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PKW Maut: Hektische Diskussion um Toll Collect

Im Vorfeld des Vertragsabschlusses über die Pkw-Maut Ende 2018 gab es Kontroversen über die mögliche Rolle der bundeseigenen Toll Collect GmbH. Dabei wehrte sich die für die Lkw-Maut zuständige Gesellschaft gegen das Ansinnen des Bundesverkehrsministeriums, zusätzlich Erhebung und Kontrolle der Pkw-Maut zu übernehmen. Dies wurde am Donnerstag in der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten öffentlichen Sitzung des 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“) deutlich.

Relevant ist die Rolle von Toll Collect, weil die Gesellschaft 2019 dann doch als Unterauftragnehmer in das Maut-Projekt einbezogen wurde. Dabei wurde dem vom Bund beauftragten Konsortium aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim das Recht eingeräumt, die Zahlstellenterminals von Toll Collect auch für die Erhebung der Pkw-Maut zu nutzen. Diese Maßnahme trug wesentlich dazu bei, das ursprünglich bei drei Milliarden Euro liegende Angebot des Bieterkonsortiums auf die vom Bundestag genehmigten zwei Milliarden Euro zu drücken.

Wie Thomas Eberhardt, bis August 2019 Geschäftsführer Betrieb und Finanzen der Toll Collect GmbH, im Ausschuss erklärte, fragte das Bundesverkehrsministerium am 6. September 2018 erstmals, ob Toll Collect Erhebung und Kontrolle der Pkw-Maut übernehmen könne. Kurz zuvor, am 1. September, war die bis dahin private Toll Collect GmbH ins Eigentum des Bundes übergegangen. Nach einer ersten Prüfung teilte die Geschäftsführung dem Ministerium am 13. September mit, sie sehe sich nicht in der Lage, die Leistungen bis zum gewünschten Termin im Sommer 2020 zu erbringen.

Das Ministerium ließ aber nicht locker. Am 19. November wollte es erneut wissen, ob und wann Toll Collect in das Projekt einsteigen könne. Erneut kam die Geschäftsführung zum Schluss, sie könne zwar möglicherweise Teilaufgaben übernehmen, nicht aber die gesamte Kontrolle und Erhebung. Dabei kam es zu emotionalen Äußerungen, wie aus einer im Ausschuss verlesenen E-Mail hervorging. Demnach schrieb Eberhardts Co-Geschäftsführer Robert Woithe: „Mein Helfersyndrom hat sich hiermit erledigt. Leck mich. Okay, etwas netter: Leck mich kreuzweise.“ Außerdem bezeichnete er eine Mail des Maut-Referats des Verkehrsministeriums als „frech und unverfroren“.

Wie diese Äußerungen zu interpretieren seien, wollten Ausschussmitglieder verschiedener Fraktionen wissen. „Herr Woithe ist ein Mann des klaren Wortes“, antwortete Zeuge Eberhardt. Die Formulierungen seien als Zeichen zu verstehen, „dass wir uns intensiv mit den Wünschen des Verkehrsministeriums auseinandergesetzt haben“. Es habe damals „viele hektische Diskussionen“ gegeben, und die Geschäftsführer hätten Nächte durchgearbeitet, sagte Eberhardt weiter. Grundsätzlich wäre es nach seinen Worten aus betriebswirtschaftlicher Sicht interessant gewesen, sich ein zusätzliches Geschäftsfeld zu erschließen; dies habe sich aber als nicht möglich erwiesen.

Am 6. Dezember kam es dann zu einem Gespräch zwischen Toll Collect und Bieterkonsortium, in dem es um die Frage ging, mit welchen Teilleistungen Toll Collect das Projekt Pkw-Maut unterstützen könne. Am Ende stand ein Unterauftragnehmervertrag, der die Nutzung der Zahlstellenterminals von Toll Collect ermöglichte.

In seiner nichtöffentlichen Beratungssitzung entschied der Untersuchungsausschuss mit dem Minderheitenquorum von FDP, Linken und Bündnis 90/Die Grünen, einen Ermittlungsbeauftragten nach § 10 des Untersuchungsausschussgesetzes einzusetzen. Dieser soll die E-Mail-Kommunikation von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) prüfen, die über dessen MdB-Account lief. Die Opposition sieht hier Aufklärungsbedarf, weil kurz vor der parlamentarischen Sommerpause das Bundesverkehrsministerium dem Ausschuss rund 300 Seiten E-Mails übergeben hatte, die über das Postfach des Abgeordneten Scheuer und nicht über dessen Ministeradresse gelaufen waren.

Quelle: Bundestag

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