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OLG Düsseldorf: Darf es ein bisschen mehr Preis sein?

ParagraphZu den grundlegenden Weichenstellungen bei der Konzeption eines Vergabeverfahrens gehört die Bestimmung der Zuschlagskriterien. Auftraggeber formulieren dabei die aus ihrer Sicht wesentlichen Gesichtspunkte für die Bewertung der Angebote. Die Frage, wie weit hier ihr Bestimmungsrecht reicht, liegt nahe. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die bestehende Rechtsprechung um weitere Aspekte ergänzt, die es aus dem Wirtschaftlichkeitsprinzip ableitet (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Mai 2012, Az.: VII Verg 3/12).

Die Entscheidung

Gegenstand der Entscheidung war ein Vergabeverfahren des Auswärtigen Amts über die Förderung des Deutschlandbilds im Ausland im Verhandlungsverfahren. Nach einem im Ergebnis erfolgreichen Nachprüfungsverfahren überarbeitete der Auftraggeber die Vergabeunterlagen und ließ das Zuschlagskriterium „Präsentation“ entfallen. Er bewertete dafür das Kriterium des Angebotspreises statt bislang mit 30% nunmehr mit 50%. Er forderte die geeigneten Bieter erneut zur Angebotsabgabe auf. Dabei lag das zuvor noch drittplatzierte Unternehmen nunmehr als preisgünstigster Bieter auf dem ersten Rang. Gegen die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung wendete sich der vormalige Bestbieter. Nachdem er erfolglos Einzelheiten der Bewertung des Angebots angegriffen hatte, machte er in der zweiten Instanz unter anderem geltend, das Preiskriterium sei vergaberechtswidrig zu stark gewichtet worden.

Das OLG Düsseldorf bestätigte die Bewertung mit 50% als vergaberechtskonform und verdeutlichte dabei Zulässigkeitsvorgaben für die Gewichtung des Preises.

Vertretbarkeitskontrolle im Rahmen eines Festlegungsspielraums

Im Grundsatz gilt demnach: entscheidet sich der Auftraggeber für das Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots, dann hat er in Bezug auf die Festlegung von Unterkriterien und ihre Gewichtung einen „Festlegungsspielraum“. Der Senat lässt erkennen, dass insoweit die gleichen Regeln wie bei einem Beurteilungsspielraum gelten. Die Nachprüfungsinstanzen kontrollieren die Entscheidung des Auftraggebers nicht auf inhaltliche Richtigkeit, wohl aber prüfen sie, ob der Preis in einem „angemessenen Verhältnis“ zu den übrigen Kriterien steht, es erfolgt insoweit eine Vertretbarkeitskontrolle.

Qualitative Alibikriterien widersprechen dem Wirtschaftlichkeitsprinzip

Die Grenzen der Vertretbarkeit sind dabei durch das Wirtschaftlichkeitsprinzip nach § 97 Abs. 5 GWB bzw. § 16 Abs. 8 VOL/A oder § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A zu bestimmen. Bereits seit langem anerkannt ist insoweit, dass der Preis keine völlig untergeordnete Rolle spielen darf. Der Senat stellt nun aber klar, dass der Preis umgekehrt auch nicht überbewertet werden darf. Es verstößt ihm zufolge nämlich ebenso gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip, wenn der Preis die übrigen Wirtschaftlichkeitskriterien marginalisiert und sie dadurch nivelliert. Wenn aber Qualitätskriterien die Bewertung des Angebots zur Hälfte tragen, liegt eine solche Marginalisierung nicht vor.

Einordnung der Entscheidung: 50% Qualität als sichere Lösung?

Ist es also rechtssicher, qualitative Kriterien immer mit 50% zu gewichten? Das lässt sich so wohl kaum aus dieser Entscheidung ableiten. Richtig ist zwar, dass der Vorwurf der unzulässigen Nivellierung dann entkräftet ist. Damit ist aber noch keine Aussage in Bezug auf das erforderliche „angemessene Verhältnis“ der Zuschlagskriterien getroffen.

Entscheidend ist insoweit letztlich immer Gegenstand und Ziel der Beschaffung im Einzelfall. Der Preis kann deswegen insbesondere dann sogar zum alleinigen Zuschlagskriterium bestimmt werden, wenn aufgrund der Zielvorgaben des Auftraggebers sehr homogene Angebote zu erwarten sind (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 05.12.2008, Az.: 1 Verg 9/08, unter Verweis auf BayObLG, Beschluss vom 9. September 2004, Az.: Verg 18/04; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Mai 2007, Az.: VII-Verg 1/07 „Postdienste” – NZBau 2007, 600; VK Bund, Beschluss vom 4. März 2008, Az.: VK 2 – 19/08). Dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vergaberichtlinien entsprechend regelt übrigens auch der neue § 16 Abs. 7 EG VOB/A nun nichts Abweichendes mehr.

Umgekehrt ist bei einem besonderen Gestaltungsspielraum, etwa im Rahmen einer funktionalen Leistungsbeschreibung davon auszugehen, dass die alleinige Bestimmung des Preises als Zuschlagskriterium kaum geeignet ist, den Zielen des Auftraggebers in wirtschaftlicher Weise gerecht zu werden. Die Frage, ob auch bei der Zulassung von Nebenangeboten der Preis nicht alleiniges Zuschlagskriterium sein darf, ist noch Gegenstand einer Divergenzvorlage an den BGH (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. November 2011, Az.: Verg 22/11; vgl. auch: Beitrag der Autorin vom 11.12.2011: „Neues zu Nebenangeboten im Preiswettbewerb: Das OLG Düsseldorf lässt den BGH entscheiden!“)

Deutsches VergabenetzwerkFazit: Was ist bei der Festlegung und Gewichtung von Zuschlagskriterien zu beachten?

Festzuhalten ist: ebenso wenig, wie es eine pauschale Untergrenze für das Preiskriterium bei 30% gibt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.12.2001, Az.: Verg 22 / 01), gibt es eine pauschale Obergrenze für das Preiskriterium. Erforderlich ist vielmehr eine Entscheidung des Auftraggebers im Einzelfall. Dabei hat er einen begrenzt überprüfbaren „Festlegungsspielraum“. Zu beachten ist allerdings, dass dieser nicht so weit reicht wie der Spielraum bei der Bestimmung des Beschaffungsgegenstands selbst (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.2010, Az.: VII – Verg 46 / 09) sondern vielmehr hinsichtlich der Gewichtung einzelner Unterkriterien auch eine Vertretbarkeitskontrolle erfolgt. Als grobe Leitlinie lässt sich aus der Entscheidungspraxis nur ableiten: je größer die Gestaltungsmöglichkeiten der Bieter in wesentlichen Punkten der Ausführung der Leistung sind, desto größere Bedeutung muss auch der qualitativen Bewertung der Angebote zukommen.

pfarr_valeskaDie Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand. Mehr Informationen über die Autorin finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.

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Über Dr. Valeska Pfarr, MLE

Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.

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