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Widerruf einer Zuwendung in Höhe von 25% auch bei kleinen Vergaberechtsverstößen geboten! (VG Halle, Beschl. v. 13.10.2023 – 3 A 256/21)

EntscheidungErgeht ein Zuwendungsbescheid unter der Auflage der Einhaltung des Vergaberechts und hat der Zuwendungsempfänger in einem Vergabeverfahren einen Bieter ungeachtet der Nichtvorlage von im Hinblick auf Nachunternehmer nachgeforderten Erklärungen nicht aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen, liegt ein Vergaberechtsverstoß vor. Dieser zwingt im Regelfall zum Widerruf der Zuwendung, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Fehlt es an derartigen Umständen, bedarf es keiner besonderen Ermessenserwägungen. Für die Frage des Umfangs des Widerrufs hat sich der Zuwendungsgeber an den Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der EU finanzierte Aufgaben anzuwenden sind, zu orientieren. Dabei sind die Leitlinien nicht schematisch anzuwenden und etwaige atypische Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Beträgt der Korrektursatz danach 25% kann sich der Zuwendungsgeber hierauf stützen. Dass die vom Vergabeverstoß betroffenen Teilleistungen im Verhältnis zum Gesamtauftragswert nicht erheblich ins Gewicht fallen, spielt keine Rolle.

§§ 16 Abs. 1 Nr. 4, 16a Abs. 5 VOB/A; § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG

Sachverhalt

Die klagende Gemeinde (Klägerin) führte auf Grundlage eines durch den beklagten Zuwendungsgeber (Beklagter) erlassenen Zuwendungsbescheids ein Vergabeverfahren durch. Unter Ziffer 6 des Zuwendungsbescheides – Nebenbestimmungen – wurde festgelegt, dass die ANBest-Gk (Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen an Gebietskörperschaften und Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften) Bestandteil des Bescheides sind. Abweichend oder ergänzend von den ANBest-GK wurde in Ziffer 6.1 des Bescheides bestimmt, dass der Bescheid unter der Auflage der Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen ergeht. Die Klägerin war hiernach verpflichtet, die Regelungen des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Land Sachsen-Anhalt (LVG LSA) und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) einzuhalten.

Die Prüfung der Vergabeakte durch den Zuwendungsgeber ergab, dass von den Nachunternehmern des bezuschlagten Bieters die Erklärungen nach § 10 und § 12 Abs. 2 LVG LSA trotz Nachforderung nicht vollständig beigebracht wurden. Daraufhin erließ der Beklagte den streitbefangenen Änderungs-, Teilwiderrufs- und Sanktionsbescheid. Der durch die Klägerin gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Die Klägerin beantragt, den Bescheid des Beklagten aufzuheben. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.

Die Entscheidung

Die Anfechtungsklage blieb erfolglos! Die Klage war zwar zulässig, erwies sich jedoch als unbegründet. Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung hielt der durch den Beklagten erlassene Bescheid der Rechtmäßigkeitsprüfung stand.

Rechtsgrundlage des Bescheides war § 1 Abs. 1 S. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG, da der Zuwendungsbescheid der Beklagten mit Auflagen verbunden wurde, die von Klägerseite nicht erfüllt worden sind. Relevante Auflage waren dabei insbesondere die abzugebenden Erklärungen hinsichtlich eingesetzter Nachunternehmen. Diese Verpflichtung zur Abgabe der Erklärungen wurde indes nicht erfüllt. Der Zuschlag hätte daher nicht erteilt werden dürfen, vielmehr wäre das Angebot vom Vergabeverfahren auszuschließen gewesen (§§ 16 Abs. 1 Nr. 4, 16a Abs. 5 VOB/A). Der Nichtausschluss und die Bezuschlagung stellen einen Verstoß gegen die im Vergabeverfahren geltenden Gebote zur Transparenz und zur Gleichbehandlung dar.

Die Einwände der Klägerin gegen die Annahme eines Vergabeverstoßes greifen nicht durch. Sie macht ohne Erfolg geltend, dass die Leistungen der betroffenen Firmen keine Nachunternehmerleistungen sind. Nicht als Nachunternehmerleistung werden lediglich solche Teilleistungen qualifiziert, die sich auf reine Hilfsfunktionen beschränken, so zum Beispiel Speditionsleistungen, Gerätemiete, überwiegend auch Baustoff- und Bauteillieferanten. Bei der Untervergabe von ingenieurtechnischen Leistungen – wie hier der geologischen Untersuchung des Baugrundes und die Vermessung des Baufeldes – handelt es sich nicht um derartige auf Hilfsfunktionen beschränkte Teilleistungen. Vielmehr sind Planungs- und Vermessungsleistungen spezifische Bauleistungen, die, insbesondere, wenn sie als gesonderter Titel des Auftrags verzeichnet sind, im Wege eines Unterauftrages vergeben werden können. Bei den in Rede stehenden Leistungen handelt es sich nicht um bloße Hilfsfunktionen, sondern es handelt es sich um eine vom Auftraggeber explizit mit dem Leistungsverzeichnis abgeforderte Leistungen, deren Erbringung durch Dritte als Nachunternehmereinsatz zu qualifizieren ist.

Hinsichtlich der Ermessensausübung zwingen die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Subvention, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalles eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Fehlen derartige Umstände bedarf es keiner besonderer Ermessenserwägungen. Darüber hinaus ergibt sich das intendierte Ermessen auch aus EU-Recht Art. 35 Abs. 2 lit. b der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 da die streitbefangene Förderung sich auch aus EU-Mitteln ergibt.

Für die Frage des Umfangs des Widerrufs hat sich der Beklagte in sachgerechter Ausübung seines Ermessens an den Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der Union finanzierte Aufgaben anzuwenden sind, orientiert. Die durch die Beklagte vorgenommene Kürzung um 25 % erfolgte insofern rechtmäßig. Dass die durch den Vergabeverstoß betroffene Teilleistung im Verhältnis zum Gesamtauftragswert nicht erheblich ins Gewicht fällt, ist insofern irrelevant, da die Bewilligungsbehörde bei der Subventionsvergabe die Beachtung strenger Form- und Fristbestimmungen verlangen darf.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts befasst sich mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Kürzung von Zuwendungen im Falle (leichter) Vergaberechtsverstöße. Zutreffend stellt das Gericht insofern fest, dass aufgrund intendierten Ermessens kein Fehler bei der Ermessensausübung festzustellen ist. Richtigerweise folgt dies neben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch aus EU-Recht.

Das Verwaltungsgericht betont, dass sich ein Zuwendungsgeber für die Frage des Umfangs des Widerrufs an den Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Vergaberechtsverstößen auf von der Union finanzierte Aufgaben anzuwenden sind, zu orientieren hat. Diese richten sich zwar vorrangig an die Kommissionsdienststellen, um bei deren Bearbeitung von Fällen mit Unregelmäßigkeiten ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten. Den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten, die selbst Unregelmäßigkeiten feststellen, empfehlen die Leitlinien jedoch, dabei dieselben Kriterien für die Korrektur anzuwenden (so auch zutreffend VG Cottbus, Urteil vom 03.02.2023 zum Az. 3 K 1618/19). Dabei sind die Leitlinien nicht schematisch anzuwenden und etwaige atypische Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Auch die Regelannahmen der Leitlinien entbinden daher den Zuwendungsgeber nicht davon, die Einzelumstände zu würdigen.

Auf die Frage, ob und in welcher Höhe dem Zuwendungsgeber durch eine rechtswidrige Auftragsvergabe letztlich ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, kommt es dagegen so das Gericht zutreffend nicht an. Da sonstige Gesichtspunkte, die einen atypischen Sachverhalt und ein Absehen von der 25-prozentigen Kürzung der Zuwendung begründen könnten, für das Gericht nicht ersichtlich waren, war die vorgenommene Kürzung nicht zu beanstanden und damit der erlassene Bescheid rechtmäßig.

Praxistipp

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts verdeutlicht die große Relevanz der Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften bei mit Zuwendungen bzw. Fördermitteln finanzierten Projekten. Der Bieter ist in einem Vergabeverfahren bekanntermaßen gehalten, Unterlagen auch im Falle des Einsatzes von Nachunternehmern vollständig vorzulegen. Dies gilt erst recht dann, wenn der Auftraggeber Unterlagen explizit unter Setzung einer Frist nachfordert. Sieht der den Auftrag vergebende Zuwendungsempfänger hier über Defizite hinweg bzw. drückt – bildlich gesprochen – ein Auge zu, kann sich dies in der Verwendungsnachweisprüfung als fatal erweisen und einen Widerruf in Höhe eines bestimmten Korrektursatzes zur Folge haben. Dass die durch den Vergabeverstoß betroffene Teilleistung im Verhältnis zum Gesamtauftragswert nicht erheblich ins Gewicht fällt, ist dabei unbeachtlich! Auch vermeintlich kleine Vergaberechtsverstöße können mithin erhebliche Kürzungen der Zuwendungssumme zur Folge haben.

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Über Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG

Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.

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