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Angebotsausschluss wegen fehlender wesentlicher Preisangaben (OLG München, Beschl. v. 07.11.2017, Verg 8/17)

RechtPreise im Vergabeverfahren sind, wie vom öffentlichen Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen gefordert, anzugeben. Im Falle von fehlenden Preisangaben besteht für den Bieter das Risiko eines Ausschlusses nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV, sofern es sich bei der fehlenden Preisangabe um wesentliche Preisposition handelt. Das OLG München unterstreicht im vorliegenden Fall nochmals, dass eine Entscheidung über das Fehlen einer wesentlichen Preisangabe und den Ausschluss vom Vergabeverfahren nicht schematisch, sondern unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der Art der jeweiligen Preisposition und ihrer konkreten Bedeutung für die jeweilige Ausschreibung erfolgen soll.

§ 57 Abs. 7 Satz 2, § 56 Abs. 3, 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV

Leitsatz

  1. Der öffentliche Auftraggeber kann Bieterfragen und die Antworten hierauf allen interessierten Unternehmen auch über seine Internetseite zur Verfügung stellen, wenn er dies zuvor bekannt gemacht hat.
  2. Ein Angebot ist zwingend auszuschließen, wenn eine wesentliche Preisangabe fehlt, wobei es auf die wettbewerbliche Relevanz der fehlenden Preisangabe nicht ankommt.
  3. Über die Wesentlichkeit ist aufgrund des fraglichen Leistungsgegenstands und seiner Bedeutung, seines wertmäßigen Anteils für die Gesamtleistung sowie für den Gesamtpreis im Einzelfall zu entscheiden.

Sachverhalt

Im Vergabeverfahren ausgeschrieben waren linienweise aufgeteilte Schülerbeförderungsleistungen in fünf Losen. Zu den einzelnen Linien waren die Bieter aufgefordert ihre Preise pro Beförderungskilometer anzugeben (Preis/km). Die Preise waren für jede ausgeschriebene Linie so anzugeben, dass der Kilometerpreis den Preis für den unbegleiteten und begleiteten Transport der Schüler ausweist. Der Auftraggeber erwartete einen Anstieg der Schülerzahlen, wodurch losweise ein Bedarf an begleiteten Transporten erwartet wurde.

Der Bieter trägt für das Los 2 nur den Preis für unbegleitete Fahrten ein. Preisangaben für begleitete Fahrten macht er nicht. Sein Angebot wird wegen fehlender Preisangaben ausgeschlossen. Hiergegen wendet er sich im Wege des Nachprüfungsantrags, in dem er vorträgt, die Preisangabe für begleitete Fahrten sei nicht wirksam gefordert worden und sofern gleichwohl eine wirksame Forderung vorliegen sollte, könne der Auftraggeber aus den übrigen Angaben des Bieters (insbesondere Personalkosten) den Preis für begleitete Fahrten selbst errechnen. Nach Auffassung des Bieters ist daher die fehlende Preisangabe nicht wesentlich und der Ausschluss vergaberechtswidrig.

Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag ist erfolglos. Der Bieter habe in seinem Angebot die erforderliche Preisangabe nicht gemacht, sodass sein Angebot nach § 57 Abs. 1 Nr. 5, § 56 Abs. 3 Satz 1, § 53 Abs. 7 Satz 2 VgV zwingend auszuschließen sei.

1. Eine Ergänzung der fehlenden Preisangabe sei dem öffentlichen Auftraggeber nicht möglich gewesen, weil der Kilometerpreis für begleitete Fahrten nicht ohne Weiteres aus den Personalkosten des Bieters habe errechnet werden könne. Dies insbesondere deswegen, weil es den Bietern freistehe, ihre Personalkosten in unternehmerischer Eigenverantwortung für selbst festzulegen, indem sie bestimmen, ob sie für das in den Losen jeweils eingesetzte Personal den Mindestlohn oder eine höhere Vergütung zahlen wollen. Dem öffentlichen Auftraggeber steht es nicht zu, diese unternehmerische Entscheidung des Bieters durch eigene Preisberechnungen zu ersetzen.

2. Eine Nachforderung der fehlenden Preisangabe für begleitete Fahrten scheide ebenfalls aus, da die Preisangabe wesentlich im Sinne von § 56 Abs. 3 Satz 2 und § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV sei. Ob eine Preisposition wesentlich im Sinne dieser Vorschriften sei, bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Beachtung des jeweiligen Leistungsgegenstands, seiner Bedeutung, und seines wertmäßigen Anteils für die Gesamtleistung sowie für den Gesamtpreis im Einzelfall.

Das OLG München geht von der Wesentlichkeit der Preisposition aus, da der Preis für die begleiteten Fahrten als eine von insgesamt 10 Einzelpositionen in den Gesamtpreis einfließe, wobei eine Gewichtung der Einzelpositionen nicht stattfinde. Der Gesamtpreis sei der Durchschnittspreis aller 10 Einzelpositionen. Im Ergebnis bedeute das, dass die fehlende Position 1/10 des Gesamtpreises ausmache. Dadurch komme ihr ein deutlicher Einfluss auf den Gesamtpreis zu.

3. Da die fehlende Preisangabe wesentlich war, komme es nach Auffassung des OLG München nicht darauf an, ob die fehlende Preisangabe Auswirkungen auf die Rangfolge der Bieter hat.

Rechtliche Würdigung

Der vom OLG München gewählte Maßstab für die Entscheidung, ob eine Preisposition wesentlich im Sinne der § 56 Abs. 3 Satz 2 und § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV ist, ist nicht schematisch. Das OLG München will diese Frage vielmehr anhand einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls entscheiden wissen, bei der der wertmäßige Anteil der jeweiligen Einzelposition am Gesamtpreis mit zu berücksichtigen ist. Damit reiht sich das OLG München in die bisherige Instanzrechtsprechung ein. Der Maßstab ist richtig gewählt, jedoch fällt die Subsumtion des OLG München etwas kurz aus. Es begründet seine Auffassung von der Wesentlichkeit der Preisposition ausschließlich damit, dass die fehlende Preisposition immerhin 1/10 des Gesamtpreises darstellt. Auch wenn es sich vorliegend um einen Hinweisbeschluss handelt, wäre eine etwas umfangreichere Begründung durch das OLG München wünschenswert gewesen. Dabei wäre insbesondere auch auf die Bedeutung der Preisposition für den Auftraggeber und die Bedeutung der bepreisten Leistung für die Leistungsausführung einzugehen gewesen (siehe dazu v.a. VK Bund, Beschl. .v. 23.05.2014 VK 1 30/14).

Praxistipp

Der Beschluss des OLG München verdeutlicht einmal mehr, die Bedeutung vollständiger Preisangaben für den Erfolg eines Angebotes. Bieter sollten daher alle formellen und inhaltlichen Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen hinsichtlich der Preisangaben zwingend beachten, um die Gefahr eines Ausschlusses zu vermeiden. Keinesfalls sollten sich Bieter darauf verlassen, der Auftraggeber werde sich aus den vorhandenen Angaben im Angebot den richtigen Angebotspreis im Rahmen der Angebotsprüfung irgendwie zusammenrechnen.

Öffentlichen Auftraggebern ist zu empfehlen, bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen stets vor Augen zu haben, Bieter bei der Angebotserstellung nicht unnötig zu verwirren und die Anzahl der Preispositionen und Preisuntergliederungen auf das für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zwingend Erforderliche beschränkt zu halten. Musterformulare sollten daher bei jeder neuen Ausschreibung neu durchdacht und gegebenenfalls entschlackt werden. Um den Bietern die Bedeutung bestimmter Einzelpositionen mit Nachdruck zu verdeutlichen, können Auftraggeber die Wesentlichkeit bestimmter Preispositionen in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich festlegen (siehe dazu: VK Nordbayern, Beschl. v. 03.02.2011 – 21.VK – 3194 – 50/10; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.09.2014 – VII-Verg 19/14.

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Über Anes Kafedzic

Anes Kafedžić ist Rechtsanwalt bei LANGWIESER RECHTSANWÄLTE Partnerschaft mbB. Das Tätigkeitsspektrum von Herrn Kafedžić umfasst die gesamte Bandbreite des Vergaberechts. Im Rahmen dessen berät er seine Mandanten bei der Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen sowie bei der Erstellung von Angeboten. Darüber hinaus übernimmt er die Vertretung seiner Mandanten in vergaberechtlichen Rechtschutzverfahren sowie bei der Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen vergaberechtlichen Ursprungs, z.B. Schadensersatz- und Akteneinsichtsansprüche.

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