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Umweltplakette ist kein Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit sondern zusätzliche Anforderung an die Leistungsdurchführung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.05.2014 – VII-Verg 46/13)

EntscheidungDie Forderung nach umweltbezogenen Kriterien in Vergabeverfahren ist nicht nur im Oberschwellenbereich durch § 4 Abs.4 bis 10 VgV, sondern auch durch zahlreiche Landestariftreuegesetze in der Unterschwelle verankert worden. In der vorliegenden Entscheidung setzt sich das OLG Düsseldorf vor diesem Hintergrund mit der Frage nach der Forderung einer grünen Umweltplakette für Abschleppfahrzeuge auseinander.

§ 97 Abs. 4 GWB, § 7 Abs.3 EG VOL/A § 9 Abs.4 EG VOL/A, § 19 Abs. 3 lit. A) EG VOL/A

Leitsatz

  1. Anforderungen an die fachliche und technische Leistungsfähigkeit dürfen nur durch Bezugnahme auf die in der Vergabeordnung und den in den EU-Richtlinien aufgeführten Nachweise festgelegt werden.
  2. Die Forderung nach einer Umweltplakette ist kein Nachweis der fachlichen und technischen Leistungsfähigkeit, sondern eine zusätzliche Anforderung an die Leistungsdurchführung
  3. Das deutsche und das unionsrechtliche Vergaberecht erlauben keine präventive Kontrolle durch den Auftraggeber darüber, ob Bieter zusätzliche Anforderungen an die Ausführung einhalten können oder dies wahrscheinlich tun werden.

Sachverhalt

Eine Gemeinde im Rheinland schrieb Abschleppleistungen als Rahmenvertrag aus. Die Lose waren auf die einzelnen Stadtviertel und -typisch Rheinland- die Zeit des Karnevals aufgeteilt.

In der Vergabebekanntmachung verlangte der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der technischen Leistungsfähigkeit den Nachweis einer grünen Umweltplakette für die Abschleppwagen. Dazu sollten die Bieter eine Kopie des Fahrzeugscheins bzw. einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung vorlegen.

Diese Anforderung wurde in der Leistungsbeschreibung und der Angebotsaufforderung wiederholt.

Die Antragstellerin reichte die geforderten Nachweise nicht ein und wurde nach erfolgloser Nachforderung wegen mangelnder technischer Leistungsfähigkeit vom Verfahren ausgeschlossen.

Dagegen wandte die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren vor der VK Köln. Sie trug u.a. vor, dass der öffentliche Auftraggeber einen Nachweis über eine grüne Umweltplakette im Rahmen der technischen Leistungsfähigkeit nicht verlangen dürfte. Insbesondere könne nicht verlangt werden, dass der Bieter schon vor der Zuschlagserteilung über die erforderlichen Wagen (und damit die entsprechenden Nachweise) verfüge. Ein Nachweis über die Erteilung der grünen Umweltplakette dürfe daher vor Zuschlagserteilung nicht verlangt werden.

Vor der Vergabekammer Köln hatte die Antragstellerin bereits mit dieser Argumentation obsiegt und erreicht, dass das Verfahren in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurück versetzt werden sollte.

Die Entscheidung

Zurecht, befand auch das OLG Düsseldorf. Zwar schränkte sie die Rückversetzung des Verfahrens auf die Lose ein, auf die sich die Antragstellerin auch beworben hatte, folgte aber sonst der grundlegenden Argumentationslinie der Antragstellerin.

Die zur Bestätigung der technischen Leistungsfähigkeit zulässigen Nachweise sind in § 7 Abs.3 VOL/A-EG, Art. 48 Abs.2 der Richtlinie 2004/18/EG und Art. 60 Abs.4 der Richtlinie 2014/24/EG und Anhang XII, Teil II abschließend aufgezählt. Anforderungen die Umweltverträglichkeit der eingesetzten Fahrzeuge zählen nicht dazu. Daher stellt die Forderung nach einer grünen Umweltplakette im Rahmen der technischen Leistungsfähigkeit eine vergaberechtswidrige Anforderung an den Bieter.

Allerdings hat hier der öffentliche Auftraggeber mit der Wiederholung der o.g. Anforderungen im Rahmen der Leistungsbeschreibung keine Anforderung an die technische Leistungsfähigkeit, sondern eine (grundsätzlich zulässige) Anforderung an die Ausführung der Leistungsdurchführung gestellt.

Das Vergabeverfahren konnte indes dadurch dennoch nicht gerettet werden, da die Forderung eines Nachweises vor Zuschlagserteilung nach Ansicht des OLG Düsseldorf eine unangemessene Eignungsanforderung darstellt. Der öffentliche Auftraggeber sei lediglich berechtigt, die Einhaltung zusätzlicher Anforderungen während der Auftragsdurchführung zu überprüfen. Eine präventive Kontrolle hingegen sei unzulässig. Allerdings kann der öffentliche Auftraggeber die Abgabe entsprechender Verpflichtungserklärungen hinsichtlich der ausschließlichen Verwendung von Fahrzeugen mit im Vergabeverfahren verlangen, um so die Einhaltung seiner Vorgaben sicher zu

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist konsequent im Hinblick auf die Anforderungen, die an die von Bietern einzureichenden Leistungsnachweise gestellt werden dürfen. Die Forderung nach einer grünen Umweltplakette für Abschleppfahrzeuge stellt keinen Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit dar, sondern eine zusätzliche Anforderung an die Leistungsdurchführung. Das OLG Düsseldorf knüpft damit seine Entscheidung zu den durch das TVgG NRW vorgegebenen Verpflichtungserklärung zu den ILO-Kernarbeitsnormen an. Auch dort hatte es entschieden, dass es sich bei der Forderung nach der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen um zusätzliche Anforderungen an die Leistungsdurchführung handelt und nicht etwa um einen Eignungsnachweis (OLG Düsseldorf Beschluss vom 29.01.2014, Besprechung von Dr. Fandrey hier im Vergabeblog).

Allerdings kann der öffentliche Auftraggeber nicht verlangen, dass der Bieter bereits vor der Zuschlagserteilung über die entsprechenden Fahrzeuge verfügt, er ist insoweit auf die Anforderungen entsprechender Verpflichtungserklärungen beschränkt.

Praxistipp

Öffentliche Auftraggeber sind vor dem Hintergrund dieser Entscheidung gehalten, ihre Vergabeunterlagen darauf zu überprüfen, ob die darin gestellten Anforderungen an die Bieter den richtigen Nachweispflichten und Möglichkeiten zugeordnet sind, da bereits eine falsche Zuordnung einer an sich zulässige Anforderung vergaberechtwidrig sein kann.

Hinsichtlich der Forderung von Nachweisen sollte zudem darauf geachtet werden, dass diese keine unzulässigen Leistungen des Bieters vor Zuschlagserteilung verlangen. Im Zweifel sollte in diesem Rahmen der Abforderung einer Verpflichtungserklärung der Vorzug gegeben werden.

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Über André Siedenberg

André Siedenberg ist Berater bei der Kommunal Agentur NRW und Rechtsanwalt in Düsseldorf. In dieser Funktion unterstützt er öffentliche Auftraggeber und NGO’s bei verschiedenen vergaberechtlichen Fragestellungen. Nach seinem Referendariat in Würzburg war er zunächst im Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen im Referat für Vergaberecht beschäftigt.

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