Die IT-Beschaffung stellt die öffentliche Verwaltung kontinuierlich vor erhebliche Herausforderungen. Dies zeigte das große Interesse an der 5. Fachtagung zu diesem Thema vom 09. bis 10. September, die von der INFORA GmbH in Berlin durchgeführt wurde. Inhaltlich standen auf der diesjährigen Veranstaltung mit 25 Ausstellern bei rund 500 Fachbesuchen der öffentlichen Hand vor allem die Änderungen der dritten Stufe der Vergaberechtsreform im Mittelpunkt der Diskussion. Mutig: Erstmals kam in der nur für öffentliche Beschaffer zugänglichen Veranstaltung auch ein Vertreter der IT-Anbieterschaft zu Wort, um die Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand (EVB-IT) zu bewerten.
Auf die mit der IT-Beschaffung verbundenen vielfältigen Schwierigkeiten für öffentliche Einkäufer ist Klaus-Peter Tiedtke, Direktor des Beschaffungsamtes des Bundesministeriums des Innern, bereits in seinem Eröffnungsvortrag eingegangen. In einer teils amüsant gestalteten Rückschau vermittelte Rudolf Ley vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ein anschauliches Bild der Wurzeln des Vergaberechts sowie der jahrzehntelangen Reformen und Änderungen, denen dieses Rechtsgebiet ausgesetzt war und weiterhin ist. Dabei konnte er sich offenkundig wenig für die Rolle der Verdingungsausschüsse DVA und DVAL begeistern. Die aktuellen Auswirkungen der Änderungen des Vergaberechts wurden auf der Fachtagung einerseits in der Vorstellung der gerade erst veröffentlichten UfAB V in der Version 1.0 und den Folgerungen für die Praxis der Beschaffungsstellen näher beleuchtet. Andererseits wurden sie im Vortrag von Prof. Dr. Ralf Leinemann aus anwaltlicher Sicht mit Blick auf den Rechtsschutz ebenso kritisch wie taktisch motiviert hinterfragt.
Besonders viel Diskussionsbedarf rief die Vorstellung der geplanten Neuregelungen der VOL/A durch Michael Wankmüller vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hervor. So erschien den Teilnehmern insbesondere die Regelung zur Losbildung zur Förderung des Mittelstands sehr fragwürdig. Sie betonten, dass sie für klarere Ausführungsvorschriften als dies heute mit der VOL/A in der Fassung des Jahres 2006 der Fall ist, dankbar wären.
Die Podiumsvorträge beschäftigten sich – neben den Rechtsfragen der Vergaberechtsreform – auch mit Themenfeldern aus der fachlichen Perspektive der Bedarfsträger von IT-Beschaffungen. So wurden etwa in einem Beitrag der INFORA die Möglichkeiten der Berücksichtigung der Usability, also der Anwender- und Nutzerfreundlichkeit, bei der Beschaffung von Software aufgezeigt. Dieser Aspekt wird beim Einkauf von Software häufig stiefmütterlich behandelt. Ebenso wurden unter dem Titel „Vergabe und Sicherheit“ die Besonderheiten bei der Beschaffung von IT-Sicherheitsprodukten erörtert. Aber auch Fragen der Eignungsprüfung sowie die Besonderheiten des Datenschutzes im Beschaffungsprozess wurden behandelt und neue Trends der IT-Rechtsprechung zum Vergaberecht kamen zur Diskussion. Erstmalig erhielt mit Marco Junk vom Branchenverband BITKOM ein Vertreter der Privatwirtschaft Gelegenheit, die mitunter kontrovers diskutierten Musterverträge im IT-Umfeld (EVB-IT) aus Sicht der Anbieter zu beleuchten. Mit Ausnahme des von Seiten des BMI im Jahr 2007 einseitig veröffentlichen EVB-IT Systemvertrags zog Junk dabei ein positives Fazit. Dabei warb er für eine Rückbesinnung auf den einstigen „Geist der EVB-IT“ als faire, ausgewogene Vertragsbedingungen – und nicht als bloße Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand. Dies sichere nicht zuletzt einen funktionierenden Wettbewerb um öffentliche IT-Aufträge – und damit eine wirtschaftliche Beschaffung. Bei den aktuellen Verhandlungen zum neuen EVB-IT Systemliefervertrag sei man hier aber auf einem guten Weg.
Spannend war es auch in den Fach- und Marktforen der Fachtagung, weil dort neben den thematischen Klassikern wie dem Ablauf von Verhandlungsverfahren oder Erfahrungen mit E-Procurement auch ganz neue Fragestellungen Gegenstand der Erörterungen waren. Dazu gehörten beispielsweise Themen wie Green-IT und Open-Source-Beschaffungen durch die öffentliche Hand, aber auch die IT-Beschaffung nach sozialen und ökologischen Kriterien.
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