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Interview: Edda Peters, Geschäftsführerin der subreport Verlage Schawe GmbH, zur Zukunft der elektronischen Vergabe

Peters_300 Die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge hat gegenüber dem herkömmlichen Papierverfahren viele Vorteile. Die große Anzahl der verschiedenen elektronischen Vergabelösungen – gegenwärtig sind es in Deutschland 35 Plattformen – hält jedoch viele Unternehmen davon ab, eVergabe zu nutzen. Sich gleichzeitig auf unterschiedliche technische Voraussetzungen, Benutzeroberflächen und Geschäftsmodelle einlassen zu müssen, ist für keine Firma attraktiv. Vergabeblog sprach mit Edda Peters, Geschäftsführerin der subreport Verlage Schawe GmBH, über die Zukunft der eVergabe und eine mögliche Lösung dieses Problems.

Vergabeblog: Frau Peters, was ist „elektronische Vergabe“ eigentlich?

Peters: eVergabe ist die Möglichkeit, den gesamten Vergabeprozess öffentlicher Aufträge rechtskonform elektronisch abzuwickeln. eVergabe hat gegenüber dem herkömmlichen Papierverfahren viele Vorteile. Einer ist das enorme Einsparpotenzial: Ein erfolgreicher Einsatz der eVergabe ermöglicht Einsparungen von mindestens 250 Millionen Euro pro Jahr. Das ist empirisch nachgewiesen und belegbar.

Vergabeblog: Und wie sieht die Wirklichkeit der eVergabe aus?

Peters: Leider nicht so, wie sich das alle Beteiligten wünschen: Öffentliche Hand, Wirtschaft und Anbieter von eVergabelösungen. Deutschland ist noch weit davon entfernt, durch eVergabe wirklich zu sparen. Aus einem einfachen Grund: eVergabe ist für Unternehmen einfach nicht genügend attraktiv. Eigentlich ist es ja gut, dass es verschiedene Plattformen und Lösungen im Markt gibt. Wettbewerb belebt das Geschäft. Fakt ist aber auch, dass der Flickenteppich der eVergabe schon heute 35 Vergabeplattformen umfasst – Tendenz steigend. Kein Unternehmen ist bereit, sich Tag für Tag mit 35 Plattformen auseinanderzusetzen. Viele bleiben deshalb beim traditionellen Papierweg. Es muss also dringend etwas für die Interessen der Wirtschaft getan werden. Damit die Akzeptanz von eVergabe spürbar erhöht wird. Damit sich eVergabe für alle endlich lohnt.

Vergabeblog: Gibt es eine Lösung?

Peters: Ja, es gibt sie. Sie ist Thema eines Projektes, das auf Initiative und unter Federführung von subreport Verlag Schawe GmbH aus Köln ins Leben gerufen wurde. subreport ist der führende Marktplatz für Aufträge der öffentlichen Hand – ein Internetportal für alle, die Aufträge vergeben und alle, die diese Aufträge erhalten wollen. Und subreport betreibt seit 2001 die erste Plattform für die elektronische Vergabe. Die Lösung ist vergleichbar mit einem Adapter. Einer für alle, eine einzige Oberfläche, mit der man alle verschiedenen Plattformen ansteuern und benutzen kann, ohne sich jedes Mal neu darauf einstellen zu müssen. Im Fachjargon: Ein Multi-Bieter-Client. Vergabeunterlagen werden zukünftig über einen zentralen Durchgriff auf die Dokumente der angeschlossenen Plattformen heruntergeladen; die jeweiligen Angebote werden an die eVergabeplattformen direkt übergeben. Finanzieren lässt sich das Angebot durch ein kleines Entgelt, das bei der Nutzung nach dem Pay-per-view-System anfällt. Der Adapter ist übrigens erst der Anfang, der erste Bestandteil eines großen Metaportals, das noch viele andere attraktive Dienste für die Wirtschaft bieten wird. Die Idee klingt einfach, ist technisch aber anspruchsvoll.

Vergabeblog: Gibt es Unterstützung für das Projekt?

Peters: Ja, und zwar in hohem Maße. Das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS ist wissenschaftlicher und technischer Partner. Und, mindestens ebenso wichtig: Das Projekt wird von maßgeblichen Anbietern von eVergabeplattformen in Deutschland unterstützt – u.a. der cosinex GmbH als Softwarelieferant der eVergabelösung von d-nrw, dem Beschaffungsamt des Bundesministerium des Inneren mit seiner eVergabeplattform und natürlich von subreport selbst mit dem Elektronischen Vergabeinformations-System subreport ELViS.

Vergabeblog: Was sind die Ziele?

Peters: Das Projekt wird viele positive Effekte für Verwaltung und Wirtschaft nach sich ziehen. Die Akzeptanz der eVergabe wird erhöht, Einsparpotenziale werden endlich realisiert. Eine weitere Zersplitterung der deutschen eVergabelandschaft wird verhindert. Der Wettbewerb bleibt gewahrt. Und: Ein solches Modell kann als Blaupause für ganz Europa dienen.

Vielen Dank für das Interview!

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4 Kommentare

  1. Polina Dite

    Mir ist jetzt nicht klar welche der erwähnten 35 Plattformen der „Mulit-Bieter-Client“ von subreport bedienen soll.
    Den Multi-Bieter-Client gibts ja schon. Mit dem Angebotsassistent von der AI AG kann man bereits mit 9 Vergabeplattformen kommunizieren (https://www.angebotsassistent.de).

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  2. Vergabeesel

    Inzwischen hat jeder bundesweit relevante Anbieter von eVergabe-Lösungen einen „Multi-Bieter-Client“. Wenn man zur obenstehenden Reklame jetzt noch den RIB Client hinzufügen würde, hätte man die Wichtigsten beisammen.

    Aber „Multi“ sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um proprietäre Lösungen handelt mit denen man nur an einem Teil der eVergaben teilnehmen kann. Für den Bieter ändert sich eigentlich nur die Bezeichnung der Software: Vom Client zum Multi-Client. Die Problemen bleiben die gleichen.

    Ziel sollte sein, dass der Bieter e i n e n Zugang zur eVergabe hat: z.B. über seine Kalkulationssoftware oder über einen eVergabe-Client seiner Wahl.

    XVergabe wäre ein Weg dahin, aber solange die Hersteller lieber multiple Multi-Clients für die jeweils eigenen Lösungen entwickeln, bleibt es für die Kunden schwierig.

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  3. Polina Dite

    Dem stimme eigentlich ich voll und ganz zu. Man muss aber fairerweise sagen, dass in diesem Sinne der Blogeintrag ebenfalls Reklame ist wobei darin nicht gesagt wird wann es die Lösung gibt, wie diese aussehen wird und wie das Wort „Multi“ zu rechtfertigen ist.
    Sicherlich, XVergabe ist der richtige Weg, aber irgendwo muss man ja anfangen. Existierende Multi Bieter Clients anderer Hersteller, wie dieser etwas konstruierter Ausdruck auch immer zu verstehen ist (Ich würde darunter eher eine Anwendung verstehen die es ermöglicht mehrere Bieter an einem Angebotsworkflow zu beteiligen), kenne ich leider nicht. Ich lasse mich in diesem Punkt aber gerne belehren. Das gleiche gilt auch für das ambitionierte sicherlich sehr interessante Projekt von Fraunhofer. Mehr als ein schönes Video mit wenig Infos bekommt man nicht zu sehen.
    Mir ging es ja nur darum der Behauptung entgegenzutreten, die von Subreport immer wieder in den Raum geworfen wird – es gäbe 35-50 Vergabeplattformen Deutschlandweit und für jede dieser Plattformen brauche man eine neue Installation. Die Aussagen von Frau Peters werden ja nicht wirklich kritisch hinterfragt. Man bekommt den Eindruck in Kürze stünde eine vollintegrierte Lösung zu Verfügung die mit allen Vergabeplattformen in Deutschland sprechen kann. Davon kann mit Verlaub noch nicht die Rede sein.
    Zu allem Überfluss kommt noch dazu, dass der oben geforderte universeller Zugang zu den vergabeunterlagen aller Vergabeplattformen eigentlich nur die halbe Miete Darstellt. Denn was nützen mir die Vergabeunterlagen wenn ich nichts damit anfangen kann. Die Standardisierung der Austauschformate ist ein mindestens so wichtiges Thema. Eine geführte/unterstützte Bearbeitung von diesen Unterlagen in einer integrierten Softwarelandschaft sollte das Ziel sein und bis XVergabe soweit ist wird noch viel Wasser den Rhein hinab fließen.

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  4. Edda Peters

    Zunächst: Es freut uns sehr, dass unser Projekt eine rege Diskussion in diesem Blog hervorgerufen hat. Dies und viele Gespräche mit Auftraggebern, mit Unternehmen und auf politischer Ebene bestätigen uns darin, dass der Bedarf für unser Projekt groß und der Ansatz der richtige ist.

    Frau Dite hat es schon angesprochen und muss es als Absolventin der Uni Würzburg ja auch wissen – schließlich ist AI ein spin-off des Lehrstuhls BWL und Wirtschaftsinformatik: In der Tat hat AI ein Werkzeug entwickelt, mit dem Unternehmen auf verschiedene AI-Plattformen zugreifen können. Insofern gibt es tatsächlich bereits eine Art Multi-Bieter-Client – von AI, ausschließlich für AI-Plattformen. Nicht mehr und nicht weniger. Dies ist zu begrüßen – ebenso wie XVergabe als Initiative, die die Interoperabilität von Datenaustauschformaten im Fokus hat. Nicht von ungefähr arbeitet subreport bei XVergabe von Anfang an mit, auch wenn Ergebnisse dieses Gremiums sicher noch einige Zeit auf sich werden warten lassen.

    Unser ehrgeiziges Ziel geht allerdings weiter: Mit unserem Multi-Bieter-Client sollen idealerweise ALLE bereits existierenden Plattformen bedienbar sein – einschließlich derer, die noch kommen. Es ist also KEINE proprietäre Lösung, sondern im Gegenteil ein Werkzeug, dass der Proprietät unterschiedlicher Lösungen eine Einheitlichkeit verleiht, ohne dabei den Wettbewerb zu konterkarieren. Übrigens: Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, unsere Lösung, die wir gemeinsam mit Fraunhofer FOKUS entwickeln, stünde in Kürze zur Verfügung, dann ist das ein Missverständnis. Es ist so, wie Frau Dite es selber formuliert: Das Projekt ist ein ambitioniertes. Wäre es keine so große Herausforderung, stünde eine solche One-Stop-Lösung für die eVergabe schon längst zur Verfügung.

    Aufgrund der großen Kooperationsbereitschaft des Bundes, der Anbieter von eVergabelösungen selbst sowie maßgeblicher Verbände sind wir allerdings mehr als zuversichtlich, dass diese Lösung im kommenden Jahr Wirklichkeit wird. Und: Sobald erste Prototypen entwickelt sind, werden wir darüber informieren. Gerne auch in diesem Blog!

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