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VK Lüneburg: Weg frei für die elektronische Auktion! (Beschluss v. 10.05.2011 – VgK-11/11)

§ 101 Abs. 6 GWB, Art. 54 RL 2004/18/EG

ParagraphSeit der Vergaberechtsreform 2009 kennt das deutsche GWB auch die elektronische Auktion als „Art der Vergabe“. Das Problem: § 101 Abs. 6 Satz 1 nennt diese zwar, an verfahrensgestaltenden Regelungen fehlt es aber. Anders als bei dem in Satz 2 der Vorschrift genannten „dynamischen elektronischen Verfahren“ treffen auch die Vergabe- und Vertragsordnungen keine Bestimmungen hierzu, so dass sich die Frage stellte, ob und ggf. wie das Verfahren genutzt werden kann und darf.
Die Vergabekammer Lüneburg (Beschluss vom 10.05.2011, Az.: VgK-11/11) hat sich nun in einer aktuellen Entscheidung als erste Vergabekammer hierzu positioniert.

Elektronische Auktionen sind im deutschen Recht zugelassen!

Gegenstand der Entscheidung war die Lieferung von elektrischer Energie im Offenen Verfahren. Ein Bieter, der ein dreimal so teures Angebot abgegeben hatte wie seine Mitbewerber wendete sich gegen dieses Verfahren, das seiner Ansicht nach den ruinösen Preiswettbewerb fördere. Er argumentierte, das Verfahren sei ohne Ausgestaltung im nationalen Recht nicht zulässig, der Deutsche Vergabe- und Vertragssausschuss (DVAL) habe aus mittelstandspolitischen Gründen bewusst auf eine konkrete Ausgestaltung verzichtet.

Erfolg hatte er damit nicht: Die VK Lüneburg machte deutlich, dass der Gesetzgeber durch die Definition des Verfahrens öffentliche Auftraggeber hinreichend ermächtigt hat, um die elektronische Auktion auch einzusetzen. Die Entscheidung über das „ob“ liegt demnach nicht in der Hand des DVAL. Auch wenn dieser untätig blieb, hält die Vergabekammer die Verfahrensregeln des Art. 54 der Richtlinie 2004/18/EG für hinreichend bestimmt, um den Ablauf des Verfahrens zu regeln.

Was ist eine elektronische Auktion?

Folgt man der Entscheidung, dann bestimmen sich die Verfahrensregeln im einzelnen nach Art. 54 RL/2004/18 EG bzw. im Sektorenbereich Art. 56 RL 2004/17 EG.

Die elektronische Auktion ersetzt demnach herkömmliche Vergabeverfahrensarten nicht, sie ermöglicht nur mehrere Angebotsrunden („iteratives Verfahren“) und damit einen stärkeren Wettbewerbsdruck.

Bieter sollen sich so auch in formstrengen Vergabeverfahren in vorher festgelegten, quantifizierbaren Angebotsmerkmalen – wie insbesondere dem Preis – unterbieten können. Es finden also keine Verhandlungen im eigentlichen Sinne mit dem Auftraggeber statt, der Bieter bekommt nur die Gelegenheit zur einseitigen „Nachbesserung“ im vorher bestimmten Umfang.

Wann ist eine elektronische Auktion möglich?

Zugelassen ist die elektronische Auktion nur in den durch die Vergaberichtlinien geregelten Fällen. Das sind zum einen das Offene Verfahren und das Nichtoffene Verfahren. Im Sektorenbereich kommt sie auch bei einem Verhandlungsverfahren nach vorherigem Teilnahmewettbewerb in Frage, ansonsten bei einem Verhandlungsverfahren nur nach vorangehendem erfolglosen Offenen oder Nichtoffenen Verfahren gem. Art. 30 Abs. 1 lit. a) RL 2004/18/EG. Voraussetzung ist dann, dass die technischen Spezifikationen genau beschrieben werden können.

Darüber hinaus lässt sich die elektronische Auktion nutzen, um ein Angebot der zugelassenen Teilnehmer eines dynamischen elektronischen Systems auszuwählen. Außerhalb der Sektorenvergabe darf es schließlich auch für einen „Miniwettbewerb“ zwischen den erfolgreichen Bietern eines Rahmenvertrags eingesetzt werden.

Alle Einsatzbereiche haben eins miteinander gemeinsam: die Leistung ist genau beschreibbar und erfordert keine kreative Leistung des Auftragnehmers.

Wie funktioniert eine elektronische Auktion?

Das Prinzip ist dasselbe wie bei einem Autorennen: der eigentlichen Auktion vorgeschaltet ist eine Art „Qualifikationsrunde“. Die Bieter reichen hier ein erstes Angebot ein, das die Auftraggeber anhand der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vollständig „evaluieren“.

Dann erst werden diejenigen Bieter, die ein zulässiges Angebot abgegeben haben, zur Teilnahme an der Auktion aufgefordert. Der früheste Beginn der Auktion ist zwei Arbeitstage nach Versendung dieser Aufforderung (Art. 54 Abs. 4).

Drei Varianten

In Zahl und Zuschnitt der Angebotsphasen lassen die EU-Richtlinien dem Auftraggeber einigen Spielraum, sie regeln drei Varianten. So kann er entweder von vorn herein ein Auktionsende mit Datum und Uhrzeit festlegen oder eine feste Zahl von Angebotsrunden vorgeben oder aber bestimmen, dass das Verfahren ab einem nicht mehr erreichten Mindestabstand endet.

Wichtig ist, dass der Verfahrensablauf von Beginn an transparent ist und die Bieter in jeder Verfahrensphase über ihren Rang informiert sind. Dabei darf aber die Identität der teilnehmenden Unternehmen nicht bekannt gegeben werden – der Grundsatz des Geheimwettbewerbs gilt selbstverständlich auch hier!

Ausblick: hat die elektronische Auktion Zukunft?

Außer auf dem hart umkämpften Energiemarkt wird die elektronische Auktion bislang kaum genutzt. Ob sich daran nach der Entscheidung der VK Lüneburg etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.

Richtig an dem Einwand eines ruinösen Preiswettbewerbs ist sicherlich, dass besonderes Augenmerk auf die Auskömmlichkeitsprüfung gelegt werden muss. Dies allein dürfte allerdings kein tragbares Gegenargument sein: denn gerade die jüngere Entscheidungspraxis stärkt Auftraggebern den Rücken, die Bieter mangels realistischer Angebotskalkulation ausschließen (OLG Koblenz, Beschluss vom 21.01.2011, Az.:1 W 35/11; VK Bund, Beschluss vom 10.06.2011, Az. VK 3 – 56 / 11). Zudem bietet auch das klassische Vorgehen vor Nachträgen und Preissteigerungen keinen umfassenden Schutz – das zeigt die Praxis bei Bauvergaben besonders deutlich.

pfarr_valeskaDie Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand. Mehr Informationen über die Autorin finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.

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Über Dr. Valeska Pfarr, MLE

Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.

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