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Bauleistungen

Nachforderung von Unterlagen: Haben die Bieter innerhalb der Nachforderungsfrist mehrere Versuche? (VK Bund, Beschl. v. 11.03.2022 – VK 1-23/22)

EntscheidungWie ist es zu bewerten, wenn ein Bieter auf eine Nachforderung zunächst inhaltlich unzureichende Referenzen einreicht, innerhalb der ursprünglich gesetzten Nachforderungsfrist dann jedoch ein weiteres Mal Referenzen nachreicht, welche die Anforderungen erfüllen? Diese Frage ist bislang nicht obergerichtlich geklärt. Nunmehr hat die VK Bund entschieden, dass den Bietern kein zweiter Versuch innerhalb der Nachforderungsfrist zusteht.

VOB/A 2019 §§ 16a EU, 16b EU

Leitsatz

  1. Ein Bieter darf nur dann von sich aus z. B. fehlende Unterlagen nachreichen, wenn der Auftraggeber ihn hierzu hätte auffordern müssen. In diesem Fall kommt der Bieter der zulässigen Aufforderung des Auftraggebers durch sein Verhalten lediglich zuvor.
  2. Hat der Auftraggeber nachgeforderte Referenzen inhaltlich geprüft und für unzureichend erachtet, darf er den Bieter kein weiteres Mal zur Nachreichung von Referenzen auffordern.
  3. Eine Nachforderung ist nur bei fehlenden, also in formaler Hinsicht nicht den ausgeschriebenen Anforderungen entsprechenden Unterlagen möglich, jedoch nicht, wenn diese Unterlagen in inhaltlicher Hinsicht nicht passen.

Sachverhalt

Der Auftraggeber forderte in einem europaweiten offenen Verfahren zur Vergabe von Bauleistungen drei Mindestreferenzen.

Der spätere Antragsteller fügte seinem Angebot keine Referenzen bei. Daraufhin forderte der Auftraggeber die fehlenden Referenzen nach.

Sodann reichte der spätere Antragsteller neun Referenzen nach. Allerdings erfüllte nur eine dieser Referenzen die Anforderungen an die Mindestreferenzen. Dies teilte der Auftraggeber dem späteren Antragsteller mit.

Daraufhin reichte der spätere Antragsteller unaufgefordert noch innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist sechs weitere Referenzen ein. Diese Referenzen erfüllten die Mindestanforderungen.

Der Auftraggeber schloss den späteren Antragsteller dennoch von dem Verfahren aus, da er die weiteren eingereichten Referenzen nicht berücksichtigen dürfe. Daraufhin stellte der Antragsteller einen Nachprüfungsantrag bei der VK Bund.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg!

Die VK Bund entschied, dass das Angebot die Mindestanforderungen an die Referenzen nicht erfüllte. Der Auftraggeber hatte die weiteren nachgereichten sechs Referenzen zu Recht nicht berücksichtigt.

Der Nachforderungsvorgang sei durch die zunächst nachgereichten neun Referenzen abgeschlossen gewesen. Daher lief nach Ansicht der VK Bund die zunächst gesetzte Nachforderungsfrist nicht mehr, als der Antragsteller die sechs weiteren Referenzen nachreichte.

Davon abgesehen seien die sechs weiteren nachgereichten Referenzen nicht zu berücksichtigen, da dies zu einer unzulässigen inhaltlichen Nachbesserung des Angebots führen würde. Die zunächst nachgereichten neun Referenzen erfüllten die Mindestanforderungen nicht. Für eine Berücksichtigung der weiteren nachgereichten Referenzen bestand somit kein Raum.

Rechtliche Würdigung

Ob ein Bieter innerhalb der ursprünglich gesetzten Nachforderungsfrist mehrere Versuche für die Nachreichung hat, wenn er zunächst inhaltlich unzureichende Unterlagen nachgereicht hat, ist bislang nicht obergerichtlich entschieden.

Auf den ersten Blick könnte eine Analogie zur Angebotseinreichung dafür sprechen, dass weitere nachgereichte Unterlagen berücksichtigt werden dürfen. Solange die Angebotsfrist noch läuft, dürfen Bieter bekanntlich ein bereits eingereichtes Angebot zurückziehen und in abgeänderter Form erneut einreichen (vgl. etwa § 10a EU Abs. 7 VOB/A). Der Antragsteller hat in diesem Nachprüfungsverfahren argumentiert, dass dies auch für den Fall gelten muss, dass Bieter Referenzen vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Nachforderungsfrist einreichen.

Hiergegen ist allerdings einzuwenden, dass Auftraggeber vor Ablauf der Angebotsfrist ohnehin nicht berechtigt sind, die Angebote zu öffnen (vgl. etwa § 14 EU Abs. 1 S. 1 VOB/A). Entsprechende Regelungen existieren für nachgereichte Unterlagen nicht. Wenn ein Bieter innerhalb der gesetzten Nachfrist Unterlagen abgibt, erklärt er damit vielmehr, dass er der Aufforderung des Auftraggebers nachkommt. Diese Erklärung geht dem Auftraggeber gemäß § 130 Abs. 1 BGB unmittelbar zu und darf von diesem zur Kenntnis genommen und inhaltlich gewürdigt werden. Hierauf stellt die VK Bund in dieser Entscheidung zurecht ab.

Die Entscheidung der VK Bund überzeugt zudem insgesamt, da sie dem Grundsatz Rechnung trägt, dass im Rahmen einer Nachforderung keine inhaltliche Nachbesserung erfolgen darf.

Auch die VK Südbayern hat im Jahr 2019 zu einer ähnlichen Konstellation entschieden, dass den Bietern keine zweite Chance zur Nachreichung von Referenzen innerhalb der Nachforderungsfrist zusteht (Beschl. v. 27.02.2019 Z3-3-3194-1-44-11/18). Die VK Südbayern stellte unter anderem darauf ab, dass auch die ursprünglich eingereichten Angebote nicht inhaltlich nachgebessert werden dürfen, wenn zunächst unzureichende Referenzen eingereicht werden.

Die VK Berlin hat im Jahr 2018 ebenfalls entschieden, dass ein Bieter sich an zunächst eingereichten Unterlagen festhalten lassen muss (VK Berlin, Beschl. v. 30.11.2018 – VK B 2-25/18).

Praxistipp

Auftraggeber dürfen auch dann, wenn ein Bieter innerhalb der ursprünglich gesetzten Nachforderungsfrist ein zweites Mal Unterlagen nachreicht, keine inhaltliche Nachbesserung zulassen. Das Verbot inhaltlicher Nachbesserungen im Rahmen von Nachforderungen ist vielmehr stets strikt zu beachten.

Es gilt beispielsweise auch für den Fall, dass ein Bieter unzureichende Referenzen einreicht, dem Auftraggeber jedoch aufgrund von Voraufträgen positiv bekannt ist, dass der Bieter über passende Referenzen verfügt. Auch in diesem Fall dürfen ausschließlich die ursprünglich eingereichten Referenzen berücksichtigt werden.

Aus Sicht der Bieter gilt, dass die nachgereichten Unterlagen auf Anhieb die gesetzten Anforderungen erfüllen müssen, auch wenn die ursprünglich gesetzte Nachforderungsfrist bei der ersten Nachreichung noch mehrere Tage läuft.

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Über Lars Lange, LL.M. (Kopenhagen)

Der Autor Lars Lange ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht.

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