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Bauleistungen

Nachforderung von Unterlagen: Das ändert sich durch die neue VOB/A 2019 – Ein kurzer Überblick

Im Nachgang der Vergaberechtsreform 2016 hat der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen, kurz DVA, die Bestimmungen der VOB/A ein weiteres Mal überarbeitet. Dabei hat er nicht nur redaktionelle Änderungen vorgenommen, sondern darüber hinaus auch wichtige Vorschriften an die Bestimmungen angepasst, die im Bereich von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen gelten. Auch für die Nachforderung von Unterlagen hat sich Einiges geändert. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Neuerungen. Da die Bestimmungen im ersten, zweiten und dritten Abschnitt der VOB/A gleichlauten, wird nachfolgend einheitlich Bezug genommen auf § 16a (EU/VS) VOB/A.

Änderungen im Vergleich zu Regelungen der UVgO/VgV im kurzen Überblick

– Während § 16a (EU/VS) VOB/A a.F. nur in Bezug auf Angebote explizit eine Nachforderung vorsah, gilt der neue § 16a (EU/VS) VOB/A nunmehr explizit auch für Teilnahmeanträge (vgl. Abs. 6). Dies entspricht inhaltlich § 41 Abs. 1, 2 UVgO bzw. § 56 Abs. 1,2 VgV.

– Auch die Unterscheidung zwischen unternehmensbezogenen Unterlagen einerseits und leistungsbezogenen Unterlagen andererseits entspricht der Regelung in § 41 Abs. 2 UVgO bzw. § 56 Abs. 2 VgV. Unternehmensbezogene Unterlagen dürfen damit nunmehr im Zuge der Nachforderung nicht nur nachgereicht und vervollständigt, sondern auch korrigiert werden (vgl. § 16a [EU/VS] Abs. 2 VOB/A).

– Die bisherige, starre sechs-Tage-Frist für die Nachreichung von Unterlagen entfällt. Stattdessen regelt der neue § 16a (EU/VS) Abs. 4 VOB/A, dass der Auftraggeber eine angemessene, nach dem Kalender bestimmte Frist festlegen muss. Insofern besteht nunmehr ein Gleichlauf mit Paragraf § 41 Abs. 4 UVgO bzw. § 56 Abs. 4 VgV. Im Gegensatz zu letzteren Bestimmungen regelt die Vorschrift im Baubereich allerdings, dass diese Frist sechs Kalendertage nicht überschreiten soll. Eine längere Frist ist also zwar nicht mehr pauschal ausgeschlossen, muss aber im Einzelfall begründet werden.

– Parallel zur Bestimmung des §41 Abs. 3 Satz 2 UVgO bzw. § 56 Abs. 3 Satz 2 VgV darf der Auftraggeber gemäß § 16a (EU/VS) Abs. 2 Satz 3 VOB/A nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen auch fehlende, unwesentliche Preisangaben nachfordern – auch wenn es sich um mehrere Positionen handelt. Bislang durfte gemäß § 16 (EU/VS) Abs. 1 Nr. 3 VOB/A maximal eine einzige, unwesentliche Position fehlen.

– Dies gilt allerdings nur, wenn der Auftraggeber eine solche Nachforderung von Preisen nicht im Vorfeld ausgeschlossen Auch das erlaubt der neue § 16a (EU/VS) Abs. 3 VOB/A dem Auftraggeber nämlich, wenn er dies in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen vorher festlegt. In gleicher Weise darf der Auftraggeber auch in Bezug auf alle anderen Unterlagen eine Nachforderung im Vorfeld ausschließen. § 41 Abs. 2 Satz 2 UVgO bzw. § 56 Abs. 2 Satz 2 VgV regeln demgegenüber einen vorab festgelegten Nachforderungsausschluss nur in Bezug auf fehlende Unterlagen.

– Im Gegensatz zu § 41 Abs. 2 UVgO bzw. § 56 Abs. 2 VgV sieht auch der neue § 16a (EU/VS) Abs. 1 VOB/A weiterhin eine Nachforderungspflicht und keine Ermessensentscheidung vor.

– Auch, wie mit vorbehaltenen bzw. erst nach Angebotsabgabe einzureichenden Unterlagen umzugehen ist, stellt der neue § 16a (EU/VS) Abs. 1 VOB/A nun klar. Eine Nachforderung nachträglich einzureichender Unterlagen ist demnach nunmehr explizit ausgeschlossen. Die Rechtsprechung hat dies bislang unterschiedlich entschieden (vgl. Pfarr, Neue Mindestfrist für die Anforderung vorbehaltener Unterlagen? (OLG Celle, Beschl. v. 14.12.2015 – 13 Verg 9/15), Vergabeblog.de vom 06/03/2016, Nr. 25070; Pfarr, Nachträglich geforderte Unterlagen: Ausschluss bei Nichtvorlage zwingend? (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.11.2015 – VK 1-26/15), ; Pfarr, Regeln zum Angebotsausschluss gelten nicht für nachträglich geforderte Unterlagen (OLG Koblenz, Beschl. v. 19.01.2015 – Verg 6/14), Vergabeblog.de vom 01/04/2015, Nr. 21900). UVgO und VgV enthalten keine entsprechende Regelung.

Fazit

Aus Sicht der Praxis ist das Bestreben, einen zunehmenden Gleichlauf zwischen Bauvergaben einerseits und Liefer– und Dienstleistungsvergaben andererseits herzustellen, absolut zu begrüßen. Gerade das Recht der Nachforderungen ist auch so schon komplex genug. Allerdings werden durch die Übernahme der Begrifflichkeiten der VgV auch damit verbundene offene Fragen „importiert“. Diskutiert wird beispielsweise, wie weit in den Grenzen des Verhandlungsverbots unternehmensbezogene Unterlagen „korrigiert“ werden dürfen. Im VS-Bereich unterscheiden sich die Regelungen im Bau- und Liefer- bzw. Dienstleistungsbereich zudem weiterhin.

Anmerkung der Redaktion

Der Wortlaut des §16a EU VOB/A lautet:

§ 16a EU VOB/A – Nachforderung von Unterlagen

(1) Der öffentliche Auftraggeber muss Bieter, die für den Zuschlag in Betracht kommen, unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen – insbesondere Erklärungen, Angaben oder Nachweise – nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen – insbesondere Erklärungen, Produkt- und sonstige Angaben oder Nachweise – nachzureichen oder zu vervollständigen (Nachforderung), es sei denn, er hat von seinem Recht aus Absatz 3 Gebrauch gemacht. Es sind nur Unterlagen nachzufordern, die bereits mit dem Angebot vorzulegen waren.

(2) Fehlende Preisangaben dürfen nicht nachgefordert werden. Angebote, die den Bestimmungen des § 13 EU Absatz 1 Nummer 3 nicht entsprechen, sind auszuschließen. Dies gilt nicht für Angebote, bei denen lediglich in unwesentlichen Positionen die Angabe des Preises fehlt und sowohl durch die Außerachtlassung dieser Positionen der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge nicht beeinträchtigt werden als auch bei Wertung dieser Positionen mit dem jeweils höchsten Wettbewerbspreis. Hierbei wird nur auf den Preis ohne Berücksichtigung etwaiger Nebenangebote abgestellt. Der öffentliche Auftraggeber fordert den Bieter nach Maßgabe von Absatz 1 auf, die fehlenden Preispositionen zu ergänzen. Die Sätze 3 bis 5 gelten nicht, wenn der öffentliche Auftraggeber das Nachfordern von Preisangaben gemäß Absatz 3 ausgeschlossen hat.

(3) Der öffentliche Auftraggeber kann in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festlegen, dass er keine Unterlagen oder Preisangaben nachfordern wird.

(4) Die Unterlagen oder fehlenden Preisangaben sind vom Bewerber oder Bieter nach Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorzulegen. Die Frist soll sechs Kalendertage nicht überschreiten.

(5) Werden die nachgeforderten Unterlagen nicht innerhalb der Frist vorgelegt, ist das Angebot auszuschließen.

(6) Die Absätze 1, 3, 4 und 5 gelten für den Teilnahmewettbewerb entsprechend.

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Über Dr. Valeska Pfarr, MLE

Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.

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