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EU-Kommission strafft Beihilfevorschriften

Die Europäische Kommission hat vergangenen Freitag eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) angenommen, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, bestimmte Beihilfemaßnahmen ohne vorherige Prüfung durch die Kommission durchzuführen. Die überarbeiteten Vorschriften betreffen: zum einen Beihilfen nationaler Behörden für Projekte, die im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens über bestimmte zentral von der EU verwaltete Programme finanziert werden, und zum anderen bestimmte staatliche Beihilfemaßnahmen, die für den ökologischen und digitalen Übergang und gleichzeitig die Erholung von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie relevant sind.

Die Befreiung solcher Beihilfen von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung stellt eine erhebliche Vereinfachung dar, die eine rasche Umsetzung solcher Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten erleichtert, sofern die Bedingungen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt erfüllt sind.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: „Heute strafft die Kommission die Beihilfevorschriften für nationale Finanzierungen, die in den Anwendungsbereich bestimmter EU-Programme fallen. Dadurch wird das Zusammenspiel zwischen den EU-Fördervorschriften und den EU-Beihilfevorschriften im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens weiter verbessert . Gleichzeitig eröffnen wir den Mitgliedstaaten mehr Möglichkeiten, staatliche Beihilfen für den ökologischen und digitalen Übergang ohne eine vorherige Anmeldung bei der Kommission bereitzustellen, ohne das der Wettbewerb im Binnenmarkt übermäßig verzerrt wird. Ferner werden es die neuen Regeln den Mitgliedstaaten erleichtern, rasch die dringend benötigten Mittel für eine nachhaltige und stabile Erholung von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie bereitzustellen.“

Um das Zusammenspiel zwischen den Finanzierungs- und den Beihilfevorschriften der EU im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens zu verbessern, strafft die Kommission die Beihilfevorschriften für die Gewährung nationaler Mittel für Vorhaben oder Finanzprodukte, die unter bestimmte vor kurzem beschlossene EU-Programme fallen. Die für diese Finanzierungsarten geltenden Finanzierungs- und Beihilferegeln der Union werden mit den heute in der AGVO verankerten Änderungen angeglichen, um unnötige Komplexität zu vermeiden. Gleichzeitig bleibt jedoch der Wettbewerb im EU-Binnenmarkt gewahrt.

Bei den betreffenden nationalen Mitteln handelt es sich um:
1) durch den Fonds „InvestEU“ unterstützte Finanzierungen und Investitionen,
2) Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsprojekte (F&E&I), die im Rahmen von Horizont 2020 oder Horizont Europa ein Exzellenzsiegel erhalten haben, sowie kofinanzierte Forschungs- und Entwicklungsvorhaben oder Teaming-Maßnahmen im Rahmen von Horizont 2020 oder Horizont Europa,
3) Projekte der Europäischen territorialen Zusammenarbeit (ETZ), der sogenannten „Interreg-Politik“.

Mit der heutigen Änderung der AGVO können diese Maßnahmen nun direkt von den Mitgliedstaaten durchgeführt werden, ohne bei der Kommission angemeldet zu werden. Die Kommission muss lediglich nachträglich informiert werden. Eine Freistellung der einschlägigen Beihilfen von der Anmeldepflicht ist dank einschlägiger Schutzbestimmungen in den von der Kommission zentral verwalteten EU-Programmen möglich. Für die im Rahmen dieser Programme gewährte Unterstützung gilt insbesondere: i) sie dient einem Ziel von gemeinsamem Interesse, ii) sie dient der Behebung eines Marktversagens oder den Zielen des sozioökonomischen Zusammenhalts, und sie ist iii) auf das erforderliche Minimum begrenzt.

Darüber hinaus eröffnet die Kommission mit der Änderung der AGVO den Mitgliedstaaten noch weitere Möglichkeiten, um die für den digitalen und ökologischen Übergang erforderlichen Beihilfen in einer Weise bereitzustellen, die es ihnen auch ermöglicht, Unternehmen, die für die Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie Finanzierungsbedarf haben, rasch zu unterstützen.

Die zur Verwirklichung dieser Ziele bestimmten Beihilfen, die nun von der vorherigen Anmeldung bei der Kommission freigestellt sind, werden bei der weiteren Vorbereitung auf die Zeit nach der Krise eine wichtige Rolle spielen. Die neuen Beihilfekategorien, die von der Anmeldepflicht ausgenommen werden, fallen unter Politikbereiche, die für den Übergang oberste Priorität haben. Die in diesen Gebieten gewährten Beihilfen werden auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Krise abzufedern helfen und sicherstellen, dass diese Erholung zum Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft beiträgt. Dabei handelt es sich um folgende Kategorien von Beihilfen:

1) Beihilfen für Vorhaben zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden,
2) Beihilfen für die Lade- und Tankinfrastruktur für emissionsarme Straßenfahrzeuge,
3) Beihilfen für feste Breitband-Netze, 4G- und 5G-Mobilfunknetze, bestimmte transeuropäische Infrastrukturprojekte für digitale Konnektivität und bestimmte Gutscheine.

Hintergrund

Artikel 108 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht vor, dass die Mitgliedstaaten staatliche Beihilfen bei der Europäischen Kommission anmelden müssen und erst nach Genehmigung durch die Kommission durchführen dürfen. Gemäß der EU- Ermächtigungsverordnung für staatliche Beihilfen kann die Kommission bestimmte Gruppen staatlicher Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären und von der im AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht freistellen.

Mit der AGVO werden bestimmte Gruppen von staatlichen Beihilfen für mit dem AEUV vereinbar erklärt, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Diese Gruppen sind von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung bei der Kommission und von der Genehmigung durch die Kommission ausgenommen, sodass die Mitgliedstaaten solche Maßnahmen mit voller Rechtssicherheit unmittelbar durchführen können. Die 2014 überarbeitete Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung bietet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ganz unterschiedliche Beihilfemaßnahmen ohne vorherige Genehmigung der Kommission durchzuführen, weil durch diese Maßnahmen kaum Wettbewerbsverfälschungen drohen. So mussten seit 2015 mehr als 96 Prozent der neuen Beihilfemaßnahmen, für die erstmals Ausgaben gemeldet wurden, nicht bei der Kommission zur Genehmigung angemeldet werden. Dies steht im Einklang mit der Politik der Kommission, in kürzerer Zeit bessere Ergebnisse zu erzielen und gleichzeitig dort Zurückhaltung zu üben, wo weniger Mehrwert zu erwarten ist.

Um die Durchführung des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens zu erleichtern und das Zusammenspiel zwischen den EU-Finanzierungsvorschriften und den EU-Beihilfevorschriften zu verbessern, hat der Rat der Union auf einen Vorschlag der Kommission vom Juni 2018 hin im November 2018 eine Änderung der EU-Ermächtigungsverordnung für staatliche Beihilfen (Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates) angenommen, die auf einem im Juni 2018 angenommenen Vorschlag der Kommission beruht. Auf der Grundlage der überarbeiteten Ermächtigungsverordnung kann die Kommission gezielte Änderungen an der AGVO vornehmen.

Entwürfe des überarbeiteten Wortlauts der AGVO waren Gegenstand zweier öffentlicher Konsultationen sowie dreier Sitzungen der Kommission und der Mitgliedstaaten im Rahmen des Beratenden Ausschusses. Dadurch wurde sichergestellt, dass die Mitgliedstaaten und die Interessenträger ausreichend Gelegenheit hatten, sich zu dem Entwurf des Kommissionsvorschlags zu äußern. Die Kommission hat alle Anmerkungen sorgfältig geprüft und den Vorschlag dort, wo es angebracht war, angepasst.

Zusätzlich zu der heute beschlossenen Ausweitung des Anwendungsbereichs der AGVO hat die Kommission bereits eine neue Überarbeitung der AGVO eingeleitet, um die Beihilfevorschriften angesichts der Prioritäten der Kommission im Zusammenhang mit dem digitalen und ökologischen Übergang weiter zu straffen. Die Mitgliedstaaten und alle Interessenträger werden zu gegebener Zeit zu dem Entwurf dieser neuen Änderung konsultiert.

Quelle: EU Kommission

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