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Studie: Der öffentliche Einkauf auf dem Weg zu einem strategischen Einkauf? Ist-Zustand und Entwicklungsmöglichkeiten

Simon Bannenberg hatte, basierend auf den Modellen des strategischen Einkaufs privater Unternehmen, Vorschläge für einen strategischen öffentlichen Einkauf entwickelt (s. den Beitrag im Vergabeblog). Zusammen mit Roman Schmidt, Elke Schulz und Katrin Seeger haben diese darauf aufbauend an der Hochschule für Oekonomie und Management (FOM) untersucht, wie diese Vorschläge von der öffentlichen Verwaltung bewertet und ob sie dort ggfs. schon umgesetzt werden. Hierzu wurde ein Onlinefragebogen an Bundesbehörden sowie Kommunalbehörden aus Baden-Württemberg und Bayern verschickt. Von 572 angefragten Behörden konnten – immerhin – 66 valide Antworten ausgewertet werden.

Kaum strategischer Einkauf

Der Fragebogen bestand aus 39 Fragen. Dabei sollte zum einen jedes von den Autoren vorgeschlagene Instrument – insgesamt sechs – hinsichtlich seiner Bedeutung für einen strategischen Einkauf mit mit 0 bis 6 Punkten bewertet werden. Neben dieser grundsätzlichen Bewertung sollte zudem die Geeignetheit und Umsetzbarkeit des Instruments in der jeweils eigenen Behörde beurteilt werden.

Zudem wurde untersucht, ob und wenn ja inwieweit, der jeweilige Vorschlag dort bereits umgesetzt ist. Die Auswertung erfolgte grafisch, u.a. mit dem sog. Scoringmodell. Damit wird untersucht, wie stark jedes der vorgeschlagenen Instrumente bereits in einer bestimmten Behördenkategorie zur Anwendung kommt.

Nachfolgende sechs von den Autoren der Studie vorgeschlagenen Instrumente für einen strategischen öffentlichen Einkauf wurden dabei wie folgt bewertet:

1. Beschaffungsstelle als Prozesseigner

Die Antworten der befragten Behörden zeigen demgegenüber zwar eine grundsätzlich positive Einstellung. Allerdings wurde die Eignung und Umsetzbarkeit dieses Elements in der eigenen Behörde überwiegend negativ beantwortet. “Dieser Gegensatz könnte auf negative eigene Erfahrungen zurück zu führen sein, welche in dem Fragebogen allerdings nicht explizit abgefragt wurden”, so Bannenberg.

2. Optimierung der Leistungsbeschreibung

Auch dieses Element wurde positiv im Hinblick auf einen stärkeren strategischen Einkauf bewertet. Interessant: Gleichzeitig wird die Umsetzbarkeit in der eigenen Behörde in nahezu gleichem Umfang bezweifelt. Die Scoring-Werte des Elements bestätigen dies, das Element findet tatsächlich bislang kaum Anwendung.

3. „Zentralisierung“ der öffentlichen Beschaffung

Dieser Vorschlag fand überwiegend große Zustimmung. Besonders Bundesbehörden mit mehr als 1.000 Mitarbeitern bewerteten dieses Element als bedeutsam. Bei diesen war aber auch festzustellen, dass sie die “Umsetzbarkeit” zu etwa gleichen Teilen in Zweifel zogen. Da das Scoringmodell erwartungsgemäß in diesem Punkt bei den Bundesbehörden den höchsten Wert (Hinweis auf eine große tatsächliche Nutzung) aufwies, mag dies mit eigenen negativen Erfahrungen zusammenhängen, so die Autoren der Studie. Andere Behörden, die dieses Element grundsätzlich negativ bewertet haben, hielten es zudem auch für ungeeignet für ihre Behörde.

4. Balanced Scorecard und Benchmarking

Dieses Element wurde hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung für einen strategischen öffentlichen Einkauf signifikant oft mit der Aussage “keine Ahnung” bewertet. Dies mag, so Bannenberg, auf fehlende Fachkenntnisse hinsichtlich dieser Steuerungsmechanismen zurück zu führen sein. Dem entsprechend wurde der Vorschlag regelmäßig auch nicht für umsetzbar in der eigenen Behörde gehalten.

5. Digitale Prozessoptimierung/ eVergabe

Alle Behörden bewerteten dieses Element positiv. Gleichwohl gab es eine hohe Anzahl negativer Antworten hinsichtlich der Einschätzung nach Eignung und Umsetzbarkeit in der eigenen Behörde, besonders bei den kommunalen Behörden mit weniger als 500 Mitarbeitern. Anders hingegen Bundesbehörden mit mehr als 1.000 Mitarbeitern: Sie bewerteten dieses Element nicht nur grundsätzlich positiv, sondern auch als geeignet und umsetzbar. Die Bewertung im Scoringmodell weist behördenübergreifend auf eine geringe Nutzung von speziellen Vergabesoftwarelösungen (eVergabe) hin.

6. Relationale Lieferantenbeziehungen

Auch bei diesem Vorschlag gab es eine signifikant hohe Anzahl an Antworten der Kategorie „keine Ahnung“. Hierfür könnten nach Ansicht der Autoren der Studie negative Erfahrungen mit bestehenden langfristigen Verträgen die Ursache sein.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse der Umfrage sind ambivalent: “Keine der befragten Behörden weist einen strategischen Einkauf im Sinne aller untersuchten Definition auf”, so die Autoren. “Die sechs von uns abgefragten Elemente sind in den wenigsten Fällen implementiert. Gleichwohl sehen die meisten Behörden darin aber eine Chance für eine Effektivitäts- und Effizienzsteigerung ihrer Beschaffung.” Lediglich der Beschaffungsprozess der meisten Bundesbehörden erfülle die Hälfte der genannten Anforderungen an eine strategische Öffentliche Beschaffung, so Bannenberg.

In Bezug auf die einzelnen Vorschläge ist festzuhalten, dass die Elemente „Balanced Scorecard und Benchmarking“ sowie „Relationale Lieferantenbeziehungen“ als nicht bedeutsam und zudem als schlecht umsetzbar angesehen werden. Sie spielen demnach in den Augen der Befragten keine Rolle für einen strategischen öffentlichen Einkauf.

Ausblick

Basierend auf der Untersuchung machen die Autoren folgende weitergehenden Vorschläge für die Entwicklung der strategischen öffentlichen Beschaffung:

1. Weitere Untersuchungen/Befragungen von Behörden (insbesondere Kommunalbehörden anderer Bundesländer sowie Landesbehörden) sind notwendig, um eine breitere Datenbasis für die Einschätzung des strategischen Beschaffungsprozesses im öffentlichen Bereich zu erhalten.

2. Vier der sechs Vorschläge wurden als wichtige Instrumente für eine strategische Öffentliche Beschaffung angesehen. Dies sind: „Beschaffungsstelle als Prozesseigner“, „Optimierung der Leistungsbeschreibung“, „‘Zentralisierung‘ der öffentlichen Beschaffung“ und „Digitale Prozessoptimierung“. Es sollte untersucht werden, ob die anderen beiden Vorschläge wirklich so unbedeutend oder (bisher) nur unbekannt sind und warum teilweise bereits umgesetzte Elemente als negativ bewertet wurden (z.B. aufgrund schlechter Erfahrungen?).

3. Beschaffungsstellen, Politiker und andere Verantwortliche sollten überzeugt werden, dass ein strategischer Beschaffungsprozess im öffentlichen Bereich die Effektivität und Effizienz ihres Einkaufs steigert und darüber hinaus (Steuer-)Gelder spart.

Die Arbeit wurde in Englisch verfasst und kann hier kostenfrei (komplett mit Grafiken und Anhängen) heruntergeladen werden (Achtung: Sehr große Dateigröße, lange Ladezeit).

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