Vergabeblog

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1. Deutscher Vergabetag 2014: „Keine Angst vorm wettbewerblichen Dialog!“

Am 23. Oktober 2014 findet in Berlin der 1. Deutsche Vergabetag 2014 des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) statt. In insgesamt acht Workshops werden relevante und aktuelle Beschaffungsthemen durch namhafte Experten aufbereitet und Hilfestellungen für die Beschaffungspraxis gegeben. Im Vorfeld des Kongresses möchten wir Ihnen die Workshops vorstellen. Heute der Workshop: “Keine Angst vorm wettbewerblichen Dialog!”.

Bereits mit der Vergabekoordinierungsrichtlinie von 2004 wurde der wettbewerbliche Dialog als neue Verfahrensart eingeführt. Zehn Jahre danach hört man darüber noch immer Sätze wie „findet praktisch keine Anwendung“. Sogar Aussagen wie „ist nicht anzuraten“ gibt es. Dabei bietet der wettbewerbliche Dialog durchaus Vorteile gegenüber den anderen Verfahrensarten. Grund für die allgemeine Zurückhaltung bei der Wahl des wettbewerblichen Dialogs kann nur Unsicherheit sein. Sind die Voraussetzungen für die Anwendung des wettbewerblichen Dialogs erfüllt? Was ist im Verfahren erlaubt, was nicht?

Etwaige Bedenken bestehen jedoch zu Unrecht. Letzte Unsicherheiten dürfte die neue Vergaberichtlinie von 2014 beseitigen, die den Anwendungsbereich von wettbewerblichem Dialog und Verhandlungsverfahren gleichstellt. Damit gewinnt der wettbewerbliche Dialog weiter an Bedeutung.

Vorteile des wettbewerblichen Dialogs

Der Vorteil des wettbewerblichen Dialogs besteht insbesondere darin, dass der Auftraggeber den Beschaffungsvorgang ergebnisoffen angehen kann und die Unternehmen ihrerseits eigene Ideen einbringen und (im Fall der Auftragserteilung) selbst realisieren können.

Üblicherweise hat der Auftraggeber Vergabereife soweit herzustellen, dass eine bestimmte Leistung ausgeschrieben werden kann. Dies gilt streng im offenen und nicht offenen Verfahren. Aber selbst im Verhandlungsverfahren darf sich der wesentliche Gegenstand der Beschaffung nicht ändern. Kennt der Auftraggeber die Lösung für seinen Bedarf noch nicht genau genug, muss er daher zwecks Entscheidungsfindung bereits vor Erteilung des eigentlichen öffentlichen Auftrags einen gesonderten Auftrag erteilen (und gegebenenfalls ausschreiben). Dabei kann es sich bei Bauaufträgen und anderen immobilienbezogenen Geschäften um eine Machbarkeitsstudie oder einen Architektenwettbewerb handeln. Bei Dienstleistungen und Lieferleistungen können je nach dem Gegenstand der Beschaffung spezifische Beratungsleistungen in Anspruch genommen werden.

Dies erspart sich der Auftraggeber beim wettbewerblichen Dialog. Sofern ihm die Beschreibung des Auftragsgegenstands objektiv unmöglich ist, kann er die Ideen der Unternehmen ins Verfahren miteinbeziehen. Oder, wie es Erwägungsgrund 42 der neuen Vergaberichtlinie von 2014 zutreffend ausdrückt: „Der wettbewerbliche Dialog hat sich in Fällen als nützlich erwiesen, in denen öffentliche Auftraggeber nicht in der Lage sind, die Mittel zur Befriedigung ihres Bedarfs zu definieren oder zu beurteilen, was der Markt an technischen, finanziellen oder rechtlichen Lösungen zu bieten hat.“ Für die Unternehmen besteht der Vorteil, dass sie ihren Lösungsvorschlag selbst realisieren dürfen. Gerade Investoren, die oftmals Teilnehmer im wettbewerblichen Dialog sind, werden ihre guten und praktikablen Ideen verständlicherweise nur dann preisgeben, wenn sie auch im Zuge der Realisierung davon profitieren können, statt dies einem anderen zu überlassen.

Neudeutsch eine win-win-Situation also: Der Auftraggeber kauft eine praktikable Leistung aus einer Hand ein, die Unternehmen können ihre Vorstellungen und ihr Know-how einbringen.

Anwendungsbereich

Zweifel bezüglich des Anwendungsbereichs des wettbewerblichen Dialogs bestehen bei näherem Hinsehen nicht. Nach § 101 Abs. 4 GWB ist der wettbewerbliche Dialog ein Verfahren zur Vergabe besonders komplexer Aufträge. Wie die zugrundeliegende Vergabekoordinierungsrichtlinie zeigt, sind die in der VOB/A-EG und der VOL/A-EG genannten Anwendungskriterien weit auszulegen.

Nach der neuen Vergaberichtlinie von 2014, die in Deutschland bis spätestens Anfang 2016 umzusetzen ist, gelten sogar deutlich erleichterte Anwendungsvoraussetzungen für den wettbewerblichen Dialog. Zudem kann der Auftraggeber bei Vorliegen der Voraussetzungen frei wählen, ob er ein Verhandlungsverfahren oder einen wettbewerblichen Dialog durchführt. Es ist davon auszugehen, dass die neue Richtlinie bereits heute bei der Auslegung des Anwendungsbereichs des wettbewerblichen Dialogs eine gewisse Ausstrahlungswirkung hat.

Im Workshopleiterinnen werden erörtern, bei welchen Fallgestaltungen der wettbewerbliche Dialog anwendbar ist.

Verfahrensablauf

Der wettbewerbliche Dialog bietet ein strukturiertes Verfahren, das mehr Freiheiten als die „herkömmlichen“ Verfahrensarten bietet.

Am Anfang steht der Teilnahmewettbewerb, in dem die Dialogteilnehmer nach ihrer Eignung ausgewählt werden. Er entspricht im Wesentlichen dem aus anderen Verfahrensarten bekannten Teilnahmewettbewerb.

Es folgt die Dialogphase, in deren Gestaltung der Auftraggeber weitgehend frei ist. Üblicherweise werden mehrere Dialogrunden durchgeführt, in denen die Teilnehmer zunächst einen schriftlichen Dialogbeitrag einreichen, der dann in Dialoggesprächen erörtert wird. Von Dialogrunde zu Dialogrunde kann der Auftraggeber – ausgehend von der noch offenen Formulierung seines Bedarfs – nach und nach eingrenzen, was er beschaffen will. Die Unternehmen haben ihrerseits Gelegenheit, eigene Lösungsvorschläge zu machen. Eine sukzessive Beschränkung der Lösungen kann, muss aber nicht erfolgen.

Sobald eine Lösung gefunden wurde, folgt zum Abschluss die Angebotsphase.

Den Ablauf des wettbewerblichen Dialogs und was dabei auf Auftraggeber- und auf Unternehmensseite zu beachten ist, wird im Workshop dargestellt.

Fazit und Einladung

Also: Kein Grund zur Angst vorm wettbewerblichen Dialog!

All Ihre Fragen werden in dem Workshop am 23.10.2014 gerne von Frau Dr. Jenny Mehlitz (GSK Stockmann + Kollegen) und Frau Dr. Rebecca Prelle (Berliner Stadtreinigungsbetriebe) beantwortet. Der Workshop richtet sich gleichermaßen an öffentliche Auftraggeber und an Unternehmen.

Das vollständige Programm und die Anmeldemöglichkeit zum 1. Deutschen Vergabetag finden Sie hier.

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