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Leitfaden zur Beschaffung von Standardsoftware durch öffentliche Auftraggeber unter besonderer Berücksichtigung von Gebrauchtsoftware (Teil 2)

In dem ersten Teil dieses Beitrags hat unser langjähriger Autor Dr. Roderic Ortner den Lesern einen ersten Einblick in den von ihm erstellten Leitfaden zum Erwerb von Standardsoftware durch öffentliche Auftraggeber gewährt. Den Leitfaden können Sie über den Vergabeblog hier herunterladen.  In diesem zweiten Teil wird Dr. Ortner nun kurz auf die Vertragsbedingungen, die Eignungskriterien sowie die verschiedenen zulässigen Vergabeverfahren eingehen.

 

Die Vertragsbedingungen

Neben den Bewerbungsbedingungen und der Aufforderung zur Angebotsabgabe sind auch die Vertragsbedingungen ein essentieller Bestandteil der Vergabeunterlagen, denen diese als separates Dokument beizufügen sind. Auf Bundesebene und in den meisten Bundesländern ist neben der in der Regel in den Vertrag einzubeziehende VOL/B auch die EVB-IT Überlassung (Typ A) in Verträge über den Erwerb von Standardsoftware einzubeziehen. Auch die Überlassung-AGB finden in diesen Fällen Geltung. Anpassungen der vorformulierten EVB-IT Formulare sind möglich und sollten kenntlich gemacht werden. Auch dazu bietet der Leitfaden genaue Hinweise und Formulierungsvorschläge.

Eine erhebliche Falle besteht für den öffentliche Auftraggeber im Bezug auf die EVB-IT darin, dass er diese zu spät, d.h. erst nach dem Zuschlag, aufsetzt und abschließt. Ein derartiges Vorgehen verstößt jedoch gegen den Transparenz- und den Wettbewerbsgrundsatz ebenso wie das nachträgliche Verhandlungsverbot. Daher sollte der öffentliche Auftraggeber sich vorab auch eingehend mit den Vertragsbedingungen auseinandersetzen und determinieren, ob und wie er diese an sein spezielles Vorhaben eventuell anpassen will.

Zuschlagskriterien bei Standardsoftware

Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Welches Angebot das wirtschaftlichste ist, bestimmt sich auf Grundlage der vom öffentlichen Auftraggeber festzulegenden Zuschlagskriterien. Anhand dieser Kriterien wird das beste Preis-Leistungs-Verhältnis ermittelt. Neben dem Preis der Leistung können weitere rein leistungsbezogene Kriterien in die Bewertung der Angebote einbezogen werden, so z.B. die Kosten, die Liefer- und Ausführungsfristen sowie umweltbezogene, qualitative oder soziale Aspekte. Auch hier ist zu beachten, dass alle Kriterien und deren Gewichtung spätestens in den Vergabeunterlagen aufzuführen sind. Die Praxis ist mit solchen komplexen Kriterienkatalogen aber häufig überfordert und/oder hat schlicht das Budget nicht, so dass sie sich bei Standardsoftware in der Regel auf den Preis beschränkt. Zumindest bzgl. der Frage der Nutzungsrechte ist das aber ein Fehler, da auch Anbieter von Gebrauchssoftware grundsätzlich zugelassen sein müssen. Dann aber ist für die Rechtsicherheit des später ausgelebten Vertrages äußerst wichtig, dass man sich als Auftraggeber die lückenlose Rechtekette bei angebotener Gebrauchssoftware darlegen lässt. Hier ist zu empfehlen, ein entsprechendes Zuschlagskriterium vorzusehen. Auch diesbezüglich enthält der Leitfaden praktische Tipps und Formulierungshilfen und anschauliche Beispiele, wie die EVB-IT Vorlagen vorausgefüllt werden können, bevor sie den Vergabeunterlagen beigefügt werden.

Das zulässige Vergabeverfahren

Es handelt sich bei dem Erwerb von Standardsoftware um einen Lieferauftrag, der, da er in den Anwendungsbereich des 4. Teils des GWB fällt, nach Wahl des öffentlichen Auftraggebers in einem offenen oder nicht offenen Verfahren vergeben werden kann.

Anders als beim Zukauf von bereits vorhandenen Lizenzen ist für die Erstbeschaffung von Standardsoftware kein direkter Erwerb vom Vorlieferanten denkbar. Bei unterschwelligen Verfahren sind die unterschiedlichen nationalen Vergabeverfahren zulässig, während bei allen Aufträgen, die die gesetzlichen Schwellenwerte übersteigen, allein die öffentliche Ausschreibung zulässig ist.

Für diese und weitere Problemstellung bietet das von Dr. Ortner zusammengestellte Dokument Lösungsansätze. Der Leitfaden schließt nach diesen ausführlichen Tipps und Tricks bezüglich der einzelnen Punkte des Verfahrens mit eine Checkliste, die aus den wichtigen Fragen besteht, die sich jeder öffentliche Auftraggeber vor der Zusammenstellung der Vergabeunterlagen stellen sollte.

Praxistipp: Nachweis der Rechtekette beim Kauf von Gebrauchtsoftware

Öffentlichen Auftraggebern ist zu empfehlen, als Zuschlagskriterium Folgendes festzulegen:
„Zuschlagskriterium: Beleg der Erschöpfung des Verbreitungsrechts. Sollte ein Angebot über eine Gebrauchtsoftware nach Wertung in die engere Zuschlagswahl gelangen, so wird der öffentliche Auftraggeber den betreffenden Bieter noch vor Zuschlagserteilung auffordern darzulegen, dass sich das Verbreitungsrecht an der angebotenen Software erschöpft hat. Hierzu sind folgende Erklärungen und Unterlagen vorzulegen¹:

  1. Den Namen des Ersterwerbers sowie die Namen aller nachfolgenden Erwerber, („Rechtekette“) unter Offenlegung der zugrundeliegenden Lizenzvertragsnummern,
  2. Belege über die Unbrauchbarmachung aller Kopien der Software beim Ersterwerber und aller nachfolgenden Erwerber,
  3. Vorlage mindestens der Produktnutzungsrechte zwischen dem Rechtsinhaber und dem Ersterwerber,
  4. Bestätigung, dass Verbesserungen und Aktualisierungen von einem zwischen dem Urheberrechtsinhaber und dem Ersterwerber abgeschlossenen Vertrag gedeckt sind,
  5. Nachweis, dass die Softwarelizenzen in der EU bzw. einem Staat des EWR in Verkehr gebracht, wurden,
  6. Erklärung, dass der Bieter im Fall der Bezuschlagung vor Überlassung der Software sämtliche bei ihm verbliebenen Kopien unbrauchbar macht.

Sollte dem Bieter die Darlegung misslingen, so ist sein Angebot zwingend auszuschließen.“


Hinweis der Redaktion:
Der Autor, Herr Rechtsanwalt Dr. Ortner, wird beim 2. IT-Vergabetag, bei dem die Beschaffung von IT-Leistungen im Vordergrund steht, den Workshop: „Festlegung und Bewertung qualitativer Wertungskriterien bei IT-Vergaben“ durchführen. Informationen sowie eine Anmeldemöglichkeit zum 2. IT-Vergabetag am 6. April 2017 in Berlin finden Sie unter www.it-vergabetag.de.


¹Diese Pflicht verstößt nicht gegen den Nichtdiskriminierungsgrundsatz, da hier ein sachlicher Grund vorliegt. Sie verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Eigenerklärung, da dieser bei der Eignung greift und nicht wie hier auf Zuschlagsebene. Eine Rügepflicht gemäß § 377 HGB bezüglich der Unterlagen besteht nicht, dies würde die Rügepflicht des § 377 HGB überstrapazieren (a.A. Kubach/Hunzinger, CR 2016, 213, 215). Unabhängig davon handelt es sich bei Geschäften mit öffentlichen Auftraggebern in aller Regel ohnehin nicht um Handelsgeschäfte. Vorsichtshalber könnte der öffentliche Auftraggeber die Prüfpflicht in den Vertragsunterlagen abbedingen.

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Über Dr. Roderic Ortner

Roderic Ortner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht sowie Fachanwalt für IT-Recht. Er ist Partner in der Sozietät BHO Legal in Köln und München. Roderic Ortner ist spezialisiert auf das Vergabe-, IT und Beihilferecht und berät hierin die Auftraggeber- und Bieterseite. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Vergabe- und IT-Recht und hat bereits eine Vielzahl von Schulungen durchgeführt.

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