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Intransparente Eignungskriterien führen zur Wiederholung der Ausschreibung (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 28.09.2023 – 11 Verg 2/23)

EntscheidungIntransparent sind Eignungskriterien auch dann, wenn das Verständnis der Vergabestelle von der Auslegung aus Sicht eines verständigen, durchschnittlich erfahrenen Bieters abweicht. Bei intransparenten Eignungskriterien ist das Ausschreibungsverfahren in den Zustand vor der Ausschreibung zurückzuversetzen, weil der Senat nicht anstelle der Vergabestelle eigene Eignungskriterien aufstellen kann.

§§ 97 Abs. 1, Abs. 6, 122 Abs. 4 GWB

Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb die Abholung und Verwertung von Bioabfällen in einem offenen Verfahren aus. Nach Versendung der Vorabinformationsschreiben rügte die spätere Beigeladene die mangelnde Eignung des Zuschlagsprätendenten. Sie war der Meinung, dass der Zuschlagsprätendent nicht über hinreichende Referenzen verfüge und auch die technischen Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Verwertung von Bioabfällen nicht erfülle.

Der Zuschlagsprätendent hat die Transportleistungen selbst angeboten und für die Verwertung einen Nachunternehmer benannt. Bei den benannten Referenzen hatte er sich für die Verwertungsleistungen ebenfalls eines Nachunternehmers bedient.

Die Entscheidung

Nachdem die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen hatte (siehe ) gab ihm das OLG nunmehr statt.

Es stützt seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass die Vergabestelle die Mindestanforderungen an die Referenzen anders interpretiert hatte als sie aus Sicht eines verständigen, durchschnittlich erfahrenen Bieters hätten verstanden werden müssen. Dies stellt nach Auffassung des OLG einen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar.

Das OLG ordnet deswegen eine Wiederholung des Ausschreibungsverfahrens an, da es selbst keine Eignungskriterien aufstellen könne. Weitere noch unklare Rechtsfragen musste das OLG damit nicht mehr entscheiden.

Dazu zählte vor allem die Frage, ob die angegebenen Referenzaufträge in ihren Kernelementen in Eigenleistung erbracht worden sein müssen oder ob es zum Beispiel ausreicht, wenn Kernelemente bei dem Referenzauftrag von Nachunternehmern erbracht worden sind. Spannend wäre auch zu hören gewesen, welche Angaben in Abhängigkeit davon notwendig sind ob ein Nachunternehmer eingesetzt werden soll oder es sich um eine Eignungsleihe handelt. Auch Hinweise für die Anforderungen an die Vergleichbarkeit von Referenzen wären hilfreich gewesen.

Rechtliche Würdigung

Die Vergabestelle hatte die Eignungskriterien anders ausgelegt, als sie aus Sicht eines verständigen, durchschnittlich erfahrenen Bieters zu verstanden gewesen wären. Warum daraus eine Intransparenz folgen soll, ist aus dogmatischer Sicht nicht so ganz nachzuvollziehen. Warum hat das OLG denn nicht seine Auslegung als verbindlich vorgegeben und die Vergabestelle verpflichtet, die Wertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen? Oder warum hat sie nicht den Schluss gezogen, dass Unklarheiten nicht zu Lasten der Bieter gehen können und den Nachprüfungsantrag – so wie die Vergabekammer – zurückgewiesen. So klar war die Auslegungsfrage auch nicht zu beantworten, hatte doch die Vergabekammer und auch das OLG selbst in seinem Eilbeschluss das noch anders bewertet.

Im Ergebnis hat das OLG wohl eine Lösung gesucht, bei der es für beide Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens noch einmal eine neue Chance gibt. Im Sinne des Rechtsfriedens daher eine pragmatische Entscheidung, wobei die Begründung nicht wirklich vollends zu überzeugen vermag.

Dass das OLG zu den weiteren spannenden Rechtsfragen keine Ausführungen mehr gemacht hat ist schade, aber natürlich sehr gut nachvollziehbar.

Der Autor hat den Antragsgegner in dem Vergabenachprüfungsverfahren vertreten.

Praxistipp

Bei der Formulierung von Mindestanforderungen an Referenzaufträge kann man offenbar nicht sorgfältig genug sein. Immerhin handelte es sich bei der hier verwendeten Beschreibung um eine häufig und lange verwendete Formulierung, die in keinem bisherigen Verfahren Aufklärungsfragen oder gar Verfahrensrügen ausgelöst hatte. Wenn man Mindestbedingungen an Referenzen aufstellt sollten diese wohl bedacht sein.

Unterlässt man das und fordert, wie viele Formulare das vorsehen, drei vergleichbare Referenzen aus den vergangenen drei Jahren so hat man im Zweifel ein stumpfes Schwert in der Hand.

Bleibt die Frage, wann eine Referenz vergleichbar ist. In der mündlichen Verhandlung hatte sich die Antragstellerin darüber beschwert, die Vergabestellen würden die Frage der Vergleichbarkeit dazu nutzen, um willkürliche Entscheidung über den Ausschluss von Bietern zu treffen. Die Forderung der Bieter lautet also offenbar: Definiert, wann Referenzen vergleichbar sind. Angesichts der Vielfalt möglicher Ausschreibungsgegenstände und der Schwierigkeit der Aufgabe ist das aber in der Praxis aus meiner Sicht nicht zu leisten.

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Über Martin Adams, Mag. rer. publ.

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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