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BGH: Spekulationsangebote sind auszuschließen! (BGH, Urt. v. 19.06.2018 – X ZR 100/16 – Uferstützmauer)

Entscheidung

Der BGH setzt der Kalkulationsfreiheit der Bieter Grenzen. Spekulative Preisangaben, welche beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen zu erheblichen Vergütungsvorteilen des Bieters führen können, sind nach Ansicht des BGH unzulässig. Angebote, welche solche Angaben enthalten, sind zwingend auszuschließen.

Der BGH hat sich im Rahmen der Klage eines Bieters auf Schadensersatz zur Reichweite der Bietern im Rahmen von Vergabeverfahren zustehenden Kalkulationsfreiheit geäußert. Der BGH setzt der Kalkulationsfreiheit zwei Grenzen: Zum einen die Mischkalkulation, zum anderen die Spekulation. In welchen Fällen entsprechende Sachverhalte vorliegen sollen, bleibt insbesondere hinsichtlich der Spekulation auch nach dem Urteil des BGH unkonturiert. Die Entscheidung hinterlässt mehr offene Fragen als sie beantworten kann. Im Ergebnis ist festzustellen, dass der BGH Bieter mit einem Angebotsausschluss bestraft, wenn er infolge einer vergaberechtswidrigen Leistungsbeschreibung Kalkulationsmöglichkeiten erkennt und diese zum eigenen Vorteil nutzen will. Diese Rechtsprechung ist zudem nicht mit der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH zu sittenwidrigen Einheitspreisen in Einklang zu bringen.

BGB § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1; VOB/A 2016 § 13 Abs. 1 Nr. 3, § 13 EU Abs. 1 Nr. 3

Leitsatz

1. Der Umstand, dass das Angebot des Bieters bei einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses Preise enthält, die deutlich unter den Kosten des Bieters liegen, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, der Bieter habe die geforderten Preise nicht angegeben.

2. Eine Angebotsstruktur, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechen, indiziert jedoch eine unzulässige Verlagerung von Preisangaben auf hierfür nicht vorgesehene Positionen. Kann der Bieter die Indizwirkung nicht erschüttern, rechtfertigt dies die Annahme, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält.

3. Ein Angebot, das spekulativ so ausgestaltet ist, dass dem Auftraggeber bei Eintritt bestimmter, zumindest nicht gänzlich fernliegender Umstände erhebliche Übervorteilungen drohen, ist nicht zuschlagsfähig. Vielmehr verletzt der betreffende Bieter seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn er für eine Position einen Preis ansetzt, der so überhöhte Nachforderungen nach sich ziehen kann, dass aus Sicht eines verständigen Teilnehmers am Vergabeverfahren das Ziel verfehlt wird, im Wettbewerb das günstigste Angebot hervorzubringen, und dem zu einem verantwortungsvollen Einsatz der Haushaltsmittel verpflichteten Auftraggeber nicht mehr zugemutet werden kann, sich auf ein derartiges Angebot einzulassen.

Sachverhalt

Ein Bieter beteiligte sich im Jahr 2011 an einer nationalen Ausschreibung nach dem 1. Abschnitt der VOB/A für die Stützmauersanierung am Wupperufer. Das einzige Zuschlagskriterium war der Preis. Das Angebot des späteren Klägers lag mit ca. 320.000 EUR brutto rund 8000 EUR vor dem preislich zweitplatzierten Bieter. Der Auftraggeber schloss das Angebot des erstplatzierten Bieters ohne vorhergehende Aufklärung aus und erteilte den Zuschlag an den zweitplatzierten Bieter. Der erstplatzierte Bieter machte anschließend geltend, dass der Zuschlag zwingend hätte auf sein Angebot erteilt werden müssen. Aus diesem Grunde sei er finanziell so zu stellen, als hätte er den Zuschlag erhalten. Diesen Schaden bezifferte er mit ca. 89.000 EUR. Nachdem der Auftraggeber dieser Zahlungsaufforderung nicht nachkam, verklagte der Bieter den Auftraggeber vor dem Landgericht Wuppertal. Nachdem das Gericht die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.09.2015 – 7 O 390/14) und auch das OLG Düsseldorf die anschließende Berufung zurückgewiesen hatte (Urteil vom 05.10.2016 – 27 U 21/15) wandte sich der Bieter an den BGH.

Die Entscheidung

Im Ergebnis ohne Erfolg. Nach Ansicht des BGH war zwar die Begründung des OLG Düsseldorf, das Angebot des Klägers sei aufgrund einer unzulässigen Mischkalkulation auszuschließen, unzutreffend. Jedoch habe der Bieter die Grenzen der ihm zustehenden Kalkulationsfreiheit unter Verletzung von Rücksichtnahmepflichten dadurch verletzt, dass er bei einer Eventualposition einen derart hohen Preis eingetragen hatte, welcher ihm am Ende nicht gerechtfertigte erhebliche Vergütungsansprüche hätte zukommen lassen können. Der Angebotsausschluss war somit berechtigt, dem Bieter stand kein Anspruch auf Schadensersatz zu.

In seiner Begründung stellt der BGH zunächst die einem Bieter in einem Vergabeverfahren grundsätzlich zustehende Kalkulationsfreiheit heraus (Rn. 9 ff. des Urteils). Solange der Bieter entsprechend § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A die geforderten Preise angebe, müsse der Bieter weder die Positionen des Leistungsverzeichnisses nach den gleichen Maßstäben kalkulieren, noch für jede Position mindestens die für die Ausführung dieser Leistung entstehenden Kosten angeben. Auch bleibe es einem Bieter unbenommen, ein Unterkostenangebot abzugeben (Vergabeblog.de vom 30/03/2017, Nr. 30394). Dies gelte erst recht dann, wenn der Bieter lediglich einzelne Positionen anbietet, welche die hierfür entstehenden Kosten nicht vollständig decken. Eine ordnungsgemäße Ausführung der Leistung werde durch solche vereinzelt billig angebotene Positionen nicht gefährdet.

Aus diesen Grundsätzen folgert der BGH sodann die erste Grenze der Kalkulationsfreiheit: Die Mischkalkulation.

Die Kalkulationsfreiheit gehe nämlich nicht so weit, dass der Bieter seine zu deckenden Gesamtkosten nach Belieben einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuordnen dürfe. In einem solchen Fall werden nämlich die Zahlungspflichten des Auftraggebers durch die Verlagerung der Preisbestandteile manipuliert. Der Auftraggeber bezahlt tatsächlich nicht die ausgeführten Leistungen, sondern zusätzlich diejenigen Leistungen, welche der Bieter in den anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses versteckt hat. Eine solche unzulässige Preisverlagerung liegt nach der Ansicht des BGH dann vor, wenn deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses gegenüberstehen. Eine solche Angebotsstruktur indiziert eine Mischkalkulation. Diesen Eindruck muss der Bieter erschüttern. Gelingt ihm der Nachweis nicht, dass keine Preisverlagerung vorliegt, ist das Angebot auszuschließen.

Sodann wendet sich der BGH der zweiten Grenze der Kalkulationsfreiheit und dem Schwerpunkt der Entscheidung zu: Die Ausnutzung der Ausgestaltung des Leistungsverzeichnisses zu unredlicher Spekulation.

In einer solchen Sachverhaltskonstellation erhöht der Bieter den Preis für einzelne Positionen drastisch und kompensiert dies dadurch, dass er andere Positionen mehr oder minder deutlich verbilligt. In einem solchen Sachverhalt liegt keine Mischkalkulation vor, da der Bieter sowohl den überhöhten als auch den heruntergesetzten Preis tatsächlich für die ausgeschriebene Leistung abrechnen will, ohne dass er Preisbestandteile zwischen den einzelnen Positionen verschiebt. Der BGH ist zwar der Ansicht, dass es nicht von vornherein in jedem Falle anstößig ist, wenn ein Bieter Unschärfen des Leistungsverzeichnisses bei den Mengenansätzen erkennt und durch entsprechende Kalkulation Vorteile zu erringen sucht. Es sei nämlich grundsätzlich Sache und Risiko des Auftraggebers, solche Spielräume zum Nachteil der öffentlichen Hand im Leistungsverzeichnis auszuschließen. Ein solches Vorgehen des Bieters findet jedoch seine Grenze dort, wo ein Bieter die Ausgestaltung des Leistungsverzeichnisses zu unredlicher Spekulation ausnutzt. In diesem Fall kann nämlich der Zweck des Vergabewettbewerbs, das günstigste Angebot hervorzubringen, nicht mehr erreicht werden. Die im Rahmen einer Ausschreibung bestehenden gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten nach Treu und Glauben stehen einem solchen Verhalten des Bieters entgegen.

Im Ergebnis nimmt der BGH an, dass das Verhalten des klagenden Bieters diese Voraussetzungen für eine unredliche Spekulation erfüllt.

Was hatte der Bieter getan? Im Leistungsverzeichnis waren für den Aufbau, Abbau und die Vorhaltung des für die Ausführung der Arbeiten erforderlichen Gerüsts folgende zwei Positionen vorgesehen:

  • 01.000200: Einrüsten der sanierungsbedürftigen Mauerabschnitte, Auf- und Abbau sowie dreimonatige Vorhaltung des gesamten Gerüsts nebst An- und Abtransport sowie Hochwasserwartung (vom Bieter angebotener Preis: 68.878,45 Euro)
  • 01.000210: Vorhaltekosten für das Gerüst bei eventueller witterungsbedingter Verzögerung für eine Woche verlängerter Standzeit (vom Bieter angebotener Preis: 12.678 Euro).

Außerdem hatte der Bieter nach den Feststellungen des OLG Düsseldorf in der Vorinstanz bei weiteren Positionen des Leistungsverzeichnisses deutlich unter den Kosten liegende Preise angeboten.

Nach den Feststellungen des Landgerichts als erster Instanz war es zudem als nicht fernliegend anzusehen, dass es zu den in Pos. 01.000210 erwähnten witterungsbedingten Verzögerungen kommen würde. Während im Rahmen der Pos. 01.000200 der wöchentliche Preis für die Vorhaltung des Gerüsts etwas unter 5.300 EUR liege, verlange der Bieter pro Woche der Vorhaltung aufgrund witterungsbedingter Verzögerungen über 12.000 EUR. In diesem Preisunterschied liegt nach Ansicht des BGH eine erhebliche spekulative Aufpreisung. Diese wirke sich umso nachteiliger aus, je länger die Unterbrechung andauere. Durch diese Aufpreisung habe der Kläger gegen die ihm obliegenden Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) verstoßen, so dass sein Angebot auszuschließen sei. Der BGH weist zwar noch darauf hin, dass es sich bei der Pos. 01.000210 um eine Eventualposition handelt, welche der Auftraggeber nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A überhaupt nicht hätte vorsehen dürfen. Dass sich der Auftraggeber hier vergaberechtswidrig verhalten hat, ändere jedoch nichts an der Ausschlussreife des Angebots des Bieters.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des BGH kann nur schwerlich nachvollzogen werden. Außerdem schafft die Entscheidung eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Da die Kriterien des BGH für eine unredliche Spekulation konturlos und unkonkret bleiben, wird die Entscheidung sowohl bei Bietern hinsichtlich der Frage zu Unsicherheiten führen, wie weit sie im Rahmen der Kalkulation ihrer Angebote gehen dürfen, als auch auf Auftraggeberseite hinsichtlich der Frage, wann sie berechtigt sind, ein Angebot aus diesen Gründen auszuschließen.

Es überrascht, dass der BGH die Entscheidung über den Ausschluss des Bieters selbst meint treffen zu können, obwohl das OLG seine Berufungsentscheidung noch auf eine Mischkalkulation gestützt und sich zur Frage der Spekulation nicht geäußert hatte. Überraschend ist das Ergebnis auch, dass der BGH die unstreitigen Feststellungen des Landgerichts, dass der Auftraggeber keinerlei Angebotsaufklärung vor dem erfolgten Ausschluss durchgeführt hatte, nicht aufgreift. Anders als in seiner Entscheidung zum Umgang mit Unterkostenangeboten vom 31.01.2017, in welcher er ausführlich zu Inhalt und Umfang der in diesem Fall erforderlichen Aufklärung ausgeführt hat, hält der BGH offensichtlich eine Aufklärung im Rahmen des Verdachts eines spekulativen Angebotes nicht für geboten. Des Weiteren vermisst man im Urteil des BGH Feststellungen und Kriterien dazu, wann eine Spekulation derart unredlich sein soll, dass diese einen Angebotsausschluss rechtfertigt. Im vorliegenden Fall hatte der Bieter für die Eventualposition der verlängerten Gerüstvorhaltung das 2,4-fache der angebotenen wöchentlichen Kosten für die Vorhaltung während der vorgesehenen Bauzeit angeboten. Dem BGH genügt zudem eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Eventualpositionen überhaupt zum Tragen kommt, für die Feststellung einer unredlichen Ausnutzung des Leistungsverzeichnisses. Weitere Tatsachenfestellungen hält der BGH nicht für erforderlich.

Diese Ausführungen des für Vergaberecht zuständigen X. Zivilsenats stehen zudem im Gegensatz zur Rechtsprechung des für Bausachen zuständigen VII. Zivilsenats des BGH für die Frage des Vorliegens sittenwidriger Einheitspreise. In der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats (Urteil vom 07.03.2013 – VII ZR 68/10 und Urteil vom 14.03.2013 – VII ZR 116/12) ist anerkannt, dass die nach § 2 Abs. 3 VOB/B (Mengenänderungen) oder § 2 Abs. 5 VOB/B (geänderte Leistungen) zu bestimmende Vergütung anhand des für die jeweilige Position angebotenen Einheitspreises unzulässig ist, wenn dieser Einheitspreis in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zur Leistung steht. Ein auffälliges Missverhältnis ist nur dann wucherähnlich, wenn der aufgrund dieses auffälligen Missverhältnisses über das übliche Maß hinausgehende Preisanteil sowohl absolut als auch im Vergleich gesehen zur Gesamtauftragssumme in einer Weise erheblich ist, dass dies von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden kann. Unter diesen Voraussetzungen besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers. Im vom BGH entschiedenen Fall betrug die vom Bieter verlangte Vergütung das 8-fache und 22-fache des üblichen Preises. Kann der Bieter die Vermutung eines sittenwidrigen Gewinnstrebens entkräften, bleibt es ihm dennoch nach Treu und Glauben untersagt, sich auf den überhöhten Preis zu berufen. An die Stelle der Vereinbarung über die Vergütung tritt die Vereinbarung, die Leistungen nach dem üblichen Preis zu vergüten.

Da der Tatbestand des Wuchers bzw. der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB eine besondere Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist, auf den der X. Zivilsenat seine Entscheidung stützt, ist somit eine unterschiedliche Beurteilung dieses Grundsatzes durch die verschiedenen Senate des BGH festzustellen. Überträgt man die Lösung des VII. Zivilsenats des BGH auch auf die vergaberechtliche Angebotsprüfung, so gelangt man indes zu praktikablen Ergebnissen.

Hiernach kann es nicht genügen, wenn lediglich ein Einheitspreis erheblich über dem üblichen Preis für die geforderte Leistung liegt. Durch diese Preisgestaltung muss sich auch das Gesamtpreisgefüge des Vertrages grundlegend ändern. Beide Voraussetzungen hat der X. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung nicht geprüft. Weder hat er Feststellungen dazu getroffen, ob die vom Bieter angebotenen 12.678 EUR für die witterungsbedingte verlängerte Vorhaltung des Gerüsts für sich genommen sittenwidrig überhöht sind. Bei dieser Prüfung ist nicht auf die Grundposition im Leistungsverzeichnis abzustellen, sondern auf den objektiv marktüblichen Preis. Des Weiteren fehlen Feststellungen dazu, in welchem Umfang sich diese unterstellt sittenwidrige Preisgestaltung auf den Gesamtangebotspreis auswirken könnte.

Schließlich ist es vorzugswürdig, die Konstellation einer spekulativen Angebotsgestaltung mit den Mitteln des Vertragsrechts einzudämmen. In der dargestellten Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH finden sich praktikable und insbesondere auch den öffentlichen Haushalt schützende Korrekturmechanismen für den Fall des Vorliegens sittenwidrig überhöhter Einheitspreise. Wenn es dem Auftragnehmer in diesen Fällen untersagt ist, die sittenwidrig überhöhten Einheitspreise zu seinen Gunsten fortzuschreiben und sich die Vergütung anschließend anhand der üblichen Vergütung bemisst, so nivelliert sich die im Rahmen des Vergabeverfahrens vorgenommene Spekulation und verhindert hierdurch im Ergebnis eine unwirtschaftliche Beschaffung.

Praxistipp

Da nicht davon auszugehen ist, dass der X. Zivilsenat des BGH seine Rechtsprechung kurzfristig wieder ändert, sind für die Praxis hieraus folgende Schlüsse zu ziehen:

Bieter in Vergabeverfahren werden künftig ihre Kalkulation mit besonderem Augenmerk darauf zu erstellen haben, ob die Preisstruktur nicht als unredliche Spekulation ausgelegt werden kann. Hier ist auf eine in sich konsistente und schlüssige Angebotserstellung und Preisgestaltung zu achten. Auf eine Aufklärung des Auftraggebers ist die Preisgestaltung nachvollziehbar zu erläutern.

Einen besonderen Appell beinhaltet die Entscheidung jedoch an den öffentlichen Auftraggeber: Wie der BGH mehrfach betont, ist von der Aufnahme von Eventualpositionen in das Leistungsverzeichnis abzusehen. Solche Positionen waren und sind stets das Einfallstor für eine spekulative Angebotsgestaltung. Das Vergaberecht verpflichtet den Auftraggeber zudem zur eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Kann der Bieter die Angebotsstruktur zu unredlicher Spekulation ausnutzen, wird diese Anforderung offenkundig nicht erfüllt. Entdeckt der Auftraggeber dennoch im Rahmen der Angebotsprüfung eine verdächtige Preisgestaltung, so sollte er dem Bieter stets die Gelegenheit geben, sich hierzu zu erklären. Ein Angebotsausschluss ohne vorherige Aufklärung dürfte von dem Bieter stets erfolgreich im Rahmen des vergaberechtlichen Rechtsschutzes angreifbar sein. Kann der Bieter bei objektiven Indizien für eine unredliche Preisgestaltung keine rechtfertigenden Umstände vorbringen, so kann hierauf ein Angebotsausschluss gestützt werden. Aufgrund der schwer greifbaren Kriterien des BGH ist ein solches Vorgehen jedoch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Selbst wenn hier kein Angebotsausschluss erfolgt, bietet das Vertragsrecht wie dargestellt auch nach Vertragsschluss noch entsprechende Korrekturmechanismen, um zu verhindern, dass ein späterer Auftragnehmer durch spekulative Preisgestaltung auch tatsächlich einen ihm von der Rechtsordnung nicht zuzubilligenden monetären Vorteil ziehen kann.

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Über Dr. Oskar Maria Geitel

Dr. Oskar Maria Geitel ist Fachanwalt für Vergaberecht und Rechtanwalt bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB in Berlin. Er berät öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit stellt die rechtliche Begleitung von Bauvorhaben bezüglich aller Fragen des Baurechts dar, welche sich unmittelbar an die Begleitung des Vergabeverfahrens anschließt. Herr Geitel ist Kommentarautor, Lehrbeauftragter für Vergaberecht und Dozent bei diversen Bildungseinrichtungen.

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