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OHB unterliegt im einstweiligen Rechtsschutz zur Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten (Beschl. v. 26.05.2021 – Rs. T-54/21R – OHB / Kommission)

Entscheidung-EUDer Präsident des Gerichts weist den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidungen zurück, die von der im Namen und im Auftrag der Europäischen Kommission handelnden Europäischen Weltraumorganisation getroffen wurden und die dahin gehen, die deutsche Gesellschaft OHB System bei der Vergabe des öffentlichen Auftrags für die „Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten“ nicht zu berücksichtigen – Die Abwägung der bestehenden Interessen spricht gegen die beantragte Aussetzung.

Am 29. Januar 2021 hat die OHB System AG, eine deutsche Gesellschaft für Raumfahrtsysteme (im Folgenden: OHB), beim Gericht der Europäischen Union eine Klage auf Nichtigerklärung von zwei Entscheidungen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) erhoben. Diese von der ESA im Namen und im Auftrag der Kommission am Ende eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags getroffenen Entscheidungen gehen dahin, das Angebot von OHB nicht zu berücksichtigen und mit der Thales Alenia Space Italia S.p.A. (im Folgenden: Thales Alenia) und der Airbus Defence & Space GmbH (im Folgenden: Airbus) zwei Verträge über die „Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten“ zu schließen. Neben ihrer Klage hat OHB beim Gericht einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der darauf abzielt, den Vollzug der Entscheidungen der ESA, mit denen sie der Sache nach von der Vergabe des fraglichen Auftrags ausgeschlossen wird, im Wege der einstweiligen Anordnung auszusetzen.

Zur Stützung ihres Antrags macht OHB im Wesentlichen geltend, ihre Konkurrentin Airbus habe ein Mitglied ihres Führungspersonals eingestellt, das zuvor maßgebend an der Erstellung ihres Angebots mitgewirkt habe. OHB vermutet, dass dieser frühere Mitarbeiter rechtswidrig sensible Informationen erhalten habe, die geeignet seien, seinem neuen Arbeitgeber (Airbus) im Rahmen der Auftragsvergabe unzulässige Vorteile zu verschaffen.

Im Kontext des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes hat der Präsident des Gerichts mit Beschluss vom 31. Januar 2021 – vorläufig und ohne Anhörung der Kommission – dem Antrag von OHB stattgegeben, den Vollzug der Entscheidung der ESA auszusetzen, mit der OHB mitgeteilt wurde, dass ihr Angebot für den fraglichen öffentlichen Auftrag nicht berücksichtigt werden könne. Sodann hat er mit Beschluss vom 26. Februar 2021 klargestellt, dass sich der Beschluss vom 31. Januar 2021 nur auf Airbus bezieht und nicht auf Thales Alenia. OHB hat nämlich nur Argumente in Bezug auf Airbus vorgebracht.

Mit seinem Beschluss hebt der Präsident des Gerichts als der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nach Anhörung der Kommission seine früheren Beschlüsse auf und weist den Antrag von OHB auf vorläufigen Rechtsschutz zurück.

Der Präsident des Gerichts führt aus, dass der Antrag von OHB dem ersten Anschein nach nicht völlig einer ernsthaften Grundlage entbehrt und dass der von OHB geltend gemachte Schaden objektiv gesehen schwer ist.

Der Präsident des Gerichts hält es jedoch für erforderlich, die Risiken jeder der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen Lösungen (vorläufige Aussetzung des Vollzugs oder Zurückweisung des dahin gehenden Antrags) gegeneinander abzuwägen.

Hierzu stellt er erstens fest, dass es im Fall des Obsiegens von OHB im Hauptsacheverfahren möglich wäre, den mit dem endgültigen Verlust ihrer Chance, den fraglichen Auftrag zu erhalten (infolge der Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz), verbundenen Schaden zu bewerten, so dass der ihr insoweit tatsächlich entstehende individuelle Schaden in vollem Umfang ersetzt werden könnte. Sollten die beantragten einstweiligen Anordnungen hingegen erlassen werden, wäre es der Kommission nicht möglich, mit einem der Zuschlagsempfänger einen Vertrag zu schließen, was erhebliche technische und finanzielle Folgen für das Weltraumprogramm der Union hätte. Am raschen Abschluss dieses Vertrags besteht daher ein wichtiges allgemeines Interesse.

Zweitens würden die von OHB erwarteten Gewinneinbußen und die ihren Mitarbeitern zu zahlenden Abfindungen zwar etwa 30 Mio. Euro betragen, doch muss dieser Betrag in Verhältnis zum Volumen der europäischen Satellitennavigationsprogramme gesetzt werden, das beträchtlich ist, da die Union dafür allein in der Zeit von 2014 bis 2020 über 7 Mrd. Euro investiert hat und da der Gesamtwert der vom streitigen Vergabeverfahren erfassten Satelliten etwa 1,47 Mrd. Euro beträgt.

Drittens beschränkt sich der Teil des Vorbringens von OHB, der dem ersten Anschein nach nicht einer ernsthaften Grundlage entbehrt, auf nur einen Aspekt: die mögliche Sorgfaltspflichtverletzung der Kommission in Bezug auf die Gewährleistung der Gleichbehandlung der an der Ausschreibung beteiligten Unternehmen3. Insoweit ist jedoch nicht nur darauf hinzuweisen, dass das Verfahren wegen der Strafanzeige, die von OHB bei der deutschen Staatsanwaltschaft gestellt worden war, eingestellt wurde, sondern auch, dass die im Namen und im Auftrag der Kommission handelnde ESA an Airbus ein Auskunftsersuchen richtete, um etwaige Regelwidrigkeiten zu prüfen.

Im Licht dieser Erwägungen kommt der Präsident des Gerichts zu dem Ergebnis, dass die Abwägung der bestehenden Interessen gegen den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen spricht.

Der Volltext des Beschlusses wird auf der Curia-Website veröffentlicht.

Quelle: EuG, Pressemitteilung

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