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VK Schleswig-Holstein zum Tariflohn als Zuschlagskriterium

paragraphDie tarifliche Entlohnung der Mitarbeiter ist bei öffentlichen Ausschreibungen auch als Zuschlagskriterium nicht zulässig. Zu diesem Ergebnis kam die VK Schleswig-Holstein in einer Entscheidung vom 14.01.2010 (VK SH 25/09).

Anders als die bisherige vergaberechtliche Rechtsprechung zu Tariflöhnen begründete die VK dies jedoch nicht mit einer fehlenden allgemeinen gesetzlichen Regelung zur Zahlung von Tariflöhnen. Nach Auffassung der VK Schleswig-Holstein fehlt es an dem notwendigen sachlichen Zusammenhang zwischen der tariflichen Entlohnung der Mitarbeiter und dem Gegenstand des Auftrages; d.h. konkret: der Qualität der Arbeit.

Die Vergabestelle (VSt) hat im offenen Verfahren Entsorgungsdienstleistungen ausgeschrieben. Als Zuschlagskriterien sollten neben quantitativen auch qualitative Kriterien gelten. Eines der qualitativen Kriterien war die Zahlung von BDE-Tariflöhnen.

Nach erfolgloser Rüge hat die Antragstellerin (ASt) noch vor Angebotsabgabe wegen drohender Rügepräklusion ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet mit dem Ziel, dass das Zuschlagskriterium der tariflichen Entlohnung ersatzlos entfällt. Die VSt setzte trotz Nachprüfungsverfahren das Vergabeverfahren nicht aus und eröffnete die Angebote. Nachdem der ASt im Nachprüfungsverfahren mitgeteilt wurde, dass diese auch bei Wegfall des Zuschlagskriteriums der tariflichen Entlohnung im Vergabeverfahren auf einem abgeschlagenen Platz liegt, hat die ASt den Nachprüfungsantrag zurückgenommen. In der von der Vergabekammer zu treffenden Kostenentscheidung hat diese in der Sache Stellung genommen und die Gebühren der VSt auferlegt.

Der VSt waren die Gebühren aufzuerlegen, weil diese die Frage der Entlohnung nach BDE-Tarif vergaberechtswidrig als Zuschlagskriterium herangezogen und damit die Antragstellung verschuldet hat. Bei der Berücksichtigung der Zahlung von BDE-Tariflöhnen als Zuschlagskriterium handelt es sich um kein durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigtes Kriterium im Sinne des § 25 a Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A. Zutreffend ist zwar, dass nicht jedes Zuschlagskriterium, das der Auftraggeber zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes heranzieht, notwendigerweise rein „wirtschaftlicher“ Art sein muss. Voraussetzung bleibt aber, dass die gewählten Zuschlagskriterien in sachlichem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Auftrags stehen müssen (EuGH, Urteil v. 17.09.2002 – C-513/99).

Ein sachlicher Zusammenhang besteht nicht in einer Verbindung zwischen der Entlohnung von Mitarbeitern und der Qualität ihrer Arbeit. Für die Qualität geleisteter Arbeit mag zwar die Motivation der einzelnen Mitarbeiter eine Rolle spielen. Einfluss auf die Motivation eines Mitarbeiters nehmen jedoch neben der Höhe der Entlohnung ganz andere Faktoren wie etwa das Betriebsklima und die Freude an der Arbeit. Zudem stellt die VSt im Rahmen der Qualität der Mitarbeiter in unzutreffender Weise und ohne Unterscheidung der einzelnen Aufgabenbereiche auf die Kundenzufriedenheit ab. Ein vermeintlicher Zusammenhang zwischen BDE-Tarifen und Qualität der Arbeit kann allenfalls für diejenigen Mitarbeiter bestehen, die direkt „an der Front“, also im kundenbezogenen Bereich zum Einsatz kommen, nicht hingegen zum Beispiel für Mitarbeiter in der Buchhaltung oder im Sekretariat der Unternehmen der Bietern. Die VSt hat jedoch im Rahmen des Zuschlagskriteriums auf die Entlohnung „der Mitarbeiter“ abgestellt. Auszugehen ist, dass die Forderung nach Entlohnung nach Tariflöhnen im Rahmen der Zuschlagskriterien politisch motiviert war.

Praxishinweis

Die Zulässigkeit von so genannten Tariftreueerklärungen oder einer Erklärung über die Einhaltung von Mindestlöhnen war im Rahmen der Eignung bzw. bei Mindestanforderungen schon vielfach Gegenstand von Entscheidungen. Zulässig sollen diese vergabefremden Kriterien nur dann sein, wenn sie unmittelbar in einem formellen Bundes- oder Landesgesetz getroffen werden (zuletzt OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.7.2009 – Verg 18/09). Ausreichend soll hierbei auch nicht ein Verweis im AEnTG sein, wonach ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird oder eine Rechtsverordnung vom Bundesarbeitsministerium erlassen wird (VK Münster, Beschluss vom 26.08.2009 – VK 11/09; a.A. 3. VK Bund, Beschluss v. 09.09.2009 – VK 3-163/09).

Mit der Entscheidung der VK Schleswig-Holstein ist erstmals die Zulässigkeit der tariflichen Entlohnung im Zusammenhang mit Zuschlagskriterien erörtert und unabhängig von einer gesetzlichen Grundlage für unzulässig erachtet worden.

Zum Autor:

Lueck Dr. Dominik R. Lück  ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts.

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Über Dr. Dominik R. Lück

Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts.

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