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Bundesetat 2020: Neuverschuldung umstritten

Der Bundesrechnungshof hält es für fraglich, ob die in diesem Jahr geplante Nettokreditaufnahme des Bundes in Höhe von 218,5 Milliarden Euro mit der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse vereinbar ist. Zudem kritisieren die Rechnungsprüfer den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines zweiten Nachtragshaushalts (19/20000). In der Stellungnahme anlässlich einer öffentlichen Anhörung zum Nachtragshaushalt am Montagnachmittag im Haushaltsausschuss schreibt der Rechnungshof, dass der Entwurf „wesentliche Verfassungsgrundsätze wie Jährlichkeit, Fälligkeit, Wahrheit und Klarheit“ beeinträchtige. Achim Truger, einer der fünf „Wirtschaftsweisen“, nannte die Nettokreditaufnahme (NKA) hingegen „definitiv notwendig“. Es sei die „einzig sinnvolle Finanzierungsform“ für das Konjunkturpaket, heißt es in seiner Stellungnahme.

Der Haushaltsausschuss will sich am Mittwoch final mit dem Nachtragsetat befassen. Der Bundestag soll am Donnerstag abschließend über den Haushalt und den Koalitionsentwurf eines „Gesetzes über begleitende Maßnahmen zur Umsetzung des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets“ (19/20057)“, der ebenfalls Gegenstand der Anhörung war, beraten.

Der Rechnungshof sieht in seiner Stellungnahme eine deutliche Absenkung der NKA für „rechtlich angezeigt und finanzwirtschaftlich möglich“. Die Rechnungsprüfer kritisieren, dass die Bundesregierung laut Etat-Entwurf in diesem Jahr nunmehr gar nicht auf die in den Haushaltsjahren 2015 bis 2019 angesammelte Rücklage in Höhe von 48,2 Milliarden Euro zurückgreifen will. Das sei aber „verfassungsrechtlich geboten“. Mit der Entnahme aus der Rücklage, dem Verzicht auf die Mehrwertsteuersenkung sowie einer stärkeren Beteiligung der Länder könne die Erhöhung der NKA im zweiten Nachtragshaushalt „ohne Weiteres“ vermieden werden, meint der Rechnungshof. Die Senkung der Mehrwertsteuer hatte der Bundestag am Montag beschlossen.

Auch Niklas Potrafke vom ifo Institut schlug in seiner Stellungnahme vor, die geplante Neuverschuldung zu reduzieren. Um langfristig die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen zu sichern, müssten zudem strukturelle Reformen wie eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit thematisiert werden.

Volker Wieland (Universität Frankfurt), Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweisen“), ging auf die Schuldentragfähigkeit des Bundes ein. Diese sei zunächst nicht beeinträchtigt, sofern die Volkswirtschaft auf einen Wachstumspfad zurückkehre, führte Wieland in seiner Stellungnahme aus.

Achim Truger (Universität Duisburg-Essen), ebenfalls Mitglied des Sachverständigenrats, beurteilte das Konjunkturpaket als „ausreichend dosiert“, um die Konjunkturerholung wirkungsvoll zu unterstützen. Eine Alternative zur Nettokreditaufnahme in Form von Ausgabekürzungen oder Steuer- und Abgabeerhöhung lehnte Truger in seiner Stellungnahme ab. Das würde den konjunkturellen Impuls zerstören.

Tom Krebs (Universität Mannheim) sah in der Neuverschuldung ebenfalls kein Problem. Er lobte vielmehr, dass die „die geplanten Maßnahmen – wie von der ökonomischen Theorie gefordert – durch eine Nettokreditaufnahme finanziert“ würden.

Zur konjunkturellen Wirkung des Pakets äußerte sich der Präsident des ifo Instituts, Clemens Fuest. Die Maßnahmen des Konjunkturpakets seien grundsätzlich vernünftig. Man dürfe aber nicht zu viel erwarten, sagte Fuest. Das Institut prognostiziert, dass durch die geplanten Maßnahmen in diesem Jahr ein Wachstumsimpuls von 0,9 Prozentpunkten ausgelöst werden könnte.

Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung betonte, dass das Konjunkturpaket sinnvolle Elemente enthalte. Mit Blick auf die mittel- bis langfristige sozialökologische Transformation sei das Paket aber unzureichend, kritisierte sie.

Die Sachverständige Friederike Spiecker forderte, gegen eine Lohndeflation vorzugehen. Die Diplom-Volkswirtin schlug dazu unter anderem eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und einen höheren Mindestlohn vor.

Philipp Bagus (Universidad Rey Juan Carlos Madrid) kritisierte, dass die Maßnahmen des zweiten Nachtragshaushalts dem Ziel eines nachhaltigen Wachstums „geradezu entgegengesetzt“ seien. Es fehlten beispielsweise Steuersenkungen und Deregulierung.

Für die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßte Verena Göppert das Paket grundsätzlich. Göppert verwies in ihrer Stellungnahme aber darauf, dass die Folgen der Pandemie auch in den Jahren 2021 und 2022 gerade in den kommunalen Haushalten zu spüren sein werden.

Der Entwurf für einen zweiten Nachtragshaushalt sieht Ausgaben in Höhe von 509,29 Milliarden Euro vor. Gegenüber dem ersten Nachtragshaushalt steigen die Ausgaben damit um weitere 24,8 Milliarden Euro. Ursprünglich waren im Haushalt 2020 Ausgaben in Höhe von 362 Milliarden Euro vorgesehen. Zudem geht die Bundesregierung erneut von sinkenden Steuereinnahmen aus. Gegenüber dem ersten Nachtragshaushalt soll dieser Posten mit 264,78 Milliarden Euro um 24,68 Milliarden Euro geringer ausfallen. Zur Finanzierung der neuen Ausgaben und der ausfallenden Einnahmen ist dem Entwurf zufolge eine weitere Nettokreditaufnahme (NKA) von 62,53 Milliarden Euro vorgesehen. Insgesamt plant der Bund damit mit einer Nettokreditaufnahme von 218,52 Milliarden Euro für 2020. Das Begleitgesetz dient laut Begründung dazu, „flankierend zügig einige erforderliche gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um die mit dem Programm intendierten Impulse schnell wirksam werden zu lassen“.

Quelle: Bundestag

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