach Feststellung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Rechnungsprüfung nach einem Auszahlungsverlangen der Klägerin lediglich noch einen reduzierten Zuwendungsbetrag. Die Prüfung der Vergabeunterlagen habe ergeben, dass die Lose 1 3 nicht ordnungsgemäß erteilt worden seien. Die Lose seien öffentlich ausgeschrieben worden. Entsprechend § 12 VOB/A seien unter anderem die verlangten Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bieters bekanntzugeben. Dies war hier unstreitig nicht erfolgt. Bei der fehlenden Bekanntmachung von Eignungs- und Zuschlagskriterien handele es sich um einen Vergabeverstoß, der entsprechend den sog. COCOF-Leitlinien der EU-Kommission zur Festlegung von Finanzkorrekturen mit einem Korrektursatz von 25 % zu sanktionieren sei.

Gegen diese Reduktion erhob die Klägerin Widerspruch. Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid zurück. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, wobei die Beklagte den Widerspruchsbescheid zwischenzeitlich durch einen Änderungsbescheid aufhob und die Rechtsgrundlage für die Änderung/Korrektur anpasste.

Die Entscheidung

Die Klage war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig und teilweise begründet.

Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, soweit er den Widerruf wegen Vergaberechtsfehlern bei den Losen 1 und 2 betreffe. Die Klägerin sei insoweit in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Im Übrigen erweise sich der Bescheid als rechtmäßig.

Das Gericht stützt seine Entscheidung u.a. auf folgende Erwägungen:

  • Entgegen der Ansicht des Beklagten könne ein Widerruf nicht wegen Vergaberechtsverstößen erfolgen, die nicht unmissverständlich als Auflage in das Zuwendungsverhältnis einbezogen worden seien. Ein spezieller Widerrufsgrund ergäbe sich insbesondere nicht aus hier einschlägigen EU-Verordnungen. Nach Art. 56 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 nehmen die Mitgliedsstaaten die finanziellen Berichtigungen vor, indem sie die betreffende finanzielle Beteiligung der Union ganz oder teilweise streichen. Sie berücksichtigen dabei die Art und Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeiten sowie die Höhe des finanziellen Verlustes für den ELER. Diese Bestimmungen ermächtigten die nationale Vollzugsbehörde jedoch nicht zur Aufhebung der Zuwendungsbescheide, sondern enthielten nur eine Vorgabe für die Geltendmachung der Forderung nach nationalem Recht unter Berücksichtigung der durch das Unionsrecht gesetzten Grenzen, insbesondere hinsichtlich des Vertrauensschutzes (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.10.2014 – 3 C 31.13).
  • Die gesetzlich in § 49 Abs. 3 VwVfG normierten Widerrufsgründe seien abschließend (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 05.05.2021 – 10 LB 201/20). Die Verpflichtung zur Einhaltung der Vergaberechtsvorschriften sei in einem schlichten Hinweis auf entsprechende Normen und Normkomplexe nicht zu erkennen (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 01.10.2021 – 19 K 2697/19). Maßgeblich für den Auflagencharakter sei der Vorbehalt der Rückforderung, denn damit mache der Beklagte deutlich, die vergaberechtswidrige Verwendung der Mittel an weitergehende Konsequenzen zu knüpfen (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23.08.2022 – 5 LB 9/20). Anderes könne gelten, wenn sich aus einer EU-Norm ein direkten Anwendungsbefehl mit einem eng eingeschränkten Tatbestand ergebe. Dies sei jedoch betreffend die vom Beklagten genannten Rechtsgrundlagen Art. 56 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 und Art. 35 Abs. 2 lit. b Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 nicht anzunehmen.
  • Eine wirksame Auflage sei lediglich für die Vergabe von Bauleistungen, deren Auftragswert voraussichtlich mehr als EUR 100.000,00 netto beträgt, durch die Ziff. 3.2 ANBest-EU in das Zuwendungsrechtsverhältnis einbezogen. Für die Ziff. 3.3 ANBest-EU könne nicht von einer wirksamen Auflage ausgegangen werden, da eine solche dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreiben müsse (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Dies sei durch Auslegung zu ermitteln. Dabei sei entsprechend § 133 BGB darauf abzustellen, wie die Erklärung von ihrem Adressaten bei verständiger Würdigung zu verstehen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.03.2022 – 3 S 1907/21). Eine Auflage müsse zudem nach § 37 VwVfG hinreichend bestimmt sein. Der Adressat müsse in die Lage versetzt werden, zu erkennen, dass er aufgefordert ist, sich an eine Auflage zu halten, was von ihm gefordert wird und der Verwaltungsakt müsse geeignete Grundlage für Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung der Auflage sein (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.03.2022 – 3 S 1907/21). Nach Ziffer 3.3 ANBest-EU blieben Verpflichtungen des Zuwendungsempfängers aufgrund des § 98 GWB und der VgV, den Abschnitt 2 VOB/A bzw. VOL/A, die VOF, die Sektorenverordnung einzuhalten von Ziffer 3.2 unberührt. Diese Formulierung (im Gegensatz zu „anzuwenden“ in Ziffer 3.2 ANBest-EU) spreche für die Annahme eines bloßen Hinweises (so die h.M.; a.A. Bayerischer VGH, Urteil vom 09.02.2015 – 4 B 12.2325). Zum anderen regele der in Ziffer 3.3 ANBest-EU für Bauleistungen maßgebliche 2. Abschnitt der VOB/A ohnehin Vergabebestimmungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU und betreffe nach § 1 Abs. 2 S. 2 EU 2. Abschnitt VOB/A 2016 lediglich Aufträge, die den Schwellenwert in § 106 GWB überschreiten.

Von den streitgegenständlichen Losen lag ausschließlich das Los 3 (Rohbau) über der Grenze von EUR 100.000 netto. Nur das Los 3 lag deshalb im Anwendungsbereich der wirksamen Auflage unter Ziff. 3.2 der ANBest-EU. Die Auftragsbekanntmachung für das Los 3 entspreche nicht den Vorschriften des 1. Abschnitts der VOB/A. Nach den insoweit zum Zeitpunkt der Ausschreibung geltenden § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. u VOB/A (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. w VOB/A n.F.) soll die Bekanntmachung einer öffentlichen Ausschreibung die verlangten Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers oder Bieters beinhalten. Dies war hier unstreitig nicht der Fall.

Der Beklagte habe sein Ermessen betreffend den Widerruf zudem nicht fehlerhaft ausgeübt. Der Widerruf und insbesondere die Höhe stünden nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG im Ermessen der Behörde. Die Ermessensausübung unterliege keinen rechtlichen Bedenken. Der Beklagte habe sich bei der Ermessensausübung ersichtlich an § 7 LHO orientiert. Insoweit sei von einem sog. intendierten Ermessen auszugehen (ständige Rechtsprechung, vgl. so bereits aus jüngerer Zeit u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.10.2020 – OVG 3 N 95/20). Ein solches intendiertes Ermessen ergebe sich auch aus der für die vorliegende Subvention geltenden Verordnung (EU) Nr. 1306/2013. Denn in dessen Art. 56 sei geregelt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die erforderlichen Finanzkorrekturen in Bezug auf individuelle oder systematische Unregelmäßigkeiten zu treffen.

Ein Ermessenspielraum sei dem Beklagten somit allein hinsichtlich des Umfangs des Widerrufs verblieben. Er hat sich insoweit an den sog. Leitlinien für die Festsetzung der Finanzkorrekturen bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der Union finanzierte anzuwenden sind (im Folgenden: COCOF-Leitlinien) orientiert. Diese richten sich zwar vorrangig an die Kommissionsdienststellen, um bei deren Bearbeitung von Fällen mit Unregelmäßigkeiten ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten. Den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten, die selbst Unregelmäßigkeiten feststellen, empfehlen die Leitlinien jedoch, dabei dieselben Kriterien für die Korrektur von Unregelmäßigkeiten anzuwenden. Dabei seien die Leitlinien nicht schematisch anzuwenden und etwaige atypische Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigten. Auch die Regelannahmen der Leitlinien entbänden daher nicht davon, die Einzelumstände zu würdigen. Die Leitlinien listen die wichtigsten Arten von Unregelmäßigkeiten auf und legen die hierfür anzuwendenden Korrektursätze (Kürzungen um 5, 10, 25 und 100 % vom Auftragswert) fest. Im Falle der Nichtveröffentlichung der Eignungs- und/oder Zuschlagskriterien (und ihrer Gewichtung) in der Auftragsbekanntmachung sehen die COCOF-Leitlinien eine Korrektur von 25 % vor. Die Wahl des Korrektursatzes von 25% sei mithin nicht zu beanstanden.

Dem Widerruf stehe die Jahresfrist des § 49 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG nicht entgegen. Diese im nationalen Recht verankerte Regelung wonach der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Tatsachen, welche den Widerruf rechtfertigen, zulässig ist sei hier durch Art. 54 Abs. 1 Der VO (EU) 1306/2012 verdrängt und deshalb nicht anwendbar. Könnten die Mitgliedstaaten die Rücknahme und Rückforderung weiteren, sehr unterschiedlichen Ausschlussfristen unterwerfen, würde das Ziel eines einheitlich ausgestalteten Vertrauensschutzes verfehlt. Während in einem Mitgliedstaat eine Beihilfe zurückgefordert werden könnte, könnte ein anderer Mitgliedstaat die Ausschlussfristen zugunsten des Zuwendungsempfängers denkbar kurz ausgestalten. Daraus folgt, dass auch die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG durch das Unionsrecht mit seiner abschließenden Regelungssystematik zum Vertrauensschutz bei der Rückforderung unionsrechtswidriger Beihilfen überlagert wird (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19.05.2021 – 10 LA 205/20).

Rechtliche Würdigung

Die ausführlich begründete und zutreffende Entscheidung des VG Cottbus enthält nicht nur einige zutreffende Verweise auf die einschlägige Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte, sondern zudem einige interessante Aussagen im Kontext des Zuwendungsvergaberechts.

Festzuhalten ist im Kern zunächst (erneut), dass bei durch EU-Mittel gewährten Zuwendungen das Risiko der Rückforderung/ Kürzung bei Vergabefehlern erheblich ist. Die nationalen Schranken wie u.a. Ausschlussfristen oder Vertrauensschutz bieten hier keinen Schutz, können nicht zur Anwendung kommen.

Darüber hinaus sind insbesondere die Ausführungen zur Auslegung der im Wesentlichen bundesweit gleichlautenden ANBest der Länder nach hiesiger Auffassung zutreffend. Soweit die ANBest der Länder auf Formulierungen zurückgreifen, welche klarstellen, dass etwaige Pflichten aus §§ 98ff. GWB unberührt bleiben, ist darin bei konsequenter Auslegung (mit dem VG Cottbus und den weiteren im Urteil referenzierten Spruchkörpern) keine wirksame Auflage im Sinne des § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG zu erkennen. Damit dürfte jedoch einhergehen, dass sich der Zuwendungswiderruf gegenüber Zuwendungsempfängern, die anders als im Streitfall bereits de iure und nicht ausschließlich aufgrund eines Zuwendungsrechtsverhältnisses, an das Haushalts- und das Kartellvergaberecht gebunden sind, problematisch gestalten dürfte. Denn in konsequenter Fortsetzung dieser Sichtweise blieben Vergaberechtsverstöße außerhalb der wirksam beauflagten Anwendungsbefehle im Zuwendungsrechtsverhältnis für die Frage des (teilweisen) Widerrufs der Zuwendungen außer Betracht. Dieses Thema könnte in den kommenden Jahren im Kontext der Zuwendungen aus den Fördertöpfen des KHZG höchst relevant werden, da der Großteil der betreffenden Zuwendungsempfänger de iure an das Haushalts- und das Kartellvergaberecht gebunden sein dürften.

Zu begrüßen ist zudem die gerichtliche Würdigung der Ermessensausübung des Beklagten zur Höhe der Rückforderung, der sich hierbei im Wesentlichen auf die ermessenslenkende COCOF-Leitlinie stützte. Diese schafft eine sofern weitläufig angewandt belastbare und transparente Verwaltungspraxis für die im Übrigen schwer vorhersehbare Höhe einer Rückforderung bei Verstößen gegen Auflagen aus dem Zuwendungsrechtsverhältnis.

Praxistipp

Die Entscheidung fügt sich insbesondere betreffend die Auslegung der ANBest der Länder widerspruchsfrei in eine Reihe (ober-)gerichtlicher Entscheidungen ein.

Zuwendungsgebern ist insoweit zu empfehlen, für zukünftige Förderprogramme zu prüfen, ob Auflagen zu den Zuwendungsbescheiden aus den jeweiligen ANBest ausreichend sind, bzw. ob es bewusst hingenommen werden sollte, dass öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB, welche Zuwendungen erhalten, unter Umständen nicht für sämtliche in Betracht kommende Vergaberechtsverstöße im Zuwendungsrechtsverhältnis sanktioniert werden können, sondern nur für den (begrenzten) Ausschnitt an explizit beauflagten Pflichten zur Einhaltung des Vergaberechts. So könnte im streitgegenständlichen Fall auch dann kein Widerruf mit einhergehender Rückforderung von Zuwendungen betreffend die Lose 1 und 2 verfügt werden, wenn der Zuwendungsempfänger unabhängig vom Zuwendungsrechtsverhältnis auch unterhalb der Schwelle von EUR 100.000,00 an die Bestimmungen des 1. Abschnitts der VOB/A gebunden wäre. Sofern der Zuwendungsgeber hierin und bzw. oder in Anbetracht weiterer Finanzierungsbedingungen der EU eine Beauflagungslücke identifiziert, sollte diese von ihm nach Möglichkeit geschlossen werden. Denn anderenfalls kann ggf. weder eine Rückforderung/Kürzung durchgesetzt werden, noch könnten die gewährten Mittel gegenüber der EU abgerechnet werden. Der Zuwendungsgeber bliebe schlimmstenfalls buchstäblich auf den Kosten sitzen.

Auf der anderen Seite tut jeder Zuwendungsempfänger gut daran, den Zuwendungsbescheid sehr genau auf seine (vergaberechtlichen) Pflichten hin zu prüfen und im Zweifel mehr als weniger Vergaberecht anzuwenden, d.h. eine eher strengere Sichtweise einzunehmen. Selbst wenn der Zuwendungsempfänger zu dem Schluss kommt, dass möglicherweise gar keine wirksame Beauflagung anzunehmen ist, sollte er sich die Frage stellen, ob er nicht sicherheitshalber doch den vergaberechts-konformen Weg einschlägt, wenn er ohnehin einen Wettbewerb organisieren muss bzw. dies aus Kostengründen für zielführen erachtet. Vorliegend wäre es für die Klägerin vermutlich ein leichtes gewesen, Eignungsnachweise bzw. Zuschlagskriterien ordnungsgemäß im Sinne der VOB/A bekannt zu geben.

Kontribution

Der Beitrag wurde gemeinsam mit Herrn Rechtsanwalt Alexander-M Weßling verfasst.

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Über Alexander-M. Weßling

Der Autor Alexander-M. Weßling ist Rechtsanwalt und als Associate in der Vergabepraxis der Kanzlei Lexton Rechtsanwälte in Berlin tätig. Er berät seit dem Jahr 2020 öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe- und zuwendungsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere im Bereich der Bauvergaben und übernimmt die Vertretung in Nachprüfungsverfahren sowie nachgelagerten gerichtlichen Streitigkeiten im Rahmen der vertraglichen Ausführungsphase. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und Beiträge in vergaberechtlichen Newslettern.

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Über Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG

Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.

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