Die VK Bund hat sich dazu bereits positioniert (VK Bund, Beschluss vom 19.07.2019, Az.: VK 1-39/19):

Ein Vergaberechtsverstoß, der dazu führen würde, dass die Ag das Vergabeverfahren zurückversetzen müsste, liegt jedoch nicht vor. So ist die Ag nicht verpflichtet, bei dieser Rahmenvereinbarung das maximale Abrufvolumen, den maximalen Auftragswert und die abzurufenden Höchstmengen anzugeben. Denn gemäß § 21 Abs. 1 S. 2 VgV muss ein öffentlicher Auftraggeber bei Rahmenvereinbarungen das in Aussicht genommene Auftragsvolumen nur so genau wie möglich ermitteln und bekannt geben, braucht dies aber nicht abschließend vorab festzulegen. Wenn wie in diesem Fall der tatsächliche Auftragsumfang einer Rahmenvereinbarung von Ereignissen abhängt, die der Auftraggeber nicht sicher vorhersehen und nicht beeinflussen kann (weil sie jedenfalls nicht vollständig in seiner Sphäre liegen, sondern wie hier von der Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen der Ag durch ihre Versicherten abhängen) genügt es, wenn der Auftraggeber so valide wie mögliche Erfahrungswerte zugänglich macht, die ihm bekannt sind und die er mit zumutbarem Aufwand ermitteln kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 21. Oktober 2015, Verg 28/14; und vom 7. Dezember 2011, Verg 96/11). Dies hat die Ag hier getan, indem sie den Bietern eine Liste zur Verfügung gestellt hat, aus der diese basierend auf den Erfahrungswerten der Ag der letzten Jahre die monatlichen Fallzahlen der einzelnen Bearbeitungsprozesse und die hierbei auftretenden Schwankungen ersehen konnten. Über weitere valide Daten verfügt die Ag nicht. Auch wenn weiterhin hinsichtlich des Auftragsumfangs erhebliche Kalkulationsrisiken bei den Bietern verbleiben, war die Vorgehensweise der Ag vergaberechtskonform (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 18. April 2012, Verg 93/11; und vom 20. Februar 2013, Verg 44/12).

Dem steht auch nicht die von der ASt zitierte Entscheidung des EuGH vom 19. Dezember 2018 (Rs. C-216/17) entgegen. Art. 33 Abs. 1 UAbs. 2 der RL 2014/24/EU, der durch § 21 VgV in deutsches Recht umgesetzt wurde, verlangt ebenfalls nur, dass die in Aussicht genommene Menge vom Auftraggeber „gegebenenfalls“ im Vorhinein festgelegt werden muss. Das o.g. Urteil des EuGH ist bereits deshalb nicht auf dieses Verfahren übertragbar, weil es ausdrücklich zur alten Rechtslage nach der RL 2004/18/EG erging (s. Rz. 47 dieser Entscheidung), die sich gerade in dem hier relevanten Punkt entscheidend geändert hat.

So mussten Bekanntmachungen bei Rahmenvereinbarungen über Dienstleistungen nach dem früheren Recht u.a. die Angabe „des für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung veranschlagten Gesamtwerts der Dienstleistungen“ enthalten (s. Art. 36 Abs. 1 i.V.m. Anhang VII Teil A der RL 2004/18/EG). Demgegenüber verlangt das aktuelle Recht nur noch, dass der Wert oder die Größenordnung der zu vergebenden Rahmenvereinbarung „soweit möglich“ angegeben wird (Art. 49 i.V.m. Anhang V Teil C Nr. 10a) der RL 2014/24/EU).

Unabhängig davon, dass die Bekanntmachungsregelungen in Anhang VII Teil A der RL 2004/18/EG auch schon nach früherem Recht nicht nur der schon damals gültigen Legaldefinition der Rahmenvereinbarung (vgl. Art. 1 Abs. 5 der RL 2004/18/EG) widersprach, sondern auch dem typischen Charakter einer Rahmenvereinbarung, bei der die abzurufende Menge regelmäßig noch nicht bei der Auftragsvergabe feststeht (sonst könnte der Auftraggeber ohnehin bereits einen „normalen“ Dienstleistungsauftrag mit entsprechender Laufzeit ausschreiben), entspricht die Vorgehensweise der Ag jedenfalls der aktuellen EU-Rechtslage.

Ob die aktuellen EU-Bekanntmachungsregeln verlangen, dass die Erfahrungswerte, die die Ag den Bietern erst in den Vergabeunterlagen mitgeteilt hat, bereits in der EU-Bekanntmachung anzugeben sind (laut ASt hätte hierzu ggf. ein link in der EU-Bekanntmachung gereicht, jedoch nicht der Verweis der Ag in Ziffer II.2.4 der EU-Bekanntmachung auf das „Mengengerüst“ als Anlage zum LV), ist hier nicht zu entscheiden. Selbst wenn dies zutreffen sollte, wäre die ASt durch diesen Vergaberechtsverstoß nicht in ihren Rechten verletzt, weil sie sich auch ohne die Bekanntmachung dieser Erfahrungswerte am Vergabeverfahren beteiligt hat. Auch sie selbst hat nichts dazu dargetan, inwiefern die vorherige Bekanntmachung des „Mengengerüsts“ ihre Zuschlagsaussichten verbessert hätte.

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